Acer will das Image von Taiwan-Produkten aufpolieren "Mit Rotchina liegt ein riesiger Inlandsmarkt vor der Haustuere"

05.08.1994

TAIPEH (kk) - Acers Firmenchef Stan Shih meinte kuerzlich, dass das Image einer bankrotten US-Firma immer noch besser sei als das eines Taiwan-Unternehmens. Der Vordenker der taiwanischen DV- Branche will das aendern und beispielsweise Acers flexible Client- Server-Organisation zum Modell fuer die Harvard-Business-School machen. Mit Stan Shih sprach CW-Redakteurin Kriemhilde Klippstaetter.

CW: Welche Rolle fuer die DV wird der suedostasiatische Wirtschaftsraum kuenftig spielen?

Shih: Der Einsatz von Computern wird sich noch mehr ausweiten, und wir in Asien werden weiter die fuehrende Rolle als Hardwarelieferanten spielen. Die Wachstumszahlen der vergangenen fuenf Jahre lagen immer drei- bis viermal hoeher als in den USA. Wir gehen davon aus, dass sich bis zum Jahr 2000 die Zuwaechse im hohen einstelligen Bereich bewegen. Das Durchschnittseinkommen duerfte sich dem in den USA angleichen.

CW: Und danach?

Shih: Das 21. Jahrhundert stellt uns vor die grosse Herausforderung, unsere Infrastruktur weiter zu verbessern. Wir treffen dann auf einen grossen chinesischen Inlandsmarkt.

CW: Werden nicht andere Laender, beispielsweise aus Afrika, billiger produzieren als die Staaten Asiens?

Shih: Ja, aber dank des dann sehr grossen Inlandsmarktes fuerchten wir diese Konkurrenz nicht. Taiwans Problem ist momentan die starke Exportabhaengigkeit. Wenn sich Rotchina wirtschaftlich oeffnet, liegt ein riesiger Markt vor unserer Haustuere.

CW: Wo sehen Sie derzeit noch Defizite fuer das Geschaeft mit den Festlandchinesen?

Shih: Das Problem in China ist die Infrastruktur; nicht nur die Transportwege, sondern auch die Art, wie man Geschaefte macht. Das dauert vielleicht noch acht bis zehn Jahre, danach herrscht dort ein gutes oekonomisches Klima.

CW: Acer baut derzeit im chinesischen Suzhou eine Fabrik fuer Monitore. Auf welche Schwierigkeiten stiessen Sie?

Shih: Wir hatten nur begrenzte Moeglichkeiten zur Investition.

CW: Benoetigen Sie gute persoenliche Beziehungen zu den Fuehrungskraeften in China?

Shih: Ich habe noch einen Schulfreund dort, meine Reputation in Taiwan hilft auch. Insgesamt gibt es aber sehr viele Moeglichkeiten fuer Geschaeftsbeziehungen mit China. Kooperation, Wettbewerb und der freie Handel sind der beste Weg zum wirtschaftlichen Wachstum.

CW: Welches sind die Staerken von Taiwan?

Shih: Insbesondere die niedrigen Kosten. Ich bin wahrscheinlich der billigste CEO, meine Ingenieure sind die kosteneffektivsten der Welt - und das seit zehn Jahren. Das mag sich im Jahr 2000 geaendert haben, aber derzeit sind die niedrigen Kosten unser Hauptvorteil.

CW: Mir faellt auf, dass sich die Leute in Taiwan sehr an den USA orientieren. Ist das gut?

Shih: Ja, Innovationen werden gefoerdert, die individuelle Belohnung mit Incentives ist wichtig. Das Problem ist die Teamarbeit.

CW: Sie meinen, die Chinesen sind von der Mentalitaet her eher Individualisten als beispielsweise Japaner oder Koreaner?

Shih: Sogar als die Amerikaner.

CW: Wie gehen Sie bei Acer damit um?

