AEG Hennigsdorf setzt auf Netware 3.11 und Windows for Workgroups Neubeginn auf der gruenen Wiese basiert auf einer PC-LAN-Loesung

06.05.1994

Die AEG ist an ihren alten Standort in Berlin-Hennigsdorf zurueckgekehrt. 1992 uebernahm der Elektroriese den ehemaligen Schienenfahrzeugbetrieb von der Treuhand, der vor der Wende zum LEW Hennigsdorf gehoerte. Der Traditionsstandort soll nun zum Firmensitz fuer den AEG-Geschaeftsbereich Bahnsysteme werden. Ingo Paszkowsky* schildert, wie quasi auf der gruenen Wiese eine PC-LAN- basierte Enterprise-Networking-Architektur entstand und noch weiter ausgebaut wird.

Die Chance des Neubeginns in Sachen DV nutzten die Henningsdorfer AEG-Planer in der Tat recht eindrucksvoll. "Die Bedingungen koennten besser nicht sein. Im Prinzip errichten wir unsere DV- Struktur voellig neu", zeigt sich Netzadministrator Torsten Schaedler erfreut. In Hennigsdorf braucht man kaum auf vorhandene Strukturen Ruecksicht zu nehmen und kann weitgehend ein einheitlich strukturiertes und zukunftssicheres Netz aufbauen. Zukunftssicher heisst fuer die Berliner AEG-Planer, auf modernste Hardware- und Softwaretechnik zu setzen; dies gilt fuer den kommerziellen Bereich mit SAP-Standardsoftware ebenso wie fuer die zahlreichen technisch- wissenschaftlichen Anwendungen, die mit Euclid-, Ruplan-, Ideas- und Interleaf-Systemen gefahren werden.

Neben leistungsfaehigen PCs kommen im Netz auch DEC-Workstations zum Einsatz. Derzeit wird auf dem Firmengelaende in Hennigsdorf mit einer Flaeche von rund einem Quadratkilometer nach Kraeften saniert, renoviert und verkabelt. Alle Gebaeude werden dabei im Hinblick auf kuenftige DV-Anwendungsszenarien strukturiert verkabelt. Ein grosser Vorteil, wie Netzadmi-nistrator Schaedler meint, weil sich die einzelnen PCs und Workstations wahlweise an ein Ethernet- oder Token-Ring-LAN koppeln lassen. Prinzipiell will man sich in Hennigsdorf aber eher auf Token-Ring-Topologien konzentrieren, auch beim Backbone, weil diese Technik laut Schaedler "einfach leistungsfaehiger ist". Allerdings sei, wie der Netzexperte bedauert, die DEC-Welt, die im Schienenfahrzeugbau Hennigsdorf hauptsaechlich in den Bereichen Wissenschaft, Technik, Konstruktion und Entwicklung tonangebend ist, nicht in das Token-Ring-Raster zu zwingen. DEC und Ethernet sind halt, so Schaedler, "miteinander verheiratet".

Anwender, die mit ihrem PC bisher noch nicht "am Netz" waren, erhalten demzufolge generell einen Token-Ring-Anschluss und koennen dann ueber Netware 3.11 ihre Applikationen vom zentralen Fileserver holen. Rund 100 Endgeraete sind bisher im Hennigsdorfer Netz angeschlossen, am Ende der Ausbauphase werden es mehr als 650 sein.

Wie ueberhaupt das PC-Networking in Hennigsdorf ganz gross geschrieben wird. "Als die Anwendungen auf jedem PC einzeln installiert waren, ist der Benutzerservice mit Disketten die Gebaeude abgefahren und fuehrte an jedem PC die Updates aus. Das hat dann meist 14 Tage gedauert", blickt Schaedler zurueck. Heute und in Zukunft ist dies fuer die Berliner AEG-DV-Crew kein Thema mehr, da Programme, Formbriefe und Faxvorlagen zentral eingespielt werden koennen.

