"Simplify IT" - was BCG empfiehlt

6 Tipps gegen die Komplexität

10.07.2013
Von 
Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.
Komplexe IT-Strukturen sind oft unausweichlich, aber auch teuer und behäbig. BCG-Berater geben sechs Tipps, die die IT-Komplexität reduzieren und bis zu 30 Prozent der IT-Kosten einsparen helfen.

An einer komplexen IT kommt kein großes Unternehmen vorbei. Aber wenn sie zu kompliziert wird, entstehen Kosten: Firmen reagieren nur langsam auf Veränderungen, so dass Neuerungenzu lange bis zur Marktreife (Time-to-Market) brauchen. Doch wie die Komplexität reduzieren? Das stellt CIOs vor Herausforderungen. Oft stochern die Unternehmen dabei im Nebel.

"IT-Kosten lassen sich mit Simplifizierung um bis zu 30 Prozent senken", sagt Studienleiter Michael Grebe von BCG.
"IT-Kosten lassen sich mit Simplifizierung um bis zu 30 Prozent senken", sagt Studienleiter Michael Grebe von BCG.
Foto: BCG

Eine Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) hat IT-Komplexität untersucht und sechs Ansätze analysiert, wie ein Unternehmen erfolgreich die Strukturen vereinfachen kann. "Simplifizieren kann die gesamten IT-Kosten um bis zu 30 Prozent senken", sagt Michael Grebe, Autor der Studie.

Wie Komplexität entsteht

IT-Strukturen entstehen langsam, nicht über Nacht. Die drei wichtigsten Gründe für ihr Entstehen: Firmenübernahmen und -zusammenschlüsse, eine schwache IT-Governance und dürftiges Verständnis auf Geschäftsleitungsebene dafür, dass Komplexität hohe Kosten nach sich zieht. Zum Teil sind die Probleme der IT auch hausgemacht. Weil sich IT-Entscheider oft den Wünschen der Geschäftsleitung anpassten, hatten sie die Langzeitfolgen der vielen kleinen Entscheidungen nicht im Blick. Aber es gibt Abhilfe.

1. Intelligentes Nachfragemanagement

Oft stehen IT-Entscheider vor einem großen Problem: Die Geschäftsleitung verlangt etwa Support oder ein Produkt zu einem Preis, der nicht im Verhältnis steht zum Business Value. Dahinter steckt: IT-Kosten sind oft nicht mehr transparent. "Zwar sinken die Stückkosten in der IT“, sagt Grebe. „Aber die vom Geschäft erzeugte Nachfrage, etwa den Speicherbedarf, Emails und so weiter, nimmt Jahr für Jahr zu. Damit steigen letztendlich auch die IT-Gesamtkosten.“ Doch genau das ist das Problem: "Häufig wird einfach hingenommen, dass die Volumina steigen, obwohl diese oft keinen zusätzlichen Geschäftsnutzen erzeugen“, sagt Grebe.

CIOs müssen also die Kosten beziffern und Kostentreiber und -senker identifizieren. So kann die Komplexität ohne Wertverlust reduziert werden. In der Studie wird auch ein Beispiel angeführt: Ein globaler Finanzdienstleister stellte fest, dass Kunden mit Bestätigungs-Emails für Buchungen genauso zufrieden waren, wenn ihre vollständige Adresse nicht extra eingefügt war. Das reduzierte den Aufwand erheblich und senkte die Kosten. Auch kleinere Änderungen können eben den Ausschlag geben. Insgesamt, so die Studie, könnte die Nachfrage nach IT-Support um 15 Prozent reduziert werden. Das wiederum spart etwa zehn Prozent der Kosten ein.

2. Applikationen abschalten

Vor allem größere Firmen haben oft viel zu viele Anwendungen, die ineffizient und teuer sind. "Oft fällt es den Unternehmen schwer, Applikationen tatsächlich abzuschalten", sagt Grebe. Hier zu reduzieren kann viel bringen: BCG rechnet vor, dass in großen Firmen bis zu 40 Prozent der Anwendungen abgeschaltet werden können. Eine europäische Bank, führt BCG als Beispiel an, stellte fest, dass sie über die Hälfte ihrer mehr als 500 Anwendungen hätte abschaffen können, tatsächlich waren es am Ende 30 Prozent.

Mal schnell ein Drittel der Applikationen abschalten: Geht ohne weiteres, meint BCG.
Mal schnell ein Drittel der Applikationen abschalten: Geht ohne weiteres, meint BCG.
Foto: BCG

Simplifizierung bei Anwendungen senkt IT-Kosten um bis zu 20 Prozent. „Der CIO muss top-down seine stark vereinfachte Zielanwendungslandschaft entwickeln und bottom-up Abschaltkandidaten identifizieren“, sagt Grebe. Da kann es zu einigen Überraschungen kommen: „Wir haben häufig erlebt, dass vermeintlich wichtige Applikationen in den Fachabteilungen zum Teil gar nicht mehr angewendet werden.“ Der CIO muss das nur wissen und kann rationalisieren, ohne dass es die Geschäftsabläufe beeinträchtigt. Nur ist der Aufwand erheblich und das Ganze nicht gerade billig. Eine Strategie schafft Abhilfe:

