Verstärktes Engagement bei Breitband-Zugangstechnologien

3Com sucht weiter nach Auswegen aus der Krise

16.04.1999
Mit Janice Roberts, Senior Vice-President Marketing und Business Development bei 3Com, sprach CW-Redakteur Martin Seiler

CW: Vor zwei Jahren sorgte 3Coms Übernahme von U.S. Robotics für Aufsehen. Sie zeigten sich damals zuversichtlich, Cisco von der Spitzenposition im Bereich Netzwerke verdrängen zu können. Wieso wurde daraus nichts?

ROBERTS: Einer der Gründe liegt darin, daß der Markt und die Regeln sich inzwischen geändert haben. Bei den Unternehmensnetzen sind wir nach wie vor Nummer zwei hinter Cisco. Uns unterscheidet vor allem die Herangehensweise: Was den Randbereich der Netze, also die Workgroups, angeht, haben wir die Nase vorn. Im Kernbereich der Unternehmen ist die Situation hingegen genau umgekehrt. In puncto Weitverkehrsnetze wiederum liegt unsere Stärke vor allem im Zugangsbereich, während Cisco die zentralen WANs dominiert.

CW: Das klingt nach einem verträglichen Nebeneinander.

ROBERTS: Genau darum handelt es sich in gewisser Weise auch. Wir kennen uns bei Workgroups in Unternehmen sowie bei kleinen und mittleren Firmen aus. Und wir vernetzen Heimanwender, bieten ihnen Breitband-Zugangstechniken und Home Networking - dieser entstehende Markt gewinnt für uns an Bedeutung. In dieser Nische haben wir einen Vorsprung vor Cisco.

CW: Reicht das aus?

ROBERTS: Nein, wir haben zudem unsere Position in puncto mobiler Netzzugriff gefestigt. Unsere PC-Karten verkaufen sich sehr gut, auch das OEM-Geschäft mit PCs kann sich sehen lassen. Und dann haben wir noch das Palm Computing, das eine völlig neue Art der mobilen Anbindung darstellt. All diese Faktoren tragen zur Verstärkung unserer Position im Zugangsbereich bei. Daneben konzentriert sich 3Com auf Converged Networking, Voice over IP und LAN-Telefonie.

CW: Ist 3Com nicht etwas spät auf den Konvergenz-Zug aufgesprungen?

ROBERTS: Das sehe ich anders, wir waren sogar einer der ersten Hersteller, die diese Idee vertraten.

CW: Vielleicht haben Sie diese Botschaft Ihren Kunden nicht richtig vermitteln können?

ROBERTS: Wir haben unsere Aktivitäten recht früh auf das Verschmelzen der Sprach- und Datennetze ausgerichtet. Und das nicht nur allein, sondern auch gemeinsam mit Herstellern wie Siemens oder Microsoft. Mit beiden verbinden uns gerade in dieser Hinsicht umfassende Kooperationsvereinbarungen.

CW: Sind Partnerschaften ausreichend, um schnell und adäquat auf die Herausforderungen dieses relativ neuen und sich noch immer verändernden Marktes reagieren zu können?

ROBERTS: Jedes Unternehmen muß für sich entscheiden, welcher Weg der beste ist. Siemens und 3Com sind zu dem Entschluß gekommen, eine Allianz auszuprobieren. Es ist nicht unbedingt besser, seinen Weg alleine zu gehen - gemeinsam mit Partnern können wir jedoch sehr effektiv sein.

Wir versuchen die für den Erfolg am Markt notwendige Dynamik über Kooperationen zu gewinnen, um uns die Last eines Mergers zu ersparen.

CW: Sie sprechen aus Erfahrung...

ROBERTS: Richtig. Die Zeit nach der Akquisition von U.S. Robotics war sehr schwierig für 3Com. Erst jetzt können wir die Vorteile dieses Zusammenschlusses nutzen.

CW: Die Situation hat sich inzwischen geändert: Heute müssen 3Com-Manager öffentlich betonen, das Unternehmen wolle sich nicht kaufen lassen. Böse Zungen behaupten aber, das beabsichtige sowieso niemand...

ROBERTS: Wieso nicht?

CW: Lucent und Nortel etwa haben 3Com anscheinend nicht in Betracht gezogen, als es darum ging, ihr Know-how im Bereich Datenübertragung aufzupolieren. Und um die 3Com-Aktie ist es momentan auch nicht gut bestellt.

ROBERTS: Aber wir haben einen anderen Fokus als etwa Bay Networks. Unsere Lösungen reichen vom Kern des Unternehmensnetzes zum PC, zum Modem oder zum Palm. Wir sind im Grunde eine Connectivity-Company. Nortel oder Lucent geht es dagegen um Switching-Know-how. Genau das ist auch das Ziel unserer Zusammenarbeit mit Siemens. Unsere Branche befindet sich im Umbruch, und wir sind gut positioniert, um davon profitieren zu können.

CW: Edgar Masri, Leiter des Bereichs Enterprise Networking, räumte aber neulich öffentlich ein, daß 3Com ein potentieller Übernahmekandidat sei.

ROBERTS: Da hat man ihn an einem schlechten Tag erwischt. Sie glauben nicht, was für Staub das bei uns aufgewirbelt hat und was er sich deswegen alles anhören mußte. Im Grunde meinte er wohl, daß 3Com gerade wegen der derzeitigen Unterbewertung an der Börse als Kaufobjekt durchaus attraktiv sein könnte.

CW: Woher rührt diese Unterbewertung?

