Lizenzvertrag durch amerikanischen Softwarepartner gekündigt:

ADV/Orga von Cullinet-Entwicklung abgeschnitten

21.03.1986

WILHELMSHAVEN (CW) - Knalleffekt um die Wilhelmshavener ADV/Orga F. A. Meyer AG und ihren amerikanischen Lizenzgeber Cullinet Software Inc.: Ab 1. Mai 1987 trennen sich die Wege der beiden langjährigen Kooperationspartner endgültig. Der US-Anbieter wird dann die Vermarktung und den Service für seine Produkte in eigene Regie übernehmen.

Beide Unternehmen haben sich darauf geeinigt, ihre Zusammenarbeit auf eine, so Vorstandsvorsitzender Friedrich Meyer gegenüber der COMPUTERWOCHE, "freundschaftliche" Art und Weise zu beenden. Während der Übergangszeit bis zum Inkrafttreten der neuen Regelung werde die Cullinet-Niederlassung in den Räumlichkeiten des deutschen Softwarehauses angesiedelt sein. Außerdem hätten die auf Cullinet-Produkte spezialisierten ADV/Orga-Mitarbeiter die freie Wahlmöglichkeit, zu den Amerikanern überzuwechseln oder in ihrem bisherigen Arbeitsverhältnis zu verbleiben.

ADV/Orga besitzt die Cullinet-Vertriebslizenz bereits seit 1975. Bei Abschluß des Lizenzvertrages und anschließend bis zum Jahre 1983 waren die beiden Unternehmen nach Aussage von Meyer in sich ergänzenden und nicht konkurrierenden Geschäftsfeldern tätig: Cullinet als Hersteller von Systemsoftware, ADV/Orga als Anbieter und Entwickler von Anwendungsprogrammen. Da die Amerikaner seit 1983 auch zusätzlich Applikationssoftware entwickeln, halten es die beiden Unternehmen offizieller Lesart zufolge für besser, künftig unabhängig voneinander Entwicklung und Vertrieb der eigenen Produkte durchzuführen.

Die durch Ablösung der Cullinet-Produkte entstehenden Umsatzeinbußen wollen die Wilhelmshavener durch neue Leistungen im Bereich der Anwendungssoftware ausgleichen. Dazu Friedrich Meyer: "Die Hauptgeschäftsfelder der ADV/Orga sind lnformationstechnik und Anwendungssoftware. In diesen Bereichen wollen wir frei über die Entwicklung neuer Leistungen und Produkte entscheiden. Deshalb können wir in diesen Geschäftsfeldern keine Abhängigkeit von Lizenzgebern riskieren. "

Fehlende Einnahmen, die durch neue Produkte und Strategien aufgefangen werden müßten, sowie die Fluktuationsrate bei den Mitarbeitern sind nach offizieller Stellungnahme von ADV/Orga nicht dramatisch. Das Geschäftsvolumen mit Cullinet-Produkten betrage gegenwärtig etwa 25 vom Hundert; im Mitarbeiterbereich sei mit einer Abwanderung von etwa 10 Prozent zu rechnen. Brancheninsider sehen die Situation indes weniger rosarot: Die

Cullinet-Programme machen, so verlautet aus gewöhnlich gut informierten Quellen, bis zu 60 Prozent des Produktumsatzes bei den Wilhelmshavenern aus. Daß die entstehende Lücke - auch im Personalbereich - ohne größere Einbußen durch neue Produkte zu füllen sei, wird allerdings in Softwarekreisen bezweifelt.

Wechsel im US-Management

Veränderungen personeller Art meldet auch die amerikanische Cullinet Software Inc. Nach einer finanziellen Durststrecke von neun Monaten legte Präsident Robert N. Goldman sein Amt nieder. Er reagierte damit auf die Tatsache, daß ihm Firmenboß John Cullinane den 51jährigen David Chapman vor die Nase gesetzt hatte. Der neue Top-Manager kann als Stationen seiner professionellen Karriere leitende Positionen bei Data General und IBM aufweisen. Jetzt soll er den Umsatz und die Motivation der Mitarbeiter bei Cullinet ankurbeln.

Als Begründung für seinen Abschied führt Goldman die Entscheidung Cullinanes an, eine hierarchische Ebene zwischen sich selbst und seinem Präsidenten einzuführen: "Bisher war ich John Cullinane unterstellt, und alle anderen Mitarbeiter berichteten an mich", kommentiert der 36jährige, "als Chapman auftauchte, war mir sofort klar, daß mein Verantwortungsbereich eingeschränkt würde.