Intelligente Subsysteme entlasten die zentrale CPU

3D-Grafik erweitert die Einsatzmöglichkeiten von PCs

15.11.1991

Grafische Subsysteme entwickeln sich mehr und mehr zum Renner der Computerbranche. Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, daß von Anwenderseite immer höhere Anforderungen an die grafische Leistungsfähigkeit von Computern gestellt werden. Im Bereich der CAD-Systeme sind Forderungen nach dreidimensionalen Darstellungsmöglichkeiten heute schon beinahe selbstverständlich.

Bei den derzeit angebotenen Grafikboards ist die 3D-Tauglichkeit allerdings noch kein alltägliches Feature. Ein Großteil der momentan marktüblichen Karten verfügt lediglich über Softwaretreiber, die eine 2D-Grafik bestenfalls eine 2,5D-Grafik, ermöglichen. Im Klartext heißt das, die Konstruktionen werden auf dem Bildschirm weiterhin nur zweidimensional dargestellt. Durch eine perspektivische Zeichnungsweise, die wohl jeder aus dein Geometrieunterricht kennt, und die Intelligenz des Menschen wird daraus eine "Quasi-3D-Darstellung". Den 3D-Effekt erzeugt in diesem Fall also nicht das Grafiksubsystem, sondern die menschliche Intelligenz.

3D-Visualisierung: Ein neues Konzept

Einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten die mitterweile von einigen Herstellern angebotenen "intelligenten Grafiksubsysteme". Diese sind allerdings nicht so neu wie es den Anschein haben könnte. Bereits Mitte der achtziger Jahre machten sich die Vertreter verschiedener Workstationhersteller Gedanken über nette Möglichkeiten der grafischen Darstellung auf ihren vor allem im technisch-wissenschaftlichen Bereich eingesetzten Computer. Die entsprechenden Forderungen wurden denn auch zum Großteil von Forschungseinrichtungen formuliert, die neue Wege im Bereich der Simulation gelten wollten. Pionierarbeit leisteten in diesem Zusammenhang die Entwicklungsingenieure von Firmen wie Silicon Graphics oder Stella und Ardent (die heute unter dem Namen Stardent firmieren).

Am Ende dieses Denkprozesses standen die ersten auf Hochleistungsgrafik getrimmten Workstations. Die Preise, die für einen solchen Rechner gezahlt werden mußten, ließen sich allerdings nur mit den enorm teureren Regenzeiten an Großrechnern rechtfertigen, mit denen die Simulationen durchgeführt wurden, die anschließend mit den Grafikworkstations lediglich grafisch aufbereitet wurden. Richtungsweisend an den neuen Maschinen war und ist die völlig neue Art der Darstellung.

Das Revolutionäre daran ist, daß darzustellende Punkte nicht mehr als "Device-Koordinaten", sondern als Punkte in einem dreidimensionalen Koordinatensystem definiert werden. Durch diesen Kunstgriff müssen komplexe Körper auch dann nur einmal berechnet werden, wenn sie aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Denn anders als bei der Darstellung durch "Device-Koordinaten" kann nun die Position des Beobachtest verändert werden. Das konstruierte Modell allerdings bleibt unverändert.

Und noch etwas änderten die Entwicklungsingenieure grundlegend: Das für eine neue Darstellung erforderliche Umrechnen verschiedener Koordinaten wird nicht mehr von der Applikationssoftware, sondern vom intelligenten Grafiksubsystem übernommen was die CPU des Rechners erheblich entlastet. Hierdurch ist der Kunde in der Lage, am System weiterzuarbeiten während das Grafiksubsystem an einer neuen Darstellungsform arbeitet. Wenn man so will, ist damit ein "Paralleprocessing im Kleinen" möglich (Siehe auch Kasten: "Grafiksubsysteme entlasten den Host-Rechner").

Mit der Markteinführung der Hochleistungs-Grafikworkstations ließen sich also völlig neue Aspekte der Computergrafik realisieren. Es lag nahe, daß auch die Hersteller von PCs von ihren Kunden auf, die neuen Features angesprochen wurden. Zunächst zeichneten sich die Grafiksubsysteme der Workstations jedoch nicht nur durch ihre hohe Performance, sondern auch durch ihren hohen Preis aus. Erst spezielle Grafikprozessoren wie Intels i860 machten leistungsfähige Subsysteme auch preislich interessant. Firmen wie SPEA setzen fortan auf den RISC-Prozessor, um mit ihm und um ihn Grafikkarten für den PC zu entwickeln. Man befindet sich damit in der guten Gesellschaft einiger Workstationhersteller, die den i860 inzwischen ebenfalls für ihre Grafiksubsysteme nutzen.

