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Oracle spürt im Peoplesoft-Prozess Gegenwind

25.06.2004
Wie groß ist die Auswahl an Business-Software für Konzerne? Diese Frage steht im Mittelpunkt des Prozesses, den das US-Justizministerium gegen Oracle führt.

Wie groß ist die Auswahl an Business-Software für Konzerne und wie viele ernstzunehmende Anbieter gibt es überhaupt? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Prozesses, den das US-Justizministerium gegen Oracle führt. Es geht darum, ob dem Softwarekonzern die geplante feindliche Übernahme des ERP-Spezialisten Peoplesoft aus wettbewerbsrechtlichen Gründen verweigert werden soll.

Am gestrigen Donnerstag rief Oracle mit Michael Sternklar einen Manager des Personaldienstleisters Fidelity Employer Services in den Zeugenstand. Mit seiner Hilfe wollten die Softwerker Richter Vaughn Walker beweisen, dass sie es im Wettbewerb nicht nur mit ERP-Spezialisten wie SAP oder Peoplesoft zu tun haben, sondern auch mit IT-Dienstleistern. Von einem Duopol - Oracle und SAP - könne also nach einer Übernahme von Peoplesoft durch Oracle keine Rede sein. Sternklar sagte, Fidelity konkurriere in seinen Ausschreibungen zur Hälfte mit anderen IT-Dienstleistern. In den anderen 50 Prozent der Fällen entscheide sich der Kunde dafür, die IT im Haus zu behalten. Das bedeute allerdings nicht zwangsläufig, dass er nun eine Business-Suite von einem der drei großen ERP-Anbieter kaufe. Auch Softwarealternativen oder proprietäre Eigenentwicklungen kämen in Betracht. Eine Übernahme Peoplesofts durch Oracle würde der Wettbewerbslandschaft nicht schaden, so der

Fidelity-Mann.

Sind Outsourcer Konkurrenten der ERP-Anbieter?

In das gleiche Horn stieß Brian Mearns, Fidelity-Kunde und bei der Bank of America als Manager im Personalbereich tätig. Er beschrieb, wie sich sein Unternehmen entschieden habe, die Personalabteilung im Rahmen eines 22-Millionen-Dollar-Vertrags auszulagern. Mearns Ausführungen sollten darlegen, dass es für den Anwender durchaus Alternativen zum Upgrade der vorhandenen Peoplesoft-Software gab. Die Beweisführung klappte allerdings nicht so recht. Die Klägerseite erklärte, das Problem sei mit der Outsourcing-Entscheidung nur verlagert worden. Mit der eingeschränkten Produktauswahl sei im Falle einer fusionsbedingten Angebotsverknappung der IT-Dienstleister konfrontiert, der die höheren Preise dann an seine Kunden weitergeben müsse.

Oracle berief außerdem Ken Harris in den Zeugenstand, einen ehemaligen CIO der Bekleidungskette GAP. Heute leitet Harris ein auf Unternehmensanwendungen spezialisiertes Beratungshaus namens Retail.In.Genius. Er bestätigte Oracles These, wonach ein großer ERP-Anbieter niemals allein die Kontrolle über die Anwendungslandschaft eines Kunden bekommen könne. Immer gebe es eine Vielzahl kleinerer, hochspezialisierter Häuser, die für bestimmte Aufgaben den Vorzug bekämen. Den Fokus, den diese Anbieter hätten, könnten die Generalisten nicht erreichen.

Harris erregte jedoch das Misstrauen der Gegenseite, weil Oracle ihn für die zwei Monate, in denen er im Prozess zur Verfügung stehen soll, bezahlt hatte. Oracles Rechtsanwalt Dan Wall kommentierte diesen Umstand mit der Aussage, dass der Berater sein laufendes Geschäft wegen des Prozesses für zwei Monate vernachlässigen müsse und deshalb Anspruch auf eine Aufwandsentschädigung habe. Es sei durchaus nicht ungewöhnlich, dass Zeugen in solchen Fällen bezahlt würden.

Microsoft contra Oracle

Bewegung brachten die Aussagen von Microsoft-Manager Orlando Ayala in die Verhandlung. Oracles Behauptung, dass auch Microsoft zunehmend im Konzert der großen ERP-Player mitspiele, der Wettbewerb sich also nicht nur auf die drei Anbieter SAP, Peoplesoft und Oracle beschränke, mochte Ayala nicht bestätigen. Microsoft verfolge das Ziel, kleine und mittlere Unternehmen mit Business-Software zu versorgen. Den Markt für Großkonzerne zu beliefern, entspreche nicht der Konzernstrategie und würde zudem Jahre dauern - auch wenn das nötige Bargeld für einen solchen strategischen Schritt vorhanden sei. Am Tag zuvor hatte bereits Microsoft Senior Vice President Douglas Burgum gesagt, die Gates-Company habe nicht vor, im ERP-Umfeld mit Oracle zu konkurrieren. Es sei schon im mittleren Marktsegment eine große Herausforderung, weltweit mit Business-Software erfolgreich zu sein.

Aus Sicht von Oracle haben Microsoft Aussagen jedoch nicht viel Wert. Bill Gates und Steve Ballmer sind in jedem Fall gegen die Übernahme, weil sie fürchten, dass Oracle Datenbanksysteme in die Kundenbasis von Peoplesoft hineinverkaufen und so das SQL-Server-Geschäft von Microsoft schädigen könnten. Vor Gericht kam heraus, dass Microsoft-Gründer Bill Gates einen Tag nach Bekanntwerden des Übernahmeangebots eine E-Mail an CEO Steve Ballmer sandte, in der er vorschlug, Peoplesoft bei der Abwehr zu helfen. Gates soll sogar empfohlen haben, einen Minderheitsanteil an Peoplesoft zu erwerben, um das Unternehmen so in seiner Unabhängigkeit zu unterstützen. In dieser Zeit hatten sich die Microsoft-Lenker auch überlegt, SAP das in jüngster Zeit vieldiskutierte Kaufangebot zu unterbreiten - alles andere als ein Beleg dafür, dass der Softwaregigant das Geschäft mit Großkunden scheut.

SAP pro Oracle

Schützenhilfe bekommt Oracle indes von SAP. Richard Knowles, bei den Walldorfern für das Nordamerika-Geschäft zuständig, sagte, eine solche Fusion würde den Wettbewerb nicht behindern, sondern - im Gegenteil - verschärfen. SAP sieht demnach Microsoft als zukünftigen Hauptgegner im ERP-Geschäft. Laut Knowles hätte Oracle nach der Peoplesoft-Übernahme in den USA einen Marktanteil von 38 Prozent, SAP läge mit 34 Prozent an zweiter Position. Auch hier wurden zur Beweisführung interne E-Mails und Schreiben von SAP vorgelegt, die belegen sollen, dass der deutsche Anbieter sich in erster Linie wegen Microsofts Aufstieg im Marktsegment der Business-Software sorgt. (hv)