Adidas und seine ASP-Erfahrungen

24.07.2001
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die US-Niederlassung von Adidas ist nach wie vor in der Welt des Web-Verkaufs vertreten. Das ist nichts Selbstverständliches, denn völlig entnervt vom plötzlichen Ende des beauftragten Application-Service-Providers (ASP) stand der Sportartikelhersteller kurz davor, den Web-Auftritt einzustellen.

Im August letzten Jahres kam das Aus. Pandesic, ein Joint Venture von SAP und Intel, stellte seine Dienste als ASP ein. Zu wenig Kunden (etwa 100) und Umsatz (etwa sieben Millionen Dollar) bei zu hohen Verlusten (mehr als 40 Millionen Dollar) führten dazu, dass die Muttergesellschaften ihren gemeinsamen Ausflug ins ASP-Geschäft abrupt beendeten. Auf der Strecke blieben Anwender wie die US-Niederlassung von Adidas oder die Kosmetik-Website Beautyjungle, die Pandesic pro Jahr zwischen 500000 und zwei Millionen Dollar für den Betrieb des Web-Shops überwiesen.

Für Adidas stellte dies eine Zäsur dar, die fast zum Ausstieg des Unternehmens aus dem Web-Verkauf geführt hätte. Unter Hochdruck suchten die Verantwortlichen nach einem Anbieter, der in kurzer Zeit den Betrieb und zugleich noch die unternehmenseigenen Einstellungen in der ERP-Anwendung für die Lagerhaltung und die Verkaufsprozesse übernehmen konnte. Keine leichte Aufgabe, immerhin waren rund 25 Produktlinien mit mehr als 25000 Posten betroffen.

Die Rettung kam mit dem Anbieter Cutsey Business Systems Ltd. in North Bay, Ontario. Dessen Produkt "FDM4" ist eine Lieferapplikation, die die Adidas-Anforderungen hinsichtlich Design, Farbe und Größe des Web-Auftritts und der dahinter liegenden Prozesse erfüllen konnte. Im Januar 2001 wurde die Web-Seite schließlich ins Netz gestellt.

Die Erfahrungen des Sportartikelherstellers werden vermutlich exemplarisch für die ASP-Branche werden. Die anhaltende Börsenschwäche wird noch manche Opfer unter den Hightech-Werten und insbesondere unter den ASP-Startups fordern.

Einig sind sich die Marktforscher, dass das Umsatzvolumen des ASP-Markts in den kommenden Jahren wachsen wird. Ebenso übereinstimmend prognostizieren sie, dass sich das Geschäft immer weniger Anbieter teilen werden. "Nur die führenden ASPs werden wachsen", meint etwa ARM-Marktforscher David Boulanger.
Im Jahr 2004 schätzt er das weltweite Marktvolumen auf 25 Milliarden Dollar, doch nur 60 Prozent der heutigen Anbieter wird es dann noch geben. Andere Marktbeobachter wie etwa die Aberdeen Group taxieren die Ausfallquote unter den ASPs auf 80 Prozent.

Damit ist absehbar, dass noch viele Anwenderunternehmen den Prozess durchlaufen, den Adidas schon hinter sich gebracht hat. Selbst ein intensiver Auswahlprozess schützt vor bösen Erfahrungen nicht, denn das Beispiel Pandesic zeigt, dass auch Gesellschaften mit finanzstarken Muttergesellschaften im Rücken scheitern können.

Sinnvoll erscheint es etwa der Aberdeen Group, schon bei Vertragsabschluss einen Notfallplan auszuarbeiten, um möglicherweise Daten einem anderen Anbieter zu übergeben oder ins eigene Haus zurückzuholen. Ein Allheilmittel ist aber auch dieser Expertenrat nicht, denn mit den Daten allein ist kein Web-basiertes Geschäft zu betreiben.

Vor der Herausforderung, ganze Prozesse von einem Anbieter zum anderen zu verlagern, stand auch der Betreiber der Web-Seite Ehobbies.com. Das gleichnamige kalifornische Unternehmen wurde wie Adidas zum Pandesic-Opfer und versuchte im eigenen Haus, die hinter dem Web-Auftritt und -Verkauf liegenden Prozesse nachzubilden. "Es war, wie bei einem mit 100 Meilen pro Stunden fahrenden Auto den Motor zu wechseln", berichtet Brent Cohen, COO bei Ehobbies.com. Trotz vieler Schwierigkeiten konnten die Verantwortlichen die Situation schließlich meistern. Die Pandesic-Pleite sei eine "Erschütterung gewesen", so Cohen, "mittlerweile läuft das Geschäft aber wieder rund".