IBM stellt erste Nextgen-Module vor

13.02.2003
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Wolfgang Sommergut ist Betreiber der Online-Publikation WindowsPro.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nachdem die IBM 2002 eine auf Java und DB2 basierende Groupware ankündigte, stellte sie auf der Lotusphere die ersten Anwendungen vor. Gleichzeitig soll auch Notes/Domino weiterentwickelt werden. Diverse Brückentechnologien sollen Anwender zum Umstieg auf die neue Plattform ermuntern.

Die IBM sieht in der Umstellung von Notes/Domino auf die neue Java/DB2-Groupware (Codename „Nextgen“) eine Reihe von Vorteilen. Zum einen sollen kostspielige Doppelentwicklungen bei Middleware entfallen, weil die Infrastruktur von Websphere genutzt werden kann. Beispielsweise zählt dazu Cluster-Support, der bisher in Domino separat implementiert werden musste. Zum anderen investiert die IBM erheblichen Aufwand in ihr Datenbank-Flaggschiff DB2 und möchte daher nicht parallel dazu großen Aufwand für das „Notes Storage Facility“ (NSF) treiben. Ähnlich liegt der Fall bei Entwicklungswerkzeugen, wo die Armonker mit „Websphere Studio“ eine moderne Java-IDE vorweisen können und daher sicher nicht gerne Geld ausgeben, um den etwas angestaubten „Domino Designer“ aufzupolieren.

Zwang zur Doppelstrategie

Vor allem aber möchten die IBM-Verantwortlichen mit dem Wechsel zu Java von einer großen Entwicklergemeinde profitieren. Nicht zuletzt setzt Big Blue auf das Konzept der „Contextual Collaboration“, das Teamfunktionen im Rahmen von Business-Anwendungen bieten soll. Dafür eignet sich ein komponentenbasierender Ansatz à la Nextgen besser als eine Client-Server-Anwendung vom Typ Notes/ Domino.

Bis die IBM die Vorteile von Nextgen genießen kann, dürften allerdings noch einige Jahre vergehen. Die Anwendungen für die neue Plattform müssen großteils erst noch entwickelt werden, ferner kann die Firma Investitionen in Notes wegen der großen installierten Basis nicht einfach einstellen. Deshalb fährt die IBM offiziell eine Doppelstrategie, die neben Nextgen eine zeitlich unbegrenzte Unterstützung für Notes/Domino in Aussicht stellt.

Auf der Lotusphere 2003 standen deshalb Produktfahrpläne für die neue Architektur und für Notes/Domino auf dem Programm. Neben dem E-Learning-System „IBM Learning Management System“, das als Nachfolger für das Domino-basierende „Learning Space“ gilt, zählt ein neuer Mail-Server zu den ersten Nextgen-Anwendungen. Dieser firmiert unter dem Codenamen „Nextgen Mail“, kommt im zweiten Quartal 2003 auf den Markt und soll Notes/Domino im unteren Segment ergänzen. Nach offizieller Lesart möchte IBM damit Benutzergruppen ansprechen, die bisher von E-Mail ausgeschlossen waren. Dazu zählen besonders Beschäftigte ohne eigenen Schreibtischarbeitsplatz.

Für sie sei Notes zu komplex und zu teuer, das neue System fällt einfacher und billiger aus. Nach bisherigen Informationen ist unklar, ob Nextgen Mail als „reine Web-Lösung“ ausgelegt ist oder auch die Standardprotokolle SMTP und POP 3 unterstützt. Jedenfalls akzeptiert es als Benutzerverzeichnis beliebige LDAP-konforme Directories, so dass Notes-Anwender MailKonten für beide System zentral im Namens- und Adressbuch pflegen können.

Ob Nextgen Mail auf Dauer der kleine Bruder von Domino bleiben wird, darf aus guten Gründen angezweifelt werden. Mail und Instant-Messaging gelten als das Kommunikations-Rückgrat von Collaboration-Software - und eine solche soll vollständig im Rahmen von Nextgen entstehen. So ergänzt die IBM den neuen Mail-Server voraussichtlich im dritten Quartal 2003 um eine Kalenderkomponente.

Die meisten Anwender dürften zudem nur wenig Interesse daran haben, zwei Mail-Systeme nebeneinander zu unterhalten. Dies sorgt für zusätzlichen Aufwand, etwa wenn Mitarbeiter die Abteilung wechseln und deren Mails von Nextgen auf Domino migriert werden müssen. Neben diesen Ungereimtheiten zeigt auch ein Blick auf die anderen großen Messaging-Anbieter, dass die für IBMs Nextgen gewählte Architektur keineswegs auf einfache Dienste beschränkt ist. Die Konkurrenz setzt auf ähnliche Technologien wie Big Blue und bietet damit Systeme an, die Notes/Domino in puncto Skalierbarkeit teilweise deutlich übertreffen.

Die Vorteile der Konkurrenz

So basiert Oracles bereits verfügbare „Collaboration Suite“, die auch ein Mail-System umfasst, auf der hauseigenen objektrelationalen Datenbank und dem J2EE-Server „9i AS“. Sun nutzt für sein Messaging-System zwar eine proprietäre Datenbank, baut zur Programmierung für das Collaboration-Portfolio in Sun ONE aber durchgängig auf Java. Hauptkonkurrent Microsoft will in einer zukünftigen Version von „Exchange“ unter dem Codenamen „Kodiak“ die bisher genutzte „Jet“-Datenbank durch die bevorstehende Version des „SQL Server“ (Codename „Yukon“) ersetzen.