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Softwarepatente: "Ein Albtraum ist vorbei"

07.07.2005
Wir haben prominente Stimmen zur Ablehnung der EU-Richtlinie zu Softwarepatenten gesammelt. Ende eines Albtraums oder ein Pyrrhussieg?

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Ablehnung der Softwarepatentrichtlinie durch das Europäische Parlament feiern Patentgegner als großen Sieg: "Ein Albtraum ist vorbei!", kommentierte Florian Müller, ehemaliger Kampagnenleiter der Initiative NoSoftwarePatents.com. Jahrelang hätten die EU-Kommission und die meisten europäischen Regierungen dementiert, dass die Richtlinie reine Softwarepatente zulassen würde. Genau darum aber sei es gegangen.

Mit einer klaren Mehrheit von 648 Abgeordneten gegen 14 Stimmen und 18 Enthaltungen wies das Europaparlament gestern die umstrittene Richtlinie zur Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" zurück. Ziel der Initiative war es, die Patentgesetze in den 25 EU-Mitgliedsstaaten zu harmonisieren. Vorausgegangen war eine "Lobbyschlacht ohne Beispiel", wie es der CSU-Europaabgeordnete Joachim Wuermeling ausdrückte. Entsprechend euphorisch fiel die Reaktion der organisierten Kritiker aus, darunter der der Open-Source-Gemeinde nahe stehende Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur e.V. (FFII). Präsident Hartmut Pilch sprach von einem "großen Sieg" für jene, die sich dafür eingesetzt hätten, dass Innovation und Wettbewerbsfähigkeit in Europa "vor der Monopolisierung von Software-Funktionalitäten und Geschäftsmethoden" geschützt bleibe.

Ins gleiche Horn blies Georg Greve, Präsident der Free Software Foundation Europe (FSFE): "Das war eine starke Entscheidung gegen die Patentierung von Software." Die Abgeordneten hätten damit auch dem Entstehungsprozess der Richtlinie das Misstrauen ausgesprochen. "Der EU-Ministerrat hat die Richtlinienänderungen des Parlaments aus der ersten Lesung völlig ignoriert." Aus seiner Sicht bedeutet das Votum zudem ein deutliches Signal an das Europäische Patentamt (EPA), keine Softwarepatente mehr zu erteilen. Mit ihrer Vergabepraxis "überdehne" die Behörde das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) aus dem Jahr 1973, das Patente auf reine Software verbietet. Notwendig sei nun ein Aufsichtsinstrument, das über die Entscheidungen der EPA wache.

Wuermeling, der als Europaabgeordneter an der Richtlinie mit gearbeitet hatte, machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl: "Die Ablehnung war der einzige Ausweg aus einer völlig verfahrenen Situation", so der CSU-Politiker gegenüber der COMPUTERWOCHE. Die Richtlinie sei "nicht entscheidungsreif" gewesen. Eine Einzelabstimmung über die knapp 200 Änderungsanträge hätte zu "unkalkulierbaren Ergebnissen" geführt. Aus diesem Grund habe sich die Europäische Volkspartei (EVP), die eigentlich für die Richtlinie in der Ratsversion war, dagegen entschieden.

Auch der rechtspolitische Sprecher der EVP-ED-Fraktion im Europäischen Parlament, Klaus-Heiner Lehne (CDU), vertrat diese Auffassung: "Kein Gesetz ist besser als ein schlechtes. Das ist eine der Lehren aus den gescheiterten Referenden zum Verfassungsvertrag." Wuermeling nannte die Entscheidung einen "Pyrrhus-Sieg" für die Softwarepatentgegner. Die Rechtsunsicherheit, die in der Vergangenheit zu einem Übermaß an Patentierungen geführt habe, bleibe bestehen. Insofern habe sich die Open-Source-Bewegung mit ihrer radikalen Kampagne "selbst ins Knie geschossen".

Zu den Befürwortern der Richtlinie zählte auch der deutsche Softwarehersteller SAP. Nach Ansicht von Vorstandschef Henning Kagermann hat das Parlament mit der Ablehnung "eine historische Chance vorerst verpasst". SAP erkenne sehr wohl, dass die technischen und juristischen Implikationen bei computerimplementierten Erfindungen hoch komplex seien. Dies gelte jedoch nicht für die ökonomischen Faktoren. "Auf einem globalen Markt sind computerimplementierte Erfindungen ein wichtiger Wettbewerbsvorteil für Europa, der unbedingt durch Patente geschützt werden muss", so der Manager. (wh)