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Mitgründer Bill Joy verlässt Sun

10.09.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Einen herben Image-Verlust erlitt Sun Microsystems gestern durch die Nachricht, dass Chief Scientist Bill Joy (48) nach nunmehr 21 Jahren das Unternehmen verlässt, um andere Interessen zu verfolgen. Joy gehörte zu den ursprünglichen Gründern der 1982 als Stanford University Network Microsystems aus der Taufe gehobenen Firma. Seine Aufgaben fallen an Chief Technology Officer (CTO) Greg Papadopoulos, der nun ein reichlich großes Paar Schuhe auszufüllen hat.

Mit dem Tagesgeschäft bei Sun hatte Joy schon seit geraumer Zeit nichts mehr zu tun. Er residiert seit 1991 im Wintersportort Aspen in Colorado und arbeitete dort mit einem Team von 30 bis 100 Kollegen an Technikprojekten. Schon vor seiner Zeit bei Sun beweis der Vordenker seine außerordentlichen Fähigkeiten. An der University of California at Berkeley entwarf er das Unix-Derivat Berkeley Systems Design (BSD), das heute noch die Grundlage kommerzieller und freier Betriebssysteme bildet.

Bei Sun, wo nun mit CEO (Chief Executive Officer) Scott McNealy nur noch einer der Gründer an Bord ist, zeichnete Joy unter anderem für das Network File System (NFS) sowie die Weiterentwicklung der Sparc-Architektur und der Softwareprojekte Java, Jini und Jxta verantwortlich. Er beschäftigt sich aber darüber hinaus auch in eher philosophischer Manier mit Technikfolgenabschätzung. Aufsehen erregte er beispielsweise vor einiger Zeit mit dem in "Wired" erscheinen Essay "Why The Future Doesn't Need Us". Darin warnt er, die Menschheit sei durch den Fortschritt in den Bereichen Robotik, Genmanipulation und Nanotechnologie bedroht, wenn sie bei Entwicklung und Nutzung dieser Techniken nicht umsichtig zu Werke gehe.

Konkrete Zukunftspläne hat Joy offenbar noch nicht. Er erklärte in einem Interview: "Es gibt nie den richtigen Zeitpunkt zu gehen", er habe aber das Gefühl, Sun sei "auf dem Wege der Besserung". Künftig wolle er mit einer kleineren Gruppe von sechs bis acht Entwicklern zusammenarbeiten und habe auch bereits mit dem Venture-Kapitalisten John Doerr von Kleiner Perkins Caulfield & Byers über eine mögliche Beteiligung gesprochen. Laut "Wall Street Journal" kann sich Joy allerdings auch vorstellen, wieder für ein etabliertes Unternehmen wie Google oder Intel und AMD zu arbeiten. "Ich schließe keine schnelle Entscheidung aus, wenn mit etwas Spektakuläres über den Weg läuft", so der Sun-Veteran. (tc)