Adenauers Grossneffe startet ohne Beruehrungsaengste

04.02.1994

Rund 70000 Mitarbeiter beschaeftigte das ehemalige Kombinat Robotron zu DDR-Zeiten in etwa zwanzig volkseigenen Betrieben. Im Jahre fuenf nach der Wende ist der ostdeutsche DV-Moloch nur noch Erinnerung. Die heute unter dem alten Namen firmierenden Unternehmen kann man an einer Hand abzaehlen. Zu ihnen gehoert die Robotron Projekt Dresden GmbH (RPD). Das heute noch 40koepfige RPD- Team will der frueheren Softwareschmiede ein neues Image verpassen.

Geschmiedet wurde im wahrsten Sinne des Wortes, erinnert sich Eberhard Kalex, technischer Leiter der neuen Robotron Projekt Dresden GmbH und seit 1964 im Unternehmen. Als "weisser Elefant", wie er seine Stellung in der Firma charakterisiert - "frueher auf unterer Ebene, heute in der Geschaeftsleitung" - kennt er die Geschichte und Geschichtchen um den DV-Riesen aus dem Effeff. So sei das grosse Geld nicht durch die Exporte ins nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet in die Robotron-Kassen geflossen.

Riesengewinne habe die Firma dagegen mit der Adaption von westlicher Fremdsoftware gemacht: Dbase wurde zu Redabas, MS-DOS zu DCP, und aus OS (OS/VS1, VS2) wurde OC/EC. Adaptiert wurde mit relativ geringem Aufwand, aber vertrieben auf eigene Rechnung. "Wie die Weltmeister" habe man im Unternehmen Disketten doppeln muessen, um die heimische Hardware mit Betriebssystemen und Programmen auszustatten.

Unterstuetzt wurde die Monopolstellung des ostdeutschen Rechnerriesen aussenwirtschaftlich noch durch die Cocom-Liste. Das Lieferverbot westlicher High-Tech in den Ostblock zwang die Kunden, bei Hardware-Einkaeufen auch gleich die Programmsysteme des RPD mitzuordern. Etwa tausend Mitarbeiter beschaeftigte das 1984 gegruendete saechsische Systemhaus. Bei der Elitetruppe funktionierte es "am besten von allen Robotron-Betrieben", behauptet der gelernte Physiker Kalex. Die Geschaefte "gingen glaenzend".

Zu Wendezeiten kriselte es jedoch auch beim bis dato vom Erfolg verwoehnten Softwarebauer. Die viel zu teure Hardwareproduktion des Kombinats wurde eingestellt. Damit hatten die speziell dafuer angepassten Programme nur noch Nullwert. Der Run auf die westlichen modernen DV-Geraete ging los. RPD brauchte einen neuen Lebensnerv, wollte es nicht sang- und klanglos untergehen.

Schaut man heute in die damals schnell zu Papier gebrachten Vorschlaege, Konzepte, Vereinbarungen etc., wird das grosse Tohuwabohu der damaligen Zeit deutlich. Eine ploetzliche, vorher nie gekannte "Unsicherheit und der Zeitdruck", unter der die Marktwirtschaft im Osten realisiert werden musste, haetten dem Neuanfang den "Stempel aufgedrueckt", resuemiert Kalex.

Die Aufteilung des Softwerkers in kleinere Gesellschaften musste im Eiltempo ueber die Buehne gehen. Selbstaendige Geschaeftsbereiche wurden gegruendet: Groesste Firma wurde die Software- und Systemhaus Dresden GmbH SRS mit heute 300 Mitarbeitern (siehe CW Nr. 32 vom 6. August 1993, Seite 40). Die Robo- tron Datenbanksoftware GmbH (RDS) beschaeftigt derzeit etwa 37 Leute. Mit heute noch 17 Personen agiert die Data-Print Robotron System GmbH im Markt. Das Saechsische Druck und Verlagshaus hat etwa 130 Mitarbeiter unter Vertrag.

