Abkehr vom Sowohl-Als-auch

08.03.1996

Christoph Witte

Fuer diejenigen, die es bei allem Getoese nicht mitbekommen haben: In der naechsten Woche trifft sich die IT-Society wieder in Hannover. Wie jedes Jahr werden die Menschen kommen, und wie in jedem Jahr werden sie sich schwertun zu finden, was sie suchen. Doch warten wir ab, bis die CeBIT die Tore geoeffnet hat. Vielleicht muessen wir dann doch nicht die alte CW-Schlagzeile "Der Haarausfall, das Wetter, die Messe" aufwaermen.

Wenn schon nicht ueber die CeBIT, laesst sich doch ueber eine andere feste Groesse in der deutschen DV-Landschaft etwas Neues berichten: Die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG hat unter dem Namen "Cross Atlantic Program" (siehe Seite 1) eine Initiative ins Leben gerufen, die kleineren Softwarehaeusern aus den USA helfen soll, in Europa Fuss zu fassen. Altruismus war dabei sicher nicht Vater des Gedanken. Die Muenchner unterstuetzen nur solche Anbieter, die ihre Software auf die RM-Server-Linie portieren. Damit erhoeht SNI zum einen das Angebot RM-faehiger Applikationen, zum anderen ihre Praesenz im amerikanischen Markt. Schliesslich liegt die Vermutung nahe, dass die anvisierten US-Start-ups diese Software nicht nur in Europa, sondern schon aus oekonomischen Gruenden auch in den USA anbieten werden. Dieses Programm ist nach der Pyramid-Uebernahme vor einem Jahr ein weiteres Indiz dafuer, wie ernsthaft SNI versucht, die Basis des eigenen Geschaefts ueber Deutschland und Europa hinaus auszudehnen.

Diese Expansion ist dringend geboten, wenn der Anbieter weiter profitabel wachsen will. Noch im vergangenen Geschaeftsjahr erwirtschaftete er 65 Prozent seines Umsatzes in Deutschland und 27 Prozent im restlichen Europa. Die verbleibenden acht Prozent teilte sich der Rest der Welt. Zuwenig, wie auch SNI-Chef Gerhard Schulmeyer bestaetigt. Langfristig strebt er einen Drittelmix der Einnahmen zwischen Deutschland, Europa und den anderen Maerkten an. Erst dann duerfte der Hersteller wirklich auf gesunden Fuessen stehen. Darueber kann auch der momentane Erfolg im PC-Sektor nicht hinwegtaeuschen. Wie anfaellig dieser Markt ist, zeigt das Beispiel Escom. Nach einem unerwartet schlecht verlaufenen vierten Quartal muessen die Eigner 60 Millionen Mark nachschiessen. Auch SNI, mit zehn Prozent an Escom beteiligt, wird zur Kasse gebeten.

Dennoch sind bei Siemens-Nixdorf neu gewonnenes Selbstbewusstsein und Aggressivitaet spuerbar. Dafuer spricht auch die geplante Runderneuerung im Mainframe- und Midrangegeschaeft, in dem SNI voll auf RISC-Prozessoren und Unix setzt. Das gilt selbst fuer die angestaubten BS2000-Maschinen, in denen kuenftig Prozessoren von Mips Technology den Takt angeben sollen. Dass die Muenchner diese Rechner-Familie inzwischen dennoch nicht mehr zum Kernmarkt zaehlen, verdeutlicht die Wandlung des Unternehmens. Noch vor Jahresfrist haette sich kein SNI-Manager zu einer solchen Aussage hinreissen lassen - zu gross waere die Angst vor schaedlichen Marktreaktionen gewesen. Das hat sich geaendert. Offenbar weiss man bei SNI jetzt, wohin die Reise gehen soll.