Abschied von der Basisdemokratie

22.07.2004
Von Magdalena Schupelius
Flache Hierarchien, basisdemokratische Entscheidungen und kreatives Chaos sind auch in jüngeren Unternehmen passé. Wer die New Economy überlebt hat, bekennt sich zu klaren Strukturen. Die Führungskräfte müssen oft einen Spagat zwischen Mitbestimmung und autoritärer Mitarbeiterführung bewältigen.

Jörn Peters* öffnet den Moderatorenkoffer. Dicke Filzer, Pappkarten, blau, rot, grün, gelb, alle Farben. "Schreiben Sie da drauf, was Sie vom Unternehmen erwarten, wohin die Reise gehen soll", ruft der Geschäftsführer der Berliner Multimediaagentur seinen 27 Mitarbeitern zu. Zwei Tage Workshop hat Peters seiner Firma verordnet, schließlich sollen bei der geplanten Neuausrichtung alle im Boot sein. Und die Kollegen gehen an die Arbeit. Kleingruppen entstehen. Kontroversen werden ausgetragen. Es gibt Kekse, Kaffee und Cola-Light. Schließlich hängen alle Ideen an der Wand: Systemadministrator Holger schlägt einen Ausbau des Intranets um eine Reihe von administrativen Funktionen vor. Ira aus dem Sekretariat hat Ideen, wie der Workflow verbessert werden kann. Den zweiten Abend beschließt eine kleine Party. "Jede Idee zählt", sagt der Chef, und kündigt ein Folgetreffen an. Die Teilnehmer sind sehr zufrieden.

Wunsch nach Mitbestimmung

Peters strukturierte das Unternehmen nach seinen Vorstellungen um, die Ideen aus dem Workshop verschwanden in der Schublade, das versprochene Folgetreffen stand nie statt. Der guten Stimmung unter den Mitarbeitern schadete das nicht. Auf den Workshop hätte man "auf keinen Fall verzichten können", versichert Peters, denn das Treffen hatte ihm geholfen, den Mitarbeitern das Gefühl der Mitbestimmung zu geben. In Wirklichkeit setzte der Chef aber seine eigenen Ideen durch.

Wirtschaftspsychologen haben festgestellt, dass Mitarbeiter klare Vorgaben ihrer Manager akzeptieren. Peters handelte also richtig, indem er die Stimmung in der Belegschaft des jungen IT-Unternehmens ernst nahm. "Von oben" getroffene Entscheidungen empfinden Angestellte automatisch als falsch. Mitbestimmung wird verlangt, unabhängig von der Frage, ob komplexe Entscheidungen in einer sich ständig beschleunigenden und globalisierten Ökonomie Mitbestimmung überhaupt vertragen. "Das führt zu einem Abstimmungs- und Absicherungszwang nach dem Motto: Ist auch jeder gefragt worden?", stellt Klaus Eidenschink, Leiter des Münchner Coaching-Zentrums Hephaistos, fest. Auch die Führungskräftetrainerin Dagmar Säger aus Hamburg weist auf den Widerspruch hin: "Die Mitarbeiter wollen einerseits in den Entscheidungsprozess eingebunden werden. Andererseits wünschen sie klare Vorgaben."

Für Teamleiter und Projektverantwortliche in jungen Unternehmen ist die Situation verfahren: Mitarbeiter, die von Anfang an dabei waren und Aufbauarbeit geleistet haben, sind nicht bereit, Mitspracherechte abzugeben. Aber gerade die New-Economy-Firmen, die so neu inzwischen gar nicht mehr sind, müssen in einem hoch dynamischen Markt entscheidungsstark auftreten und schnell reagieren, um bestehen zu können.