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EU-Berufungsgericht erhält Sanktionen gegen Microsoft aufrecht

22.12.2004
Richter Bo Vesterdorf hat die von der EU-Kommission verhängten Maßnahmen bestätigt. Nun muss Microsoft unter anderem ein Windows ohne Media Player anbieten.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der in Luxemburg ansässige EU-Gerichtshof erster Instanz unter Vorsitz des Dänen Bo Vesterdorf hat heute entschieden, dass die im März von der Europäischen Kommission verhängten Sanktionen gegen Microsoft nicht ausgesetzt werden.

"Nach Untersuchung der Umstände des Falles befindet der Präsident, Microsoft habe nicht nachgewiesen, dass ihm in Folge der Implementierung der angefochtenen Entscheidung ernsthafter und irreparabler Schaden enstehen würde", hieß es in einer Erklärung des Gerichts. Es habe daher den Antrag Microsofts in seiner Gesamtheit abgewiesen. Der Konzern kann zwei Monate lang beim Europäischen Gerichtshof gegen das Urteil Berufung einlegen. Er hatte aber bislang erklärt, den Auflagen gegebenenfalls nachkommen zu wollen.

Das Urteil hat für Microsoft weit reichende Konsequenzen: Es muss für das Gebiet der Europäischen Union umgehend eine spezielle Version von Windows ohne den "Windows Media Player" anbieten - diese ist technisch bereits fertig - und der Konkurrenz einige Netzschnittstellen von Windows offen legen, bevor das eigentliche Berufungsverfahren seinen Lauf nimmt (das sich über bis zu fünf Jahre hinziehen dürfte). Das von der Kommission verhängte Bußgeld von 497 Millionen Euro hat das Unternehmen bereits bezahlt und auch schon in seiner Bilanz abgeschrieben.

Brad Smith, Microsofts Generaljustiziar, erklärte heute Mittag in einer Telefonkonferenz, Microsoft werde noch heute im Laufe des Tages eine Website zur Lizenzierung der Kommunikationsprotokolle für europäische Firmen ans Netz bringen. Die geforderte Windows-Version ohne Media Player werde zunächst noch fertig getestet und dann ab Januar an PC-Bauer ausgeliefert. Im Handel soll sie ab Februar zu haben sein. Sie werde vermutlich genau so teuer sein wie die Ausführung mit Media Player.

Über eine mögliche Berufung habe man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht entschieden, erklärte Smith weiter. Für den Beschluss werde man sicher keine zwei Monate brauchen, aber etwas Zeit bbenötige man schon.

Vor einem Monat hatten sich zuletzt Novell und der Branchenverband Computer and Communciations Industry Association (CCIA) aus dem europäischen Kartellverfahren zurückgezogen, nachdem sie sich mit Microsoft geeinigt und dafür größere Geldbeträge erhalten hatten. Der Redmonder Konzern hat inzwischen mit vier von fünf der Kläger das Kriegsbeil begraben, der einzig verbliebene namhafte kommerzielle Prozessgegner ist Real Networks.

Das "Wall Street Journal" zitiert eine Microsoft nahestehende Quelle mit der Aussage, das heutige Urteil enthalte zumindest einige Anmerkungen, die auf mögliche erneute Schlichtungsverhandlungen mit der Kommission hoffen ließen. Die Brüsseler Exekutive hatte bisher jedoch erklärt, eine Entscheidung in ihrem Sinne mache weitere Gespräche unwahrscheinlich.

Mark Rosoff, Analyst bei Directions at Microsoft, erwartet keine gravierenden Auswirkungen der Entscheidung auf den Konzern. An dem verordneten "Windows Lite" dürften aus seiner Sicht weder PC-Hersteller noch Verbraucher sonderlich interessiert sein. "Ich erwarte keine große Nachfrage nach PCs ohne Media Player", erklärte der Experte. Die größte Gefahr für Microsoft liege wohl darin, dass das Luxemburger Urteil als Präzedenzfall für künftige Entscheidungen dienen könnte, die Microsoft zwingen, bestimmte Komponenten aus seinem Betriebssystem zu entfernen.

Dem pflichtet auch Mark Ostrau von Fenwick and West bei, der durch das Urteil ebenfalls Microsofts Möglichkeiten beschränkt sieht, beliebig viel Software mit Windows zu bündeln. "Der echte Schlüssel zu Microsofts Erfolg ist seine Fähigkeit zu bundeln", glaubt der Analyst. Wenn das Unternehmen dies nicht mehr könne oder damit jedesmal ein Risiko eingehe, werde sein Stil tatsächlich eingeschränkt. (tc)