Handelsabkommen

ACTA bringt die Netzgemeinde auf die Barrikaden

07.02.2012
Netzgemeinde gegen Regierungen: Um das internationale Handelsabkommen ACTA ist ein heftiger Konflikt entbrannt.

In Deutschland war es lange ruhig um das Anti-counterfeiting Trade Agreement (Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen), das im Januar von der EU unterzeichnet wurde. Jetzt aber mobilisieren die Gegner für Samstag zu Demonstrationen. Sie sehen in ACTA eine Gefahr für die Freiheit im Internet. Die Befürworter halten ACTA für wichtig, um Verstöße gegen Urheberrechtsverletzungen einzudämmen.

So behandelt Abschnitt 5 des Vertragswerks die "Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums in der digitalen Umwelt". Jeder Unterzeichnerstaat habe in seinem eigenen Rechtsbereich für eine wirksame Strafverfolgung und Abschreckung zu sorgen. Internet-Provider sollen Daten wie die IP-Adresse herausrücken, die bei Verstößen eine Identifizierung von Personen ermöglichen. Inhaber von Urheberrechten können dann ihre Ansprüche juristisch durchsetzen. Ferner sollen Maßnahmen gegen die Umgehung von Kopierschutztechniken ergriffen werden.

Zu den 37 Staaten, die das Abkommen vereinbart haben, zählen unter anderem die 27 EU-Mitglieder, die Schweiz, die USA und Japan. Deutschland hatte ACTA bis Dienstag aus formalen Gründen noch nicht unterzeichnet - was aber nach Informationen aus dem Auswärtigen Amt in Kürze nachgeholt werden soll. In Polen und Tschechien wurde hingegen die Ratifizierung des Vertrags nach heftigen Protesten vorerst ausgesetzt. "Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass die bürgerlichen Freiheiten und der freie Zugang zu Informationen in irgendeiner Weise bedroht sind", erklärte am Montag der tschechische Ministerpräsident Petr Necas.

Solche Bedenken werden in der Bundesregierung nicht geteilt. Aus dem Abkommen lasse sich keine Aufforderung zur Veränderung der geltenden Rechtslage ableiten, in welche Richtung auch immer, betont Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).

Der auf IT-Recht spezialisierte Fachanwalt Thomas Stadler in Freising stimmt zu: "Wenn man sich den ACTA-Text anschaut, dann findet man dort fast nichts, was nicht in Deutschland ohnehin schon geltendes Recht wäre." Die aktuelle Diskussion werde vielfach unsachlich geführt. Dabei gebe es gute Gründe, gegen ACTA zu sein. So werde mit ACTA "eine urheberrechtliche Richtungsentscheidung" zementiert, "die einseitig die Rechteinhaber begünstigt und wenig Rücksicht auf das Gemeinwohl nimmt". Nötig sei ein fairer Ausgleich der Interessen.

Auch die Internet-Enquete-Kommission des Bundestages betont in einem Zwischenbericht, "dass das Urheberrecht an vielen Stellen durchaus einer systematischen Anpassung bedarf, um in der digitalen Gesellschaft einen angemessenen Ordnungsrahmen für immaterielle Güter zu erhalten". Neben den berechtigten Ansprüchen der Urheber sei auch "das allgemeine Interesse an der Förderung von Kreativität, Innovation und Erkenntnisfortschritt zu berücksichtigen". Weil die Interessen von Verlags-, Film- und Musikbranche auf der einen Seite und den Internet-Nutzern auf der anderen Seite weit auseinanderklaffen, scheint aber eine Reform des Urheberrechts, die beiden Seiten gerecht werden könnte, in weiter Ferne.

"Zu einem wirksamen Schutz von geistigem Eigentum gehört auch, dass man das Recht durchsetzen kann", sagt die Referatsleiterin für gewerblichen Rechtsschutz beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Doris Möller und fügt hinzu: "Sonst ist es nichts wert." Bei ACTA gehe es auch um den Schutz von gewerblichen Patenten: "Innovationen fördert man, indem Dinge erforscht werden und patentierbare Ergebnisse entstehen. Wenn die dann nicht geschützt werden, haben wir ein Problem."

ACTA - was ist das eigentlich?

Das Anti-counterfeiting Trade Agreement (ACTA) ist ein internationaler Handelspakt mit dem Ziel, Urheberrechte auch international durchzusetzen. Das Abkommen ergänzt das TRIPS-Abkommen von 1994 im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO). Der ACTA-Vertrag geht auf eine Initiative der USA und Japans im Jahr 2006 zurück.

Die Verhandlungen von 2008 bis 2010 standen nach Informationen aus unterrichteten Kreisen unter dem Druck von Interessengruppen insbesondere der Film- und Musikindustrie in den USA. Das fertige Vertragswerk wurde bis Januar von der EU und zehn weiteren Staaten unterzeichnet. Allerdings haben noch nicht alle 27 Mitglieder der EU auch als Nationalstaaten das Abkommen signiert. Aus formalen Gründen steht auch noch die Unterschrift von Deutschland aus. Das Abkommen muss noch vom Europaparlament gebilligt und von den Parlamenten der Einzelstaaten ratifiziert werden.

ACTA-Gegner wie die Grünen spüren in dem Vertrag hingegen "die Luft von Repression und nicht von neuen, alternativen Wegen", wie es in einem Beschluss des Bundesvorstands vom Montag heißt - mit der Überschrift: "ACTA zu Fall bringen!" Beflügelt werden die Gegner von der Protestbewegung in den USA, der es im Januar gelang, die dortigen Urheberrechtsinitiativen SOPA und PIPA vorerst auf Eis zu legen.

Netzaktivist Markus Beckedahl, Vorsitzender des Vereins Digitale Gesellschaft und Mitglied der Internet-Enquete des Bundestags, sieht ein Problem in den allgemein und vage gehaltenen Formulierungen des ACTA-Textes. "Wenn es dann zu unterschiedlichen Interpretationen kommt, ist die Frage: Geht das Pendel in Richtung Meinungsfreiheit oder in Richtung Schutz von geistigen Monopolrechten?"

So will Beckedahl am Samstag in Berlin auf die Straße gehen, wenn europaweit zu Protestaktionen gegen ACTA aufgerufen wird. Allein in Deutschland sind Demonstrationen in 54 Städten geplant - von Aachen über Chemnitz, Minden und Rostock bis Würzburg. Zu den Organisatoren zählt auch die Piratenpartei, deren Vorsitzender Sebastian Nerz kritisiert: "ACTA ist ein weiterer Schritt in die falsche Richtung. Das Abkommen hält an Vorstellungen eines nicht mehr zeitgemäßen Urheberrechts fest." (dpa/tc)