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Handys gegen Systemtechnik: Siemens prüft Tauschgeschäft mit Motorola

01.10.2002

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der Elektronikkonzern Siemens erwägt offenbar den Ausstieg aus dem Geschäft mit Mobiltelefonen. Das Unternehmen soll sich in diesem Zusammenhang bereits mit dem US-Konkurrenten Motorola im Wesentlichen über einen Tausch geeinigt haben, berichtet die "Financial Times Deutschland" unter Berufung auf unternehmensnahe Kreise. Demnach werde Motorola die Mobiltelefone von Siemens übernehmen, im Gegenzug erhalten die Münchner von den Amerikanern deren defizitäre Mobilfunknetzsparte.

Hintergrund des Deals ist unter anderem die schlechte Absatzentwicklung der Handy-Sparte von Siemens. Bereichsvorstand Volker Jung hatte noch im März auf die stabile Position seines Konzerns als drittgrößter Anbieter von Mobiltelefonen weltweit hingewiesen. Kurze Zeit später wurde der Topmanager von der Realität eingeholt: Nach Untersuchungen von Marktforschern war es Samsung im ersten Quartal erstmals gelungen, die Münchner bei den Stückzahlen zu überholen. Im zweiten Quartal rückte Siemens laut Gartner Dataquest zwar wieder etwas auf, lag jedoch mit einem Marktanteil von 8,4 Prozent weiter hinter den Südkoreanern (9,5 Prozent) (Computerwoche online berichtete) Motorola hielt einen Marktanteil von 15,7 Prozent weit abgeschlagen hinter dem Branchenprimus Nokia mit 35,6 Prozent.

In Europa verbuchte Siemens dagegen laut jüngsten Zahlen einen Marktanteil von 15,6 Prozent und lag damit auf Platz zwei hinter den Finnen (48,3 Prozent), Motorola wiederum wurde erstmals von Samsung eingeholt, die beiden Anbieter rangieren gemeinsam mit 8,1 Prozent auf Platz drei. Bei einer Übernahme brächte es der US-Konzern auf 24,1 Prozent des weltweiten Handy-Markts und könnte Nokia damit ein Stück näher rücken. Der Marktanteil in Europa würde sich auf 23,7 Prozent belaufen. Bereits jetzt kooperieren Siemens und Motorola bei der Fertigung von UMTS-Handys. Dabei bauen die Amerikaner zwei Jahre lang die kompletten Geräte; Unterschiede zu den Siemens-Handys gibt es nur beim Design und dem Firmenlogo.

Siemens wiederum würde bei einer Übernahme der Mobilfunknetzsparte von Motorola zur Nummer zwei hinter Marktführer Ericsson aufsteigen. Gleichzeitig erhält Siemens die CDMA-Technik (Code Division Multiple Access) des Konzerns und damit einen Zugang zu den wichtigen Märkten USA und China. Da der Bereich Verluste schreibt - im ersten Halbjahr hat sich das Defizit auf 525 Millionen Dollar nahezu vervierfacht - sollen die Deutschen bei dem Tauschgeschäft noch einen Aufschlag von Motorola gefordert haben. Die Amerikaner hätten hingegen verlangt, weiterhin ihnen wichtigen Kunden Nextel mit Systemtechnik beliefern zu dürfen, berichtet das Internet-Portal Chicagobusiness.com. (mb)