Fetter IT-Trainingsmarkt

5,56 Milliarden Euro für IT-Seminare

06.10.2014
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Auf fast 5,6 Milliarden Euro beziffert eine aktuelle Studie der Uni Kassel im Auftrag von New Horizons den Markt für Standardsoftware-Trainings in Deutschland, die der COMPUTERWOCHE in Auszügen exklusiv vorliegt.

Lange ist es her, dass sich ein Institut oder Analysten an den IT-Trainingsmarkt heranwagten. Viel zu heterogen, viel zu viele kleine Anbieter, viel zu schwierig sei eine valide Untersuchung - hieß es immer wieder. Nun haben die Wirtschaftsinformatiker der Universität Kassel den Versuch unternommen, diesen Markt unter die Lupe zu nehmen. Sie taten es im Auftrag des Trainingsanbieters New Horizons aus Hamburg und dessen deutschem Inhaber Stephan Scholtissek, früher in der IT-Szene etwas bekannter als Accenture-Geschäftsführer und Buchautor. Scholtissek hatte es schon seit Jahren gewurmt, dass keine Zahlen über diesen Markt auffindbar waren. Nun wollte er selbst Gewissheit darüber haben, was Unternehmen für die IT-Weiterbildung ihrer Mitarbeiter ausgeben.

New Horizons-Inhaber Stephan Scholtissek: "Obwohl landauf, landab vom Fachkräftemangel in der IT-Industrie gesprochen wird, hat sich der Staat aus der IT-Weiterbildung praktisch zurückgezogen."
New Horizons-Inhaber Stephan Scholtissek: "Obwohl landauf, landab vom Fachkräftemangel in der IT-Industrie gesprochen wird, hat sich der Staat aus der IT-Weiterbildung praktisch zurückgezogen."
Foto: Privat

Kleine Mittelständler geben 5000 Euro für IT-Schulungen aus

An der Studie, geleitet vom Kasseler Wissenschaftler Philipp Bitzer, beteiligten sich 127 Trainings-Budget-Verantwortliche, die angeben sollten, wieviel sie im Jahr für standardisierte IT-Schulungen - etwa SAP-, Microsoft- oder Cisco-Kurse ausgeben, und Trainingsteilnehmer. Nun: Die erste Zahl, die wie ein Paukenschlag wirkt, besagt, dass der deutsche IT-Seminarmarkt ein Volumen von 5,57 Milliarden Euro hat. Wobei damit nur die Ausgaben der Firmen für externes Training berücksichtigt sind, wie Bitzer versichert - also keine sogenannten Opportunitätskosten wie Arbeitsausfall, Reise- und Übernachtungskosten oder interne Maßnahmen. Ebenfalls nicht berücksichtigt wurden die Kleinstfirmen, die weniger als 250.000 Euro im Jahr umsetzen, und von denen es um die 2,6 Millionen in Deutschland geben soll. Laut Studie geben mittelständische Firmen bis zwei Millionen Euro Umsatz 5000 Euro für IT-Schulungen im Jahr aus, in Konzernen mit über 50 Millionen Umsatz sind es 200.000 Euro.

Laut einer Studie im Auftrag des Trainingsanbieters New Horizons hat der deutsche IT-Seminarmarkt ein Volumen von satten 5,57 Milliarden Euro.
Laut einer Studie im Auftrag des Trainingsanbieters New Horizons hat der deutsche IT-Seminarmarkt ein Volumen von satten 5,57 Milliarden Euro.
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Eruiert wurde auch, wie stark sich der Staat in der IT-Weiterbildung engagiert. Gemeint sind in erster Linie die Umschulungskurse für Arbeitslose, die in die IT-Welt einsteigen wollen - früher ein riesiger Markt, der Generationen von arbeitslosen Akademikern zu einem lukrativen Job verhalf. Gerade mal 17.000 Bildungsgutscheine - so die Statistik der Bundesagentur für Arbeit aus dem Bericht "Arbeitsmarkt in Zahlen - Förderstatistik" - wurden im vorigen Jahr deutschlandweit an ITK-Umschüler verteilt. (Nachdem die Agentur die Fördervoraussetzungen festgestellt hat, erhält der Umschüler so einen Schein im Wert der Bildungsmaßnahme). Setze man konservativ 4000 Euro pro Gutschein an, ergebe dies ein Marktvolumen von 68 Millionen Euro.

Scholtisseks verwunderter Kommentar zu diesen beiden Zahlen: "Obwohl landauf, landab vom Fachkräftemangel in der IT-Industrie gesprochen wird, hat sich der Staat aus dieser Förderung praktisch zurückgezogen." Mit mehr als 98 Prozent stelle die Privatwirtschaft die Hauptlast der IT-Weiterbildung. Denn selbst im sogenannten Business- to- Public-Geschäft, also wenn öffentliche Verwaltungen Mitarbeiter zu IT-Seminaren von privatwirtschaftlich organisierten Firmen schicken, laufe so gut wie nichts. "Ich hatte gehofft, dass auf den Staat wenigstens zehn Prozent Marktvolumen entfällt", kommentiert der Hamburger Geschäftsführer.

Kriterien für Seminarauswahl

Befragt wurden die Teilnehmer, nach welchen Kriterien sie einen Anbieter auswählen. Als erstes nannten sie die "Nachhaltigkeit des Trainingserfolgs", gefolgt vom Preis und dem guten Ruf des Trainers beziehungsweise des Anbieters. Unwichtig dagegen und am Ende der Rangliste sind Aussagen wie "Das Training war über einen Webshop buchbar" oder "zusätzliche Anreize durch Ausgestaltung des Trainings".

Die deutsche Wirtschaft ist konservativ, aber es gibt Hoffnung, dass sie auch in der Bildung neuen Technologien aufgeschlossener werden. So lassen sich weitere Ergebnisse zusammenfassen. Auf die Frage nämlich, was für Trainingsformen die Arbeitgeber in den letzten beiden Jahren gebucht oder selbst mitgemacht haben , rangiert unangefochten mit 112 Nennungen das Klassenraumtraining an erster Stelle, 53 Befragte haben ihren Beschäftigte einen reinen E-Learning-Kurs angeboten und schon 30 haben bereits ein Blended-Learning-Angebot angenommen (also den Mix aus E-Learning und Klassenraumtraining). Der Trend zum "intelligenten Sparen", wie es Scholtissek formuliert, führe eindeutig dazu, dass die Unternehmen verstärkt auf Technologieunterstützung im IT-Training setzten. Virtuelles und stark individualisiertes IT-unterstütztes Lernen werde sicherlich in der neuen Generation der Arbeitnehmer, die eine flexible Arbeitswelt einfordert, zu einem Muss.