Shih: Wir setzen auf eine dezentrale Organisation. Die Manager koennen entscheiden, das ist wichtig fuer Chinesen, und sie sind am Aktienkapital beteiligt. Ich versuche, zweigleisig zu fahren: Einmal ermuntere ich die Fuehrungskraefte, eigene Entscheidungen zu treffen, andererseits foerdere ich die Teamarbeit. Eine Firma sollte nicht mehr als 500 bis 1000 Mitarbeiter umfassen. Individualitaet liegt im Naturell der Chinesen, deshalb organisieren wir kleine Einheiten.

CW: Sie bezeichnen ihren Organisationstyp als flexibles Client- Server-System. Was hat man darunter zu verstehen?

Shih: Wir bilden ein Netzwerk aus verschiedenen unabhaengigen Firmen, die ein Marktsegment bedienen, also beispielsweise CPUs, Motherboards oder Komponenten herstellen. Die Aufteilung erfolgt lokal oder nach Produkten. Jede Firma der Gruppe ist fuer ihre Wertschoepfung selbst verantwortlich, Hierarchie schafft keinen Wert.

CW: Gilt die Strategie nur fuer Acer-Toechter, oder denken Sie auch an kleine unabhaengige Unternehmen oder Distributoren?

Shih: Wir laden jeden ein, sich in das Acer-Netzwerk einzuklinken und dort sein Geschaeft weiterzufuehren, wenn die Ideen uebereinstimmen und die gleiche Philosophie vertreten wird.

CW: Sie investieren in diese Unternehmen?

Shih: Wenn wir uns an einer Firma beteiligen, die nichts mit unserem Kerngeschaeft zu tun hat, reicht eine Beteiligung von 19 Prozent aus, das waere dann eine Verlobung. In fuer uns wichtigen Segmenten kann der Acer-Anteil zwischen 35 und 49 Prozent liegen, das wuerde ich als Hochzeit bezeichnen. Und dann gibt es noch die Moeglichkeit zu Joint-ventures, wie wir es bereits mit Texas Instruments praktizieren.

CW: Kontrollieren Sie auch?

Shih: Unsere Philosophie basiert auf Risikoteilung, wir wollen nicht kontrollieren.

CW: Wie unabhaengig sind die einzelnen Firmen der Acer-Gruppe?

Shih: Vollstaendig. Das Headquarter ist nur zustaendig fuer die Marke Acer sowie die Auswahl und Qualitaet der Schluesselkomponenten.

CW: Das bedeutet, dass jede Firma auch Toechter haben kann...

Shih: ... und sowohl als Client als auch als Server fungieren kann.

CW: Sie wollen die Geschaeftseinheiten Zug um Zug an die Boerse bringen. Wie sehen dabei die Mehrheitsverhaeltnisse aus?

Shih: Zunaechst ist wichtig, dass die Firmen profitabel sind. Danach laden wir das Management und bestimmte, fuer uns wichtige Investoren ein, Aktien zu zeichnen. Erst danach kommt der Rest der Aktien in den freien Handel.

CW: Das kann in Europa Jahre dauern.

Shih: Das macht nichts. Siemens ist wie alt, 100 Jahre? Wir haben Zeit. Der Plan sieht vor, dass wir Ende des Jahrtausends 21 Acer- Aktiengesellschaften weltweit plaziert haben.

CW: Wieviel Geld soll durch die Umwandlung in die Kasse kommen?

Shih: In den vergangenen zwei Jahren waren es 16 Millionen Dollar. Wir rechnen mit 50 bis 100 Millionen pro Jahr fuer die Dauer einer Dekade. 150 bis 170 Millionen von dem Gewinn werden investiert.

CW: Sie waren eine der wenigen taiwanischen Firmen, die sich um einen Markennamen Gedanken machten.

Shih: Das Image von "made in Taiwan" ist schlecht, wir wollen das aendern. Der Kunde muss verstehen, dass Acer eine globale Firma ist und nicht nur eine taiwanische - local touch, global brand.

