Digitalisierung

Adept or die!

03.10.2014
Von Eric Schreyer
Überleben einzig diejenigen, die das Digitale gewinnbringend ausschöpfen? Eric Schreyer über digitalen Darwinismus - und eine starke Erschütterung der Macht.

277,5 Milliarden Euro bringen die Aktien von Google auf die Waage. Die drei Flaggschiffe der deutschen Industrie - Siemens, Bayer und VW - können dieses Schwergewicht mit ihren 250 Milliarden Euro nicht aufwiegen.

Foto: Kobes - Fotolia.com

Digitales Wirtschaften sorgt für pralle Aktiendepots: Apple, Google, Facebook und Amazon haben eine Marktkapitalisierung von rund 1 Billion Euro - genauso viel wie alle DAX-30-Werte zusammen. Eine Studie des Beratungshauses OC & C bringt es auf den Punkt: "Deutschland mag die exportstärkste Nation der Welt sein, doch mit Sicherheit nicht online".

Es gibt also noch viel zu tun jenseits des Kerngeschäfts. Wer als Finanzvorstand ständig auf den Aktienkurs schielt, muss im Einklang mit der langfristigen Strategie seines Unternehmens einen Weg finden, um das enorme Potenzial digitaler Aktivitäten gewinnbringend auszuschöpfen.

Digitaler Darwinismus

Die Kunst besteht darin, im eigenen Produkt- und Leistungsprogramm Innovationspotenziale zu heben und in marktfähige Geschäftsmodelle umzusetzen. Wer das nicht kann, hat immer noch die Möglichkeit, woanders nach geeigneten Beteiligungskandidaten zu suchen. Der Monitoring Report Digitale Wirtschaft 2013 bescheinigt der Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche (IKT) nicht nur eine überdurchschnittliche Gründungsrate von 8,5 Prozent des Unternehmensbestands, sondern auch eine hohe Innovationskraft: Im Jahr 2013 plante die IKT-Branche insgesamt 14,9 Milliarden Euro für Innovationen ein. Eine digitale Vernetzung vorhandener Infrastrukturen, die Nutzung innovativer Technologien und Anwendungen sowie vor allem eine stärkere Kundenorientierung können erhebliche Wachstumsimpulse geben.

"In der Industrie 4.0 wachsen reale und virtuelle Welt immer weiter zu einem Internet der Dinge zusammen", meint das Fraunhofer Institut. 3D-Drucker oder Augmented Reality hätten das Potenzial, unsere Arbeits- und Lebensumwelt gravierend zu verändern. Die Herausforderungen, die mit den sozialen Netzwerken, der Mobilität des Internetzugriffs sowie mit Big Data und Cloud Computing auf die Unternehmen zukommen, dürfen nicht unterschätzt werden.

Strategie- und Marketing-Experten, wie Ralf Kreutzer und Karl-Heinz Land, erkennen einen stillen Angriff auf Geschäftsmodelle und Marken. Sie sprechen bereits vom "digitalen Darwinismus", den es zu überleben gilt. Aussitzen funktioniert nicht, das Motto lautet: Adapt or die!

"Starke Erschütterung der Macht"

Sowohl Kunden als auch Mitarbeiter und Lieferanten binden sich zunehmend in soziale Netzwerke ein und prägen dadurch nicht nur neue Identitäten, sie nutzen auch moderne Formen der Teilhabe und erhöhen dadurch auf vielen verschiedenen Ebenen ihr Engagement. Diese in den sozialen Medien versammelte kollektive Intelligenz bietet Führungskräften die Chance, in einer komplexer werdenden Welt bessere Entscheidungen zu treffen. Einsame Entscheidungen mächtiger Hierarchen sind out. "Ich spüre eine starke Erschütterung der Macht", sagt Prof. Peter Kruse, um die Dynamik aktueller Veränderungen zu verdeutlichen (Ein bisschen mehr Bescheidenheit).

Technologie, Vernetzung und Kooperation sind in, Bereichsdenken ist out. Das Digitale schafft neue Arbeitswelten. Experten zufolge wird dieser schleichende Wandel tiefgreifender sein als alle bisherigen Veränderungsprozesse. Der Trendforscher Matthias Horx erwartet, dass auf lange Sicht nicht die hierarchisch aufgebauten Unternehmen erfolgreich sein werden, sondern Organisationseinheiten, die wie moderierte Netzwerke funktionieren und in denen kommunikative Mitarbeiter kreuz und quer durch das Unternehmen wandern, um miteinander zu kooperieren.