Im April letzten Jahres wurde ein weiterer Bereich aus dem Altunternehmen privatisiert: Die heute vierzig Personen zaehlende neue RPD ist der Rest von rund 400 Beschaeftigten, die man, so Kalex, 1990 "nicht mehr unterbringen konnte". Zu ihnen zaehlen auch acht DV-Spezialisten, die sich zuvor fuer die SRS entschieden hatten, sich dann jedoch von der Firma trennten, um auf eigenen Fuessen - aber als RPD - weiter ihren Weg zu gehen. Gemunkelt wird jedoch, dass diesen Leuten die "alte Geschaeftsfuehrung nicht mehr gepasst" habe.

Pendler zwischen den USA und den neuen Laendern

An der Spitze des Unternehmens steht heute Peter Adenauer. Der Grossneffe des "Alten", der seit Jahren in den USA lebt und dort eine eigene Softwarefirma leitet, hat sich mit "Tu, was du kannst, mit dem, was du hast, dort, wo du bist" die Lebensmaxime Theodor Roosevelts zu eigen gemacht. Nach einem Rundgang bei den RPDlern - "je laenger ich da war, um so besser sah es aus"-, zoegerte er nicht lange und machte den Kauf perfekt. Der Wahltexaner hat keine leichte Aufgabe uebernommen. Seine Arbeitszeit kennt keinen Achtstundentag. Er pendelt jaehrlich mehrmals ueber den grossen Teich hin und her, um seine beiden Unternehmen im Griff zu behalten. Dabei ist ihm um die Ostdeutschen nicht bange. Mit seinem "ersten Mann" in Dresden und Prokuristen Kalex spreche er taeglich per Kabel und klaere anstehende Probleme.

Fuer das Dresdner Softwarehaus will Adenauer seine Erfahrungen aus dem amerikanischen Markt nutzen. Schliesslich bestimme man dort immer noch, "was in der Branche gespielt wird". Mit kompletten DV- Systemen - unter anderem mit der "individuellen Gestaltung von Connectivity-Loesungen", von der Planung bis hin zur Realisierung beim Anwender - will der Ost-Newcomer an die Kunden heran. Zwar seien diese DV-Pakete derzeit noch etwas teuer, doch "morgen hat man damit als Anbieter den Hut auf", ist der Investor ueberzeugt. Nur mit "einem Kilo Blech auf dem Tisch" sei heute kein Nutzer mehr zu begeistern.

Dem RPD-Chef geht es um die vielen Inselloesungen in den deutschen Unternehmen. Diese sollten endlich zusammengefasst werden, um miteinander zu kommunizieren. Adenauer schaut auch in Richtung GUS. Die Dresdner haben seit vielen Jahren geschaeftliche Beziehungen in die ehemalige Sowjetunion. Nach erzwungener Wendepause wollen sie wieder "da anknuepfen, wo wir frueher gute Sachen gemacht haben". Und so fliegt der amerikanische Deutsche mit seiner saechsischen Crew oefter in die russischen Weiten, um "Projekte anzuschieben" wie etwa in der Erdoelbranche und bei den Banken.

Schlecht hat es die Robotron-Projekt Dresden, die sich kuenftig als strategischer DV-Partner und Systemintegrator sehen will, nicht getroffen. Mit einem Nachfahren des ersten deutschen Bundeskanzlers als Geschaeftsfuehrer seien vielleicht verschlossene Tueren zu oeffnen, hoffen die Mitarbeiter.

Noch sind die Querelen mit der Treuhand nicht vom Tisch. Denn die Sachsen tragen ihren Firmennamen zu Unrecht: Laut Handelsregister sind sie naemlich ein Duesseldorfer Unternehmen gleichen Namens.

Dieses Manoever sahen die Treuhaender in Berlin als notwendig an, um den Verkauf des Kombinatablegers inklusive Firmennamen zu ermoeglichen. Beim Amtsgericht Dresden steht derzeit noch die alte RPD im Register - ein Fakt, der sich nachteilig auf die Geschaefte des neuen Softwarehauses auswirke, kritisiert Kalex. Wer mache schon Vertraege mit einem Konkursunternehmen.

In einem Brief an die Treuhandchefin Birgit Breuel haben die Dresdner jetzt ihrem Aerger Luft gemacht. Sie wollen "wieder als saechsisches Unternehmen" ihren Namen tragen. Und so schwer koenne es doch nicht sein, einmal gemachte Zusagen einzuhalten, wundern sie sich. Zumal diese aus treuen Haenden gekommen seien.