Abschied vom Spezialistendasein

15.02.2006
Von Johannes Lang
Wer neue Technologien wie "Netweaver" beherrschen möchte, muss seine Berater umfassend ausbilden. Anstatt sich auf einzelne Komponenten der SAP-Software zu konzentrieren, ist übergreifendes Wissen notwendig.

Waren bisher modulspezifisches Wissen und anwendungsbezogene Beratung in SAP-Projekten gefragt, so verlagert sich mit Netweaver der Schwerpunkt auf die Integration von Prozessen und deren Umsetzung in stark vernetzten Applikationslandschaften. Auch SAPs Enterprise Services Architecture (ESA) macht ein Umdenken bei SAP-Beratern erforderlich. Im Mittelpunkt steht die Verbindung von Anwendung, Geschäftsprozess und Technik. Die Berater sollten sich in Richtung Integrationskompetenz neu orientieren und breites Wissen aufbauen. Technische Kenntnisse werden auch im klassischen betriebswirtschaftlich getriebenen SAP-Beratungsmarkt zunehmend an Gewicht gewinnen.

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Von Beratern und den Personalverantwortlichen erfordert diese neue Situation eine schnelle Reaktion, etwa frühzeitig in Weiterbildung zu investieren. Dieser Situation sind sich noch viele Betriebe nicht bewusst. Die Netweaver-spezifische Ausbildung ist bisher kaum ein Thema. Wer hier nicht reagiert, könnte seine Versäumnisse mit dem Verlust von Marktanteilen bezahlen.

Der Arbeitsmarkt zeigt, dass Berater mit den geforderten themenübergreifenden Kenntnissen rar sind. Das notwendige Training erhalten Unternehmen entweder direkt von SAP oder von externen Dienstleistern. Was diese Ausbildung jedoch nicht bieten kann, ist Praxiserfahrung. Hier hilft nur die alltägliche Zusammenarbeit mit erfahrenen Beratern. Erst das auf diesem Weg vermittelte Wissen macht aus einem SAP-Berater einen gefragten Spezialisten für Netweaver.

Beratungshäuser wie die Realtech AG mit Sitz in Walldorf bilden ihre Consultants nach dem Prinzip "Training on the Job" aus. Modulspezifisches Fachwissen wird nach und nach aufgebaut und um Integrationsthemen ergänzt, bis das für Netweaver-Projekte notwendige übergreifende Know-how angesammelt ist. Auch Berater, die schon seit mehreren Jahren im SAP-Umfeld tätig sind, müssen systematisch geschult werden. Trainee-Programme für Hochschulabsolventen und für Neueinsteiger sorgen für den nötigen Nachwuchs. So hat Realtech im Jahr 2005 rund 700 000 Euro in die Weiterbildung von Beratern alleine im SAP-Umfeld investiert. Dies entspricht etwa 7000 Euro pro Mitarbeiter.

Um diese Consultants langfristig zu binden, sind Investitionen von mehreren hunderttausend Euro einzuplanen. Freelancer und kleine Beratungshäuser stehen damit vor einer kaum bezahlbaren Herausforderung. Erschwerend kommt hinzu, dass das in den vergangenen Jahren aufgebaute Spezialwissen durch den technischen Fortschritt rasant an Wertigkeit verliert, wenn es nicht ständig aufgefrischt wird. Eine erprobte Alternative ist der operative Zusammenschluss mit anderen Firmen. So kann sich das Know-how einzelner Spezialisten zu einer gesamtheitlichen Lösungskompetenz ergänzen.

Unter diesen Bedingungen stellt sich für SAP-Anwenderunternehmen die Frage, wann sich Investitionen in eigene SAP-Berater lohnen. So macht beispielsweise der eigene "Modulberater" immer dann Sinn, wenn regelmäßig individuelle Änderungen am SAP-System vorzunehmen sind. Insbesondere bei Modifikationen am System oder Änderungen an der Plattform helfen externe Spezialisten, Projekte sicher und zeitgerecht umzusetzen.

Da das Netweaver-Konzept auf dem Grundgedanken der Integration und Interoperabilität fußt, ist es sinnvoll, die Integrationskompetenz im eigenen Unternehmen aufzubauen. Die aus den Anforderungen resultierende technische Umsetzung erledigt ein erfahrener Dienstleister häufig kostengünstiger, als wenn das Anwenderunternehmen sich auch hierzu eigenes Know-how erarbeitet. (hk)