Ältere IT-Mitarbeiter haben schweren Stand

08.12.2009
Noch verdrängen viele Firmen den demografischen Wandel. Schon Mittvierziger fühlen sich ausgegrenzt, wie eine von der CW in Auftrag gegebene Studie zeigt.

Seit 17 Jahren arbeitet ein Entwickler für eine Firma in Sachsen, mittlerweile ist er 54 Jahre alt und wird ausgegrenzt. "Ab 40 ist man für den Arbeitsmarkt zu alt", so das ernüchternde Fazit eines 50-jährigen Supportmitarbeiter aus Rheinland-Pfalz. "Im beruflichen Umfeld wird Alter mehr und mehr zur Belastung, da hier noch kein Umdenken bei den Verantwortlichen stattgefunden hat", so die Einschätzung eines 45-jährigen IT-Managers aus Nordrhein-Westfalen.

Altersakzeptanz in der IT und TK gilt als besonders schlecht

Dass ältere Mitarbeiter vor allem in der IT- und TK-Branche einen schweren Stand haben, zeigt das Zwischenergebnis einer Online-Studie der Beratungsunternehmen Result Counts und Dr. Tenckhoff. Mehr als 200 Führungskräfte und Mitarbeiter haben bislang zum Thema "Altersakzeptanz" (siehe Kasten) Fragen beantwortet. Demnach erreicht die Altersakzeptanz in IT- und TK-Unternehmen einen Wert von 36. "Erst Werte über 60 deuten auf eine ausgeglichene Situation hin, bei 100 kann man von einer vollen Altersintegration sprechen", erklärt Rolf Bastian, Mitautor der Studie.

"Im Vergleich zu allen betrachteten Branchen liegt die IT in der unteren Hälfte, die Telekommunikation nur im unteren Drittel. Mit steigendem Alter schätzen die Teilnehmer die Altersakzeptanz in ihrem Unternehmen geringer ein, dabei urteilen Frauen negativer als Männer. Dieser Trend ist in der ITK noch ausgeprägter als in anderen Branchen", so Bastian weiter.

Unternehmen verdrängen die Realität und setzen auf die Jungen

Viele Unternehmen setzen sich immer noch nicht mit dem demografischen Wandel auseinander und glauben, durch Verjüngung ihrer Belegschaft das Problem lösen zu können. Eine 46-jährige Telco-Managerin schreibt etwa: "Es wird dramatisch, aber alle verdrängen die Realität. Ich mache das auch. Es gibt keine sichtbaren Ansätze, dem entgegenzuwirken." Auch die Commerzbank stellte in einer Untersuchung aus dem Jahr 2009 fest, dass deutsche Unternehmen einseitig auf die Qualifikation der Jungen bauen und Mitarbeiter über 50 kaum fördern.

"Das ist eine gefährliche Illusion", sagt Jürgen Tenckhoff, Mitautor der Studie zur Altersakzeptanz. Er hat die Altersstrukturen in zahlreichen Unternehmen analysiert und kommt zum Schluss, dass sich "selbst bei unrealistisch niedrigen unteren Einstellungsgrenzen und Frühverrentungsprogrammen der steigende Altersdurchschnitt nicht mehr aufhalten lässt. Unternehmen bleibt also gar nichts anderes übrig, als Wege zu finden, um ihre Geschäftsmodelle mit älteren Mitarbeitern umzusetzen."

Viele Teilnehmer der Umfrage haben diesen "demografischen Realismus" schon entwickelt, etwa ein 55-jähriger Telco-Leiter aus NRW: "Ältere werden zu einer nicht mehr zu vernachlässigenden Ressource, da Jüngere nicht beliebig zur Verfügung stehen."

Stereotype negative Altersbilder beeinträchtigen die Motivation

Neben der Gefahr des Fachkräftemangels birgt die geringe Altersakzeptanz weitere betriebswirtschaftliche Risiken, was sich auch in vielen Statements der Umfrage dokumentiert. "Viel Know-how und Erfahrung geht verloren. Das ist Kapitalvernichtung", konstatiert ein 59-jähriger IT-Leiter aus NRW. Dabei sind altersgemischte Teams in innovativen Branchen leistungsfähiger als altershomogene, wie auch eine 43-jährige Telco-Managerin aus Bayern festgestellt hat: "Die Erfahrung zeigt, dass eine ausgewogene Mischung aus männlich/weiblich sowie alt/jung ein Team besonders stark macht."

Stereotype negative Altersbilder und die Ausgrenzung Älterer können zudem die Motivation und Loyalität der Mitarbeiter beeinträchtigen und Konflikte zwischen den Altersgruppen hervorrufen. Ein 49-jähriger ehemaliger IT-Mitarbeiter aus Bayern formuliert es so: "Aus demotivierten ‚ÄöÄlteren` werden zumindest im verursachenden Unternehmen keine motivierten Mitarbeiter mehr."

Dass es mit der Altersakzeptanz im Job nicht zum Besten steht, merken die Mitarbeiter dann, wenn sie selbst zur Kategorie der "Älteren" gehören. Laut der Studie von Bastian und Tenckhoff wird die Altersakzeptanz in jungen Jahren relativ hoch eingeschätzt, danach fällt ihre Bewertung ab – mit einem Minimum zwischen 45 und 51 Lebensjahren – und steigt ab etwa 60 Jahren wieder deutlich an. Hier spiegelt sich eindrucksvoll ein Großteil heutiger beruflicher Lebensläufe.

Arbeitgeber müssen ihre Ziele mit Älteren erreichen

"Um die Altersakzeptanz und -integration im Unternehmen zu verbessern, braucht es viele Ansatzpunkte: eine Änderung des Wertesystems, damit der Unternehmenskultur und -kommunikation, aber auch konkrete Maßnahmen zur Personalentwicklung, Qualifikation und Karriereangebote", sagen Rolf Bastian und Jürgen Tenckhoff.

Dem kann sich eine 54-jährige Telco-Leiterin aus Bayern nur anschließen: "Arbeitgeber müssen noch offener werden für die dauerhafte Planung mit Älteren – das gilt für Einstellungen, Fortbildungen, Beförderungen und die Firmenkultur."(hk/am)

Altersakzeptanz

Sie beschreibt den kulturellen Wert, der unser kommunikatives Handeln generationsübergreifend leitet. Damit können erstmals die "weicheren" Konsequenzen des demografischen Wandels wie zunehmende Karrierehindernisse und stereotype Vorstellungen, aber auch die Wertschätzung älterer Beschäftigter gemessen werden. Altersakzeptanz beeinflusst die Kommunikation in und zwischen den Altersgruppen. Angesichts der künftigen Altersstruktur ist dies eine Schlüsselgröße. Wie die Altersakzeptanz in Deutschland ausgeprägt ist, eruiert seit Sommer 2009 eine auf drei Jahre angelegte Online-Studie der Beratungsunternehmen Dr. Tenckhoff UG in Hennef/Sieg und Result Counts GmbH in Mainz. Noch bis 2012 kann man unter http://survey.tenckhoff.eu teilnehmen.