Simplifizierungssteuer

BCG nennt drei Voraussetzungen, um Anwendungen zu rationalisieren. Die Geschäftsleitung muss dahinter stehen, ein Budget für die Rationalisierung muss geschaffen werden und der Prozess muss überwacht werden. Um ein ausreichendes Budget zu schaffen, schlägt BCG eine "Simplification Tax" vor: Jedes IT-Projekt muss die Steuer zahlen, um Rationalisierung zu ermöglichen. "Wir schlagen eine Simplifizierungssteuer in Höhe von etwa fünf Prozent vor", sagt Grebe. Das kann Projektleitern schon mal aufs Gemüt schlagen. „Natürlich ist eine solche Maßnahme für die Beteiligten nicht immer attraktiv, aber aus Unternehmenssicht eben notwendig.“

3. Weniger Infrastrukturmuster

Ein weiterer Faktor für Komplexität, zu hohe Kosten und nicht genutzte Economies of Scale: Zu viele verschiedene Konfigurationen der Hardware, Systemsoftware und Middleware. "Viele Unternehmen können die Anzahl ihrer Technologiemuster ohne weiteres um die Hälfte reduzieren", heißt es im Bericht. Das spart bis zu 15 Prozent der IT-Kosten. Als Beispiel führt BCG eine große Produktionsfirma an, die 9000 verschiedene Anwendungen hostete mit insgesamt 1700 verschiedenen Installationen. Das bremste die Firma erheblich. Schließlich konnten etwa 80 Prozent der der Anwendungen auf Standard-Servern laufen, die nach sieben unterschiedlichen Mustern konfiguriert wurden. Zusammen mit anderen Maßnahmen reduzierte die Firma ihre IT-Infrastrukturkosten um 40 Prozent in drei Jahren. "Damit können Unternehmen leichter Economies of Scale realisieren", sagt Grebe. Auch eine Virtualisierung kann hier sinnvoll sein.

4. Eine vereinfachte IT-Organisation

Diese Maßnahme könnte für einige IT-Manager ein zu heißes Eisen sein: Die Berater von BCG rechnen mit bis zu 30 Prozent Einsparpotenzial im IT-Management-Bereich. Oft sind Aufgabenbereiche fragmentiert und in unterschiedlichen Abteilungen angesiedelt. Komplexität hat eben nicht immer nur mit der Technik zu tun: Oft sind die Abteilungen nicht nach den Prinzipien Govern, Plan und Run klar getrennt, sondern vermischt. CIOs sollten Abteilungen neu aufstellen, Arbeitsgruppen neu definieren und ihnen andere Funktionen zuteilen, um Kompetenzen zu bündeln.

Zusätzlich hilft es, sich die Fähigkeiten der IT-Mannschaft anzusehen, um Engpässe zu vermeiden, bevor sie entstehen. Ein großer Finanzdienstleister etwa stellte fest, dass wegen Rente und Jobwechsel bald ein Fachkräftemangel in der eigenen Firma entstehen würde. Durch rechtzeitige Fortbildungen und Trainings der bestehenden IT-Mitarbeiter und gezieltes Einstellen konnte der Engpass vermieden werden.

5. Effektivere Governance und schlanke Prozesse

Ein Problem, das nicht nur die IT betrifft: Entscheidungen werden in Firmen oft nicht ganzheitlich, sondern in Silo-Strukturen getroffen. „Das Vereinfachungspotenzial von IT-Prozessen durch die Lean-Methodik ist erheblich, etwa in der Anwendungsentwicklung. Hier ist eine Zeitersparnis von bis zu 60 Prozent möglich“, betont Grebe. In Prozessen können oft Schleifen eliminiert werden. Nur mit klaren und transparenten Zielsetzungen ist so eine Verschlankung zu erreichen.

Ein Beispiel aus dem Bericht: Ein Automobilkonzern hatte Problem mit seiner Anwendungsentwicklung. Die Prozesse waren ineffizient, Leerlauf und Nachbesserungen beanspruchten mehr als die Hälfte der Cycle-Time. Die Firma besserte mit "Lean Principles" nach: Die Ressourcen werden besser gesteuert, um Engpässe zu vermeiden, Großprojekte werden nun unterteilt, es gibt Warnhinweise, wenn ein Projekt zu scheitern droht, und die Rolle des Projektmanagers wurde gestärkt. Der Erfolg ist spürbar: Die Entwicklungszeit verkürzte sich um 40 Prozent.

6. Shared-Services-Modelle und optimiertes Sourcing

Einige Firmen haben eine dezentralisierte IT. Das führt zu Ineffizienzen und Redundanzen. Shared-Service-Center können eine Lösung sein. "In den Firmen selbst gibt es in der Regel so viel Simplifizierungspotenzial, dass Outsourcing erst im zweiten Schritt in Betracht gezogen werden sollte“, sagt er. Doch generell möchte Grebe nicht davon sprechen, die IT großflächig auszulagern, um Komplexität zu vermeiden.

Insgesamt kommt Grebe zu dem Schluss: „Simplifizierung erzeugt den größten Nutzen, wenn Business und IT partnerschaftlich daran arbeiten.“ Langfristig müssen in einer Firma Vorkehrungen getroffen werden, die verhindern, dass Komplexität neu entsteht, etwa durch Stärkung der Architekturfunktion oder frühzeitige Einbindung der IT in den Neuproduktprozess. „Simplifizierung erfordert zwar größere Anstrengungen“, sagt Grebe. Aber sie lohnt sich.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.de. (mhr)