PC-Applikationen fast ausschliesslich von Microsoft

In Sachen PC-Anwendungsprogramme setzt man in Hennigsdorf fast ausschliesslich auf Microsoft (unter anderem Winword, Excel, Access, Mail, Scheduler und Foxpro). Wer andererseits einen Zugang zu den betriebswirtschaftlichen SAP-Applikationen auf dem IBM-Host der Debis in Berlin-Marienfelde braucht, kann via SNA-Gateway problemlos darauf zugreifen. Darueber hinaus steht den entsprechend autorisierten PCs auch die DEC-Welt offen - via Digitals Pathworks beziehungsweise Vitalink-Bridges.

Innerhalb der einzelnen Gebaeude auf dem AEG-Gelaende sind die Arbeitsgruppen ueber Microsofts Windows for Workgroups vernetzt. Abhaengig von der jeweiligen Anwendung kann alternativ dazu auf Netware oder Windows for Workgroups zurueckgegriffen werden. "Mit Windows for Workgroups kann man deutlich besser die Ressourcen aufteilen", lautet Schaedlers Bekenntnis zum Workgroup-Computing. Hat der jeweilige Mitarbeiter seine eigenen Ressourcen zur Nutzung freigegeben, haben auch andere Kollegen darauf Zugriff. Anders als im Novell-Netz benoetigt man dazu auch keine eigenen Server, etwa beim Drucker-Sharing. Weitere Vorteile der Microsoft-Loesung sind die E-Mail-Funktionen sowie der elektronische Terminkalender.

Ueber ein unternehmens- oder gar konzernweites E-Mail-System wird in Hennigsdorf noch nachgedacht. Urspruenglich hat AEG eine Grundsatzentscheidung zugunsten von CC:mail von Lotus getroffen. Damit sind allerdings die DV-Planer am neuen (alten) AEG-Standort nicht ganz einverstanden. Ihnen wuerde aufgrund besserer Homogenitaet und Kompatibilitaet zu den meisten PC-Applikationen MS Mail eher ins Konzept passen. Nicht umsonst habe man sich, so Schaedler, bereits fuer drei wichtige Saeulen entschieden: fuer Microsoft, Novell und eine entsprechende Hardware-Plattform. "Wenn man sich bei einer strategisch wichtigen Funktion wie E-Mail noch einen vierten Hersteller ins Boot holt, sitzt man unweigerlich bei auftretenden Fehlern zwischen den Stuehlen", begruendet Schaedler die ablehnende Haltung.

Standardisierung ja - aber nicht um jeden Preis

"Standardisieren, so weit es geht, sowohl was die Produkte als auch die Connectivity-Software betrifft", ist indes das Credo von Jens Mueller, Geschaeftsfuehrer des Berliner Systemhauses Caplan, das die Konzeption, Strukturierung und Segmentierung des Hennigsdorfer AEG-Netzes federfuehrend gestaltete. Man koenne, so Mueller, endlos darueber philosophieren, was es "morgen alles an relevanten Techniken geben wird". Sein Haus handele jedoch nach dem Motto: "Lieber heute eine 80-Prozent-Loesung zu 100 Prozent realisieren, als ewig auf das Neue zu warten." Nichtsdestotrotz muesse, wie Mueller einraeumt, auch zukunftssicher investiert werden.

Der Berliner Netzexperte nennt als Beispiel die bei dem Projekt verwendeten RX-9000-Router von Retix, die in Kombination mit Cabletron-Hubs die Verbindung von den einzelnen Subnetzen zum Lichtwellenleiter-Backbone gewaehrleisten. Dieses ist im uebrigen das Rueckgrat des gesamten Hennigsdorfer DV-Netzes, basierend auf einer 16-Mbit/s-Token-Ring-Struktur. "Wir setzen eine Retix- Variante mit fuenf Einschueben ein", ergaenzt Torsten Schaedler, "damit koennen wir im Prinzip durch blossen Kartenaustausch mit einem Schlag auf FDDI umstellen" - eine Alternative, die die Hennigsdorfer zumindest fuer den Backbone-Bereich ernsthaft in Erwaegung ziehen.