CW: Das gilt fuer Acer, aber die anderen taiwanischen Firmen...

Shih: ...sind auch aufgewacht. Als Chairman der Branding International Promotion Organisation versuche ich, ein Team zu organisieren, das das Image der Taiwan-Produkte polieren soll. Das duerfte vielleicht zehn Jahre dauern. Wir wollen dahin kommen, wo die deutsche Autoindustrie ihrem Ruf nach heute steht: Jeder deutsche Pkw ist technisch einwandfrei.

CW: Aber uebernimmt Ihre Firmengruppe in bezug auf Marketing nicht eine Fuehrungsrolle fuer die taiwanischen DV-Unternehmen?

Shih: Ab dem zweiten Halbjahr 1994 dient unsere Organisationsstruktur der Harvard Business School als Modellfall, insofern haben Sie vielleicht recht.

CW: Acer erzielte 1993 einen Umsatz von 1,9 Milliarden Dollar und 85 Millionen Gewinn, dieses Jahr rechnen Sie mit 2,8 Milliarden Dollar Umsatz. Zwei Jahre zuvor schrieb man knapp 23 Millionen Verlust.

Shih: Die Akquirierung von Altos Computer im Jahr 1991 hat uns viel Geld gekostet, und da die Kultur nicht zu unserer passte, war die Uebernahme schwierig und teuer. Hinzu kam ein hoher Lagerbestand. Zugleich versuchten wir, unser Geschaeft auf die lokalen Maerkte zuzuschneiden. Die Industrie befand sich im Umbruch - das Fast-food-Geschaeft ...

CW: Was verstehen Sie unter einem Fast-food-PC?

Shih: Der Rechner muss frisch sein, das bedeutet, die modernste und aktuellste CPU haben und dem Kundenwunsch entsprechen. Also kommen diese Teile per Luftfracht in das Verbraucherland. Gehaeuse und sonstige Komponenten, die keinen schnellen Veraenderungen unterliegen, werden per Schiff geliefert. Assem-

bliert wird der Computer vor Ort, am besten von uns oder unserem Distributor.

CW: Der Distributor als Fabrikant?

Shih: Wir haben in Indonesien, Mexiko und Brasilien bereits entsprechende Franchise-Partner gewonnen.

CW: Das funktioniert aber doch wohl nur in Laendern mit niedrigen Lohnkosten.

Shih: Wir machen das in Japan - und die haben hohe Loehne.

CW: Rentiert sich das?

Shih: Sie haben heute einen frischen PC und nicht erst in zwei Monaten, der Lagerbestand ist gering - das rechnet sich immer. Und assemblieren ist einfach und erfordert keine hohen Investitionen. Wir stellen unser Know-how zur Verfuegung.

CW: Betrifft das auch die OEM-Produktion?

Shih: Wir haben zwei Produktlinien: den "Burger A", das sind unsere Rechner, die vor Ort vielleicht vom Distributor assem-

bliert werden, und den "Burger X" aus der OEM-Produktion, fuer den wir die Schluesselkomponenten und das Know-how bereitstellen. Wir wollen die OEMs dazu bringen, spaeter selbst zu assem-

blieren.

CW: Wo sehen Sie das zukuenftige Wachstumspotential fuer Acer?

Shih: In der Produktion der Schluesselkomponenten und der Acer-PCs. Neu hinzukommen wird das Geschaeft mit Consumer-Elektronik. Dabei muessen Sie hoch integrieren und etwas von Packaging und Massenfertigung verstehen. Es gibt auf der Welt nicht viele Anbieter, die das beherrschen.

CW: Wen fuerchten Sie als Konkurrenten, Japan?

Shih: Nein. Die Japaner haben kein gutes Verstaendnis fuer die PC- Produktion. Die Firmen sind zu gross und unbeweglich, die Kosten im Land zu hoch, die Margen zu gering. Und die japanischen Standards unterscheiden sich vom Rest der Welt. Wir wollen Standards kreieren.