Adi Stahuber, Vice President Central Europe bei i2 Technologies, im CW-Gespräch

"Ability to Execute vorantreiben"

15.06.2001
Weltweit hat i2 Technologies rund 1000 Kunden mit 9000 Installationen. Hierzulande muss der Anbieter von Supply-Chain-Management- und E-Business-Software allerdings noch Überzeugungsarbeit leisten, kommen doch erst etwa 70 Kunden aus Deutschland. Mit dem für Zentraleuropa zuständigen Vize-Präsidenten Adi Stahuber sprach CW-Redakteurin Karin Quack.

CW: Wie werden sich die von i2 angekündigten Sparmaßnahmen auf die Personalsituation in Deutschland auswirken?

Stahuber: So gut wie überhaupt nicht. Was die Personalsituation angeht, so liegen wir mit 180 Mitarbeitern in Deutschland ohnehin unter dem Einstellungsplan.

CW: Bei i2 hat kürzlich erstmals ein Generationswechsel stattgefunden. Firmengründer Sanjiv Sidhu hat das Ruder an den bisherigen Präsidenten Greg Brady übergeben. Wie verändert sich dadurch der Kurs des Unternehmens?

Stahuber: In den vergangenen sechs Jahren hat Greg Brady gezeigt, dass seine Stärke vor allem darin liegt, die zeitnahe Entwicklung neuer Produkte in gewinnbringenden Bereichen voranzutreiben. Jetzt ist er in einer Position, in der er diese Stärke ausspielen kann.

CW: Sanjiv Sidhu will sich keineswegs ins Privatleben zurückziehen. Welche Aufgaben übernimmt er?

Stahuber: Er wird sich noch stärker um die Kunden und die Analysten kümmern. Seine Aufgabe ist es, dem Markt zu vermitteln, wer i2 wirklich ist - damit wir nicht mehr in einen Topf geworfen werden mit Anbietern wie Ariba und Commerce One, die nur einen kleinen Teil zur Business-Transformation beisteuern.

CW: Besteht da tatsächlich eine Gefahr der Verwechslung?

Stahuber: Wenn die großen Analystenhäuser und Investoren bislang über B-to-B-oder Collaboration-Szenarien gesprochen haben, nannten sie uns stets in einem Atemzug mit Ariba und Commerce One. Dabei decken diese beiden schwerpunktmäßig nur das E-Procurement ab, während die Business-Transformation, wie wir sie verstehen, alle Unternehmensteile betrifft.

CW: Lassen Sie uns noch einmal über den neuen Mann an der Unternehmensspitze sprechen. Brady gilt als Macher, Sidhu als Visionär. Wie wirkt sich der Wechsel auf die Unternehmenskultur aus?

Stahuber: Unsere Kultur ist eine langsam gewachsene. i2 verbindet das langfristige Denken des ursprünglichen Führungsteams mit der von Gartner postulierten "Ability to Execute", also mit der Fähigkeit, Ideen in Software umzusetzen. Die Tatsache, dass der Chief Executive jetzt Greg Brady heißt, wird daran nichts ändern - zumal der alte und der neue CEO seit mindestens sechs Jahren eng zusammenarbeiten. Allerdings wollen wir die Ability to Execute noch weiter vorantreiben, sprich: die Produktentwicklung beschleunigen.

CW: Haben Sie in der Vergangenheit mehr Visionen als Produkte entwickelt?

Stahuber: Sicher nicht. Aber die Szenarien im "kollaborativen" Bereich haben sich im vergangenen Jahr sehr schnell entwickelt. Und Softwareentwicklung braucht ihre Zeit - auch wenn wir über Methoden verfügen, mit der sie sich beschleunigen lässt. Deshalb muss die Führungscrew immer den Fokus auf die Entwicklung dessen legen, was als Nächstes gebraucht wird.

CW: Jetzt hat i2 das Management von Kundenbeziehungen entdeckt. Wollen Sie - entgegen Ihrer Gewohnheit - einem Trend hinterherlaufen, statt ihn selbst zu prägen?

Stahuber: Wir verstehen unter Customer-Relationship-Management etwas anderes als die Anbieter, die diesen Begriff bislang besetzt haben. Wir sprechen nicht über Sales Force Automation oder Call-Center. Schauen Sie sich an, was ein erfolgreiches Unternehmen heute ausmacht: Dort werden nicht Produkte in den Markt gedrückt, sondern die Kunden in die eigene Supply-Chain hineingezogen. Das heißt: weg vom Push-, hin zum Pull-Prinzip. Im Rahmen von Tradematrix bieten wir schon seit zwei Jahren die Funktionen "Sell" und "Fulfill" an. Aber jetzt haben wir die gängige Nomenklatur übernommen, um den Nutzen unserer Produkte zu beschreiben. Trotzdem wollen wir die vorhandenen CRM-Systeme nicht ersetzen, sondern ergänzen.

CW: Die Realität der Kunden steht oft in krassem Widerspruch zu der Geschwindigkeit, mit der Sie neue Trends aufnehmen. Dort wird immer noch häufiger der "Factory Planner" als der "Supply Chain Planner" implementiert, von einer Integration der gesamten Wertschöpfungskette ganz zu schweigen.

