A.T. Kearney: Offshoring-Kostenvorteile schwinden

24.04.2007
Von 
Diego Wyllie hat Wirtschaftsinformatik an der TU München studiert und verbringt als Softwareentwickler und Fachautor viel Zeit mit Schreiben – entweder Programmcode für Web- und Mobile-Anwendungen oder Fachartikel rund um Softwarethemen.
Dem "Global Services Location Index 2007" der Unternehmensberatung A.T. Kearney zu Folge, ist der relative Kostenvorteil der führenden Offshoring-Länder wie Indien, China oder Malaysia im Vergleich zum Vorjahr fast überall zurückgegangen.

A.T. Kearney vergleichte zum viertal Mal weltweit mehr als fünfzig Länder im Hinblick auf Kostenvorteile, Verfügbarkeit gut ausgebildeter Mitarbeiter sowie wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Bei der jährlichen Studie werden alle für eine Offshoring-Entscheidung relevanten Aspekte berücksichtigt. Der aktuelle Index beruht auf Datenmaterial aus 2006 und zeigt eine weltweit positive Entwicklung: Nahezu alle untersuchten Länder haben ihre Wertung im Vergleich zum Vorjahr verbessert. Die wichtigste Erkenntnis des diesjährigen Index sei es, dass der relative Kostenvorteil der führenden Offshore-Destinationen fast überall zurückgegangen ist, während die Bewertungen für die Verfügbarkeit hoch qualifizierter Arbeitskräfte und für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in diesen Ländern rapide angestiegen sind. Die Studie besagt, dass der Lohnkostenvorteil bei der Verlagerung von IT-Dienstleistungen, Arbeitsprozessen oder Call-Centern zwar noch für etwa zwanzig Jahre bestehen bleiben würde, Hochlohn- und Niedriglohnstandorte würden sich jedoch allmählich einander annähern. So seien die Kosten beispielsweise für IT-Programmierungen oder Call-Center in den meisten etablierten Wirtschaftsnationen im vergangenen Jahr um 5 bis 10 Prozent angestiegen, die entsprechenden Löhne in China, Indien, den Philippinen und Teilen von Osteuropa seien aber gleichzeitig zwischen 20 und 40 Prozent gestiegen. Durch Währungseffekte und eine schnell wachsende Nachfrage wird der noch vorhandene Kostenvorteil nach und nach sinken, so die Berater von A.T. Kearney.

Deutschland liegt in dem Index insgesamt auf Platz 40. Dies liege vor allem an den im internationalen Vergleich hohen Kosten für Löhne und Infrastruktur sowie den hohen Steuern. Dem gegenüber stehen jedoch vordere Platzierungen in Bereichen, die immer mehr an Bedeutung gewinnen. Mit dem zweiten Platz in der Kategorie "Wirtschaftliche Rahmenbedingungen" konnte sich Deutschland im Vergleich zum Vorjahr sogar deutlich verbessern. Lediglich Singapur wurde in dieser Kategorie besser bewertet. Bei der von den USA, Indien und China geführten Kategorie "Verfügbarkeit gut ausgebildeter Mitarbeiter" hat Deutschland den vierten Platz erreicht.

Indien und China führen den Index nach wie vor mit großem Vorsprung an, obwohl die Kostenvorteile gegenüber westlichen Standorten deutlich gesunken sind. Beide Standorte können die steigenden Lohnkosten jedoch mit einer wachsenden Anzahl gut qualifizierter Arbeitskräfte und verbesserten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausgleichen. Die südostasiatischen Staaten Malaysia (Rang 3), Thailand (Rang 4), Indonesien (Rang 6), die Philippinen (Rang 8), Singapur (Rang 11) und Vietnam (Rang 19) bestätigen mit Platzierungen unter den Top-20-Standorten ihren Stellenwert als ernstzunehmende Alternativen zu Indien und China. In Osteuropa beginnen die neuen EU-Mitgliedsstaaten ihre etablierten Nachbarländer zu übertrumpfen: Bulgarien (Rang 12), Estland (Rang 15) und Lettland (Rang 17) sind im Index gestiegen.

Ebenfalls positiv entwickeln sich die lateinamerikanischen Staaten Brasilien (Rang 5), Chile (Rang 7), Uruguay (Rang 22) und Argentinien (Rang 23).
Darüber hinaus gewinnen die Staaten des Mittleren Osten und Afrikas zunehmend an Bedeutung. Während Ägypten (Rang 13), Jordanien (Rang 14), die Vereinigten Arabischen Emirate (Rang 20), Tunesien (Rang 26), Ghana (Rang 27), Süd-Afrika (Rang 31), Israel (Rang 38) und die Türkei (Rang 49) ihre Positionen im Ranking halten oder verbessern konnten, wurden Mauritius (Rang 25), Marokko (Rang 36) und der Senegal (Rang 39) erstmals mit guten Ergebnissen in die Bewertung aufgenommen.