Verzögerungen bei Intel-Prozessorproduktion

50 Megahertz beim 486-Chip erst Mitte kommenden Jahres

12.10.1990

LONDON (CW) - Vor einem Jahr kündigte die Intel Corp. auf der SCO-Entwicklerkonferenz an, sie werde ab Ende 1990 eine 50-Megahertz--Version des 486-Prozessors produzieren können. Nach neuesten Informationen scheinen die Kalifornier von diesem Ziel weit entfernt.

Nach zwei unterschiedlichen Informationsquellen ist Intel erst Mitte kommenden Jahres in der Lage, die leistungsstärkste Variante ihrer aktuellsten CPU in Stückzahlen überhaupt ankündigen zu können. Diese Information rückt Versprechen von Unternehmen wie NCR in ein anderes Licht, die jetzt schon für Ende des zweiten Quartals Rechner (hier das Modell 3450 aus der System-3000-Familie) verfügbar haben wollen, welche diesen Intelprozessor benutzen.

Einer der Informanten kommt aus dem Management eines Unternehmens, das Co-Prozessoren für die Intel-CPUs herstellt. Seine Erwartung: "Intel wird mit Sicherheit erst Mitte des kommenden Jahres eine 50-Megahertz-Version des 486 Chips ankündigen." Er betonte, Bedarf für diese CPU bestünde bei seinen Kunden durchaus.

Der Experte wandte sich auch gegen die Äußerung von David House auf der SCO-Tagung, man werde eine 40-Megahertz-Version des PC-Prozessors präsentieren. Diese Aussage des Senior Vice President bei Intel sei - unter kommerziellen Gesichtspunkten betrachtet - als nicht sehr wahrscheinlich einzuschätzen. Eine solche CPU würde gegenüber dem momentan stärksten 486-Chip keine echte

Leistungssteigerung bringen und deshalb kaum Nachfrage generieren. Für die 50-Megahertz-Version hingegen erwarten Fachleute eine Rechenleistung von 30 VAX-MIPS.

Die andere Informationsquelle - ein Ingenieur bei einem der größten System-Supplier-Kunden Intels - bemerkte zudem kritisch, es sei nicht damit getan, nur Prozessoren in Rechnern auszuwechseln. "Natürlich gibt es genügend Anwender, die nach CPUs mit höherer Taktrate verlangen. Aber man muß in diesem Zusammenhang das komplette Systemdesign bedenken. "Cache-Controller etwa, die die 50 Megahertz Taktrate der CPU unterstützten, seien erst noch zu entwickeln.

Zweifel äußert auch Alan Howard. Der Direktor des Ausbildungs- und Support-Unternehmens Help Desk denkt vor allem an Netzwerk-Anwendungen. Nicht nur für die Effizienz beispielsweise von Business-Anwendungen sei die Taktrate kein entscheidender Faktor. Man müsse vielmehr bedenken, daß auch für PC-Netze das Gesetz des schwächsten Gliedes gelte. "ln Netzwerken können alle nur so schnell rechnen, wie es die langsamste Maschine im Rechnerverbund zuläßt." Flaschenhälse bei extrem leistungsstarken PCs seien so oft unvermeidbar.

Howard teilte außerdem noch eine interessante Erfahrung mit, die sein Unternehmen bei Anwendern von Vernetzungen gemacht habe: Solche Benutzer, die ihre PC-Konglomerate auf Basis neuer, leistungsstarker 486-Maschinen betrieben, hätten mit erheblich mehr Problemen zu kämpfen, als dies in der Einführungszeit der 386-Prozessoren der Fall war. Howards Erklärung: "Ich glaube, man konzentriert sich zu sehr auf die Diskussion um den Sinn höchster Taktraten. Kaum einem scheint bewußt zu sein, daß beim 486-Chip der im EPROM aufgebrachte Code noch nicht stabil ist." Howard macht allerdings die PC-Hersteller verantwortlich für auftretende Schwierigkeiten: Sie würden die gleichen Mutterplatinen für 486-Rechner wie für ihre 386-Pendants verwenden. Mit der extremen Erhöhung der Taktrate müsse nun aber auch die Bus-Architektur mithalten und dies führe in der Regel zu Problemen.