Stahuber: Unsere Empfehlung an die Kunden lautet, an unterschiedlichen Stellen des Unternehmens - auf der Zulieferer- und der Kundenseite, aber auch bei der internen Produktionsoptimierung - parallel zu implementieren, ohne dabei den Plan eines integrierten Systems aus den Augen zu verlieren. Tatsächlich sind die Kunden derzeit zunächst damit beschäftigt, das eigene Haus in Ordnung zu bringen. Der zweite Schritt, die Anbindung der Zulieferer, ist hier und dort ebenfalls schon getan. Ich denke da beispielsweise an Projekte in der Automobilindustrie. Auch im CRM-Bereich können wir erste Vorhaben vorweisen. Bei der Umsetzung entsprechender Business-Modelle lassen wir uns von führenden Partnern unterstützen: beim Customer-Relationship-Management von Pricewaterhouse-Coopers und beim Supplier-Relationship-Management von AT Kearney.

CW: Apropos Partner: Bis vor einem halben Jahr haben Sie eine enge Beziehung zu dem Systemintegrator IBM Global Services und dem E-Procurement-Spezialisten Ariba gepflegt. Wie halten Sie es mit Big Blue, nachdem Ihr Verhältnis zu Ariba deutlich abgekühlt ist?

Stahuber: Mit IBM kooperieren wir nach wie vor sehr eng. Zudem haben wir eine neue Partnerschaft besiegelt, die sich auf den in Deutschland sehr starken Mittelstand konzentriert. Wir bauen eine Einheit aus IBM- und i2-Mitarbeitern auf, die diese Kunden von der Projektinitialisierung bis zur Realisierung begleiten.

CW: In der Branche heißt es, Ihre Lösungen eigneten sich ausschließlich für Großunternehmen.

Stahuber: Die Großunternehmen sind wohl auch in Zukunft Treiber des SCM-Einsatzes. Aber die Lieferanten der Konzerne sind oft Mittelständler. Also berührt das Thema auch die kleineren Unternehmen. Wir haben unsere "Tradematrix"-Infrastruktur für die AS/400 verfügbar gemacht, was nach wie vor ein typisches Mittelstandssystem ist. Außerdem haben wir mit "Tradematrix Pronto" eine Version unserer Software geschaffen, die sich extrem schnell konfigurieren lässt und mit der wir deshalb auch kleine Unternehmen adressieren. Dank der Zusammenarbeit mit IBM können wir diesen Kunden eine schnelle Realisierung der Projekte anbieten.

CW: Abgesehen von diesem speziellen Arrangement - inwieweit sind i2 und IBM noch miteinander liiert?

Stahuber: An der generellen Partnerschaft hat sich nichts geändert. Gleichzeitig unterhält IBM nach wie vor Beziehungen zu Ariba, so dass wir manchmal sogar noch als Triade auftreten.

CW: Die Commerce-One- und die Ariba-Anwender unter Ihren Kunden haben besorgt auf Ihre Akquisition des E-Procurement-Spezialisten Rightworks reagiert - zu Recht?

Stahuber: Die Kunden haben ihre Verträge direkt mit Ariba oder Commerce One geschlossen. Wir stellen sicher, dass deren Produkte auf der Tradematrix-Plattform laufen. Den Support dafür leisten wir weiterhin. Das bedeutet, dass wir auch bei einer Weiterentwicklung unserer Plattform den Betrieb der Ariba- und Commerce-One-Produkte ermöglichen. Da gilt es, langfristige Wartungsverträge einzuhalten.

CW: Gibt es neben Ariba und Commerce One für Rightworks überhaupt noch Platz auf dem Markt?

Stahuber: Das Potenzial ist sehr groß. Im vergangenen Jahr gab es wohl kein Unternehmen, das nicht über E-Procurement nachgedacht hat. Einige Entscheidungen sind zugunsten von Ariba oder Commerce One gefallen, andere werden in den kommenden Monaten getroffen. Wir unterscheiden uns von den Mitbewerbern, indem wir bereits ein nächstes sinnvolles Business-Release anbieten - in Richtung auf den Einkauf von A- und B-Gütern, also eine integrierte Supply-Chain.

CW: Welche Funktionen sind nötig, um mit einem E-Procurement-System unmittelbar fertigungsrelevante Güter zu beschaffen?

Stahuber: Im Wesentlichen eine nahtlose Entscheidungsunterstützung. Sie beginnt sehr früh im Einkaufsprozess. Wenn ich ein Produkt entwickle, sollte ich mir bereits Gedanken darüber machen, wer die besten Lieferanten dafür sein könnten. Wie segmentiere ich sie? Welche Szenarien beschreiben meine Beziehung zu ihnen? Und das unabhängig davon, ob es sich um A-, B- oder C-Teile handelt.

Kurzportrait

Mit einer Unternehmenszugehörigkeit von vier Jahren ist Adi Stahuber beinahe schon ein alter i2-Hase: Als er 1997 - nach verschiedenen Führungspositionen in der Softwareindustrie - zum texanischen Supply-Chain-Management-Experten i2 Technologies Inc. stieß, war dessen europäische Organisation gerade mal zwei Jahre alt, die deutsche Niederlassung noch in Gründung, SCM kaum ein Thema. Seit 1998 zeichnet Stahuber nun als Vice President Central Europe und Chef der i2 Technologies GmbH, Haar, für die zentral- und osteuropäischen Aktivitäten des Softwareunternehmens verantwortlich.