Was allerdings zunächst noch fehlte, waren die entsprechenden Applikationen. Denn was nutzt das beste Board, wenn es an keine Software angepaßt ist? Doch die Softwarehersteller verhielten sich zunächst abwartend. Nach Abwägen aller Vor- und Nachteile kamen viele zu dem Schluß, nicht um jeden Preis übergangslos von 2D- auf 3D-Grafik zu springen. Auch die meisten Anwender wollten ihre inzwischen etablierten 2D-Programme nicht gleich völlig aufgeben.

Am Ende stand und steht wie so oft ein Zwischenschritt auf dem Weg zum angepeilten Ziel. Das Gros der Softwarehersteller bietet heute Pakete an, deren 2D-Funktionen erhalten blieben, die aber um die Möglichkeit der 3D-Darstellung erweitert wurden. Für die Boardhersteller stellt sich damit die Aufgabe, beide Darstellungsmöglichkeiten durch entsprechende Treibersoftware zu unterstützen. Die Software-Entwickler von SPEA erweiterten beispielsweise sehr früh ihre 2D-Treiberbibliothek uni Features für die dreidimensionale Darstellung. Aufwärtskompatibilität heißt das Zauberwort. Neue 3D-Funktionen erschließen ohne die liebgewonnenen 2D-Features zu vernachlässigen. Aus heutiger Sicht war diese Strategie sicherlich eine der Grundvoraussetzungen für den nachhaltigen Erfolg des Starnberger Unternehmens. Zunächst hatten die Software-Ingenieure mit der Grafikschnittstelle von Workstationhersteller Silicon Graphics experimentiert. Doch diese erwies sich für die Produzenten von PC-Software als völlig überdimensioniert.

Eine Erfolgsgarantie kann allerdings auch der langsame Übergang von 2D- auf 3D-Applikationen nicht bieten. Es müssen auch noch andere Forderungen erfüllt sein. So sollte beispielsweise jeder neue Standard aus dem Bereich der Benutzeroberflächen in das Grafiksubsystem integrierbar sein. Das gilt momentan wohl vor allem für X-Windows im Unix- und für Microsoft-Windows im PC-Bereich. Dabei bewirkt die Integration von X-Windows zur Zeit weniger Probleme. Mit PHIGS hat sich hier bereits ein Grafikinterface als Standard etabliert, was bei MS-Windows leider noch nicht der Fall ist. Dennoch wird Windows von nahezu allen Herstellern von CAD-Software als die kommende Standard-Benutzerschnittstelle auf dem PC angesehen.

Für die Hersteller von Grafikkarten ist es also notwendig (auch diesen Quasi-Standard in zukünftige Entwicklungen einzubeziehen. Die SPEA-Entwickler haben begonnen, ihr 3D-Konzept unter der Unix-Benutzeroberfläche X-Windows auch in MS-Windows zu integrieren. Die Arbeiten sind zwar noch nicht abgeschlossen, aber die Entwicklungsabteilung weiß sich auf dem richtigen Weg.

Keine Angst vor den Workstations

Eine weitere Forderung an ein erfolgreiches Grafiksubsystem ist die leichte Durchschaubarkeit für den Programmierer der Anwendungssoftware. Was nutzt das technologisch noch so fortschrittliche Board, wenn es sich nicht programmieren läßt? Für die Software-Entwickler in den Labors der CAD-Firmen ist es wichtig, ihre Software möglichst einfach an das jeweilige Subsystem anpassen zu können. Darin sollte auch das Interesse der Boardhersteller liegen. Nur so sind sie in der Lage, ein Board für möglichst viele Applikationen anbieten zu können, das dann natürlich auch auf eine wesentlich höhere Akzeptanz beim Kunden trifft.

Ein lukrativer Markt tut sich für die Anbieter von Grafiksubsystemen für PC allemal auf. Wer sich im Hochleistungsbereich bewegt, also vor allem Kunden aus den diversen CAD-Bereichen bedient, kann wohl in der nächsten Zeit mit verstärkter Nachfrage aus Sparten rechnen, die bisher noch kaum erschlossen sind. An erster Stelle dürften dabei Architekturbüros stehen. Machen es die neuen Grafikboard, gepaart mit der entsprechenden Software, doch für den Architekten möglich, seinem Klienten bereits kurz nach Erhalt eines Auftrags dessen neues Eigenheim in einer photorealistischen Darstellung auf dem Monitor des Computers zu zeigen. Angst vor den immer billiger werdenden Workstations braucht wohl niemand zu haben.

Entscheidend für den Kauf einer Hardwareplattform ist in den meisten Fällen immer noch der Preis der Software. Und hier haben die Anbieter von CAD-Software für den PC wohl auch in absehbarer Zeit noch die Nase vorn.