CW@HOME: Die große Angst der Apotheken

10.06.2002
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der Versand von Medikamenten ist ein heißes Eisen. Offiziell wehren sich die Platzhirsche gegen Online-Wettbewerber, denn traditionelle Strukturen und Pfründe der Branche sind bedroht. Auf der anderen Seite treten auch die Apotheken im Web auf, um vom Zukunftsmarkt zu profitieren.

Die Fronten in dem Grabenkrieg zwischen den Befürwortern und Gegnern des Direktvertriebs von Medikamenten sind inzwischen verhärtet, und jede Seite fährt schwere Geschütze auf. Während die traditionellen Bewahrer der Volksgesundheit die Arzneimittelsicherheit gefährdet sehen, hoffen die Versender, mittels Internet in einen über Jahrzehnte abgeschotteten Markt eindringen zu können. Rund 28 Milliarden Euro wurden vergangenes Jahr in Deutschland von den insgesamt 21.500 stationären Apotheken umgesetzt, davon resultierten 21 Milliarden Euro aus Arzneimitteln, Tendenz steigend.

Foto: ABDA

Achtung: Wettbewerb!

Natürlich spricht sich die überwiegende Mehrzahl der Apotheker gegen die Freigabe des Versandhandels aus, denn sie wären die ersten, denen der raue Wind des Wettbewerbs ins Gesicht blasen würde. Dieser führt zur Konsolidierung in einem Markt, in dem Apotheken-Ketten bislang verboten sind. Als Folge daraus sei die Arzneimittel-Versorgung nicht mehr flächendeckend gesichert, heißt es; zudem würden die Preise der Pharmazeutika „wahrscheinlich“ steigen. Außerdem werde dann der Nachtdienst abgeschafft.

Mit den Argumenten richtet sich die ABDA, die Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände, gegen Versandhändler wie die Schweizer Firma Mediservice oder den niederländischen Anbieter Docmorris, die beide aus dem grenznahen Bereich in den deutschen Markt einzudringen versuchen. Zitiert werden Studien (etwa der Verbraucherzentrale Thüringen), nach denen 82 Prozent der Befragten gegen die Bestellung von Arzneimitteln im Internet sind.

Gleichzeitig haben die Apotheker jedoch begonnen, den Medikamentenvertrieb in die eigenen Hände zu nehmen - so schlecht kann das Internet dann doch nicht sein. Unter Aponet.de können Versehrte ihre Dosis Valium per Mausklick in der Apotheke ihrer Wahl vorbestellen. Zudem schlug die Lobby beim „Runden Tisch“ mit Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt vor, in speziellen Fällen die Medikamente durch „pharmazeutisch qualifiziertes Botenpersonal“ auszuliefern. Das klingt irgendwie verdächtig nach Online-Vertrieb.

Links

Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände

Aponet.de

Bundesverband deutscher Versandapotheken

DocMorris

Initiative Pro Apotheke

Mediservice

Initiative für den Arzneimittelversandhandel

Der „Runde Tisch“ sprach nicht zuletzt auf Druck der Krankenkassen die Empfehlung aus, den elektronischen Handel in die Arzneimittelversorgung einzubeziehen. Allerdings hat dieser Vorsatz vor der Bundestagswahl nur einen geringen politischen Wert. Auch lassen sich die grundlegenden Probleme des Gesundheitswesens nicht mittels Online-Apotheken im Handstreich lösen. Der Versuch, verkrustete Strukturen aufzubrechen, hat indes noch niemandem geschadet - es sei denn, man ist selbst Teil der Struktur.