ROBERTS: Sie hat viele Gründe. Zum Teil kommt es daher, daß uns viele Leute an Cisco messen. In Wirklichkeit ergänzen wir uns eher. Wir müssen etwas tun, um dieses Image zu ändern.

In den USA wirkt sich außerdem die quartalsweise Veröffentlichung der Geschäftsergebnisse negativ aus. Das kann dazu führen, daß jede noch so geringe momentane Verschlechterung übermäßig negativ bewertet wird, obwohl sie sich vor dem Hintergrund einer langfristigen Unternehmensstrategie vielleicht positiv auswirken könnte. Es ist ein hartes Geschäft, und wir haben noch einiges zu tun...

CW: ...unter anderem in bezug auf Produktankündigungen. Das ständige Hinausschieben des Liefertermins für den "Corebuilder" hat vielen Ihrer Kunden mißfallen.

ROBERTS: Es ist nie leicht, solche Terminzusagen einzuhalten. Der Corebuilder ist ein ambitioniertes Produkt, das wir unseren Kunden so schnell wie möglich verfügbar machen wollten. Edgar Masri soll unsere Leistung auf diesem Gebiet verbessern. Aber es nützt wenig, wenn ich das jetzt bloß zu Ihnen sage, wir müssen den Beweis dafür in der Praxis erbringen.

CW: Sie haben bereits mehrfach das Netzzugangsgeschäft angesprochen. Gefährden neue Technologien wie Asymmetric Digital Subscriber Line (ADSL), Kabelmodems oder Powerline-Verfahren 3Coms traditionelles analoges Modemgeschäft?

ROBERTS: Momentan läuft unser Geschäft mit analogen Modems noch sehr gut, auch auf absehbare Zeit wird sich daran nicht viel ändern. Wir stellen jedoch einen Trend weg von externen Modems hin zu integrierten Geräten fest. Wir sind uns aber im klaren darüber, daß wir uns rechtzeitig in anderen Wachstumsmärkten positionieren müssen, bevor das analoge Modemgeschäft einbricht.

CW: War das der Grund für Ihr Engagement bei der Vorstellung von Suns Netzkonzept Jini?

ROBERTS: Jini ist ein großartiges Konzept und hat gute Aussichten, sich zu etablieren und das Networking zu vereinfachen. Bis es soweit ist, setzen wir aber auf eine Kooperation mit Microsoft, die auf Netzwerke im Heimbereich ausgerichtet ist (siehe CW 11/99, Seite 4: "Microsoft und 3Com schmieden Heimnetz-Allianz"). Mit Hilfe der großen Marktpräsenz von Microsoft wollen wir schon in diesem Sommer konkrete Produkte herausbringen.

CW: Bleiben wir einen Moment bei Jini: Wie steht 3Coms Palm-Division zu Suns Netzkonzept und zu Java überhaupt?

ROBERTS: Wir haben uns im Januar bei der offiziellen Jini-Vorstellung als Partner von Sun präsentiert. Zwischen uns herrscht ein gutes Verhältnis, das wir weiter ausbauen wollen. 3Com unterstützt Jini, so wie wir auch Java unterstützen.

CW: Aber offiziell hat 3Com noch keine Java-Lizenz. Wie paßt das zusammen?

ROBERTS: Wir haben keine aktive Lizenz, aber die Technologie ist sehr interessant für uns. Gemeinsam mit Sun suchen wir daher nach Wegen, Java in unseren Produkten einzusetzen. Wenn es soweit ist, werden wir Java in Lizenz nehmen. Unser Palm Computing Business hat aber den Jini-Sourcecode in Lizenz genommen, um das Verfahren auf unserer Plattform verfügbar zu machen.

CW: Kommen wir zur Praxis zurück: Was empfiehlt 3Com nun Kunden, die ihre Sprach- und Datennetze zusammenlegen wollen?

ROBERTS: Das hängt vom jeweiligen Unternehmen ab. Ich glaube, daß viele Firmen in einem ersten Schritt über LAN-Telefonie Erfahrung mit der Sprachübertragung über IP-Netze sammeln können. Dies empfiehlt sich vor allem für die Anbindung von Außenstellen und in Call-Centern. Gerade aus diesem Grund sehen wir uns hier gut positioniert, weil Siemens im Bereich der TK-Anlagen sehr stark ist und wir das Daten-Know-how haben.

CW: Wird die Konvergenz auch in heterogenen Umgebungen realisierbar sein?

ROBERTS: Davon gehe ich aus. Es werden aber nicht sehr viele Firmen sein, die in diesem Bereich tonangebend sind.

CW: Hat 3Com seine eigenen Infrastrukturen bereits zusammengelegt?

ROBERTS: Wir arbeiten zur Zeit daran, unsere Außenstellen mit unseren Produkten anzubinden. Die einzelnen Niederlassungen nutzen zudem IP-Telefonie-Produkte, um miteinander zu kommunizieren. Auch wir müssen diesen Übergang vollziehen.

Konzern auf Schlingerkurs

Der Ethernet-Pionier 3Com machte 1997 durch die Übernahme von U.S. Robotics Schlagzeilen. Das Unternehmen weitete durch den Deal sein Produktportfolio vor allem in den Bereichen Netzzugang/Modems und Handheld Computing (Palm) aus. Nach der Übernahme gab sich der Hersteller selbstbewußt und äußerte seine Entschlossenheit, Netzprimus Cisco Paroli zu bieten.

Allerdings kam der Hersteller nach der Fusion etwas ins Straucheln, die Gewinne brachen ein. Ständig hinausgeschobene Liefertermine für das Vorzeigeprodukt "Corebuilder" kratzten 1998 am Renommee. Im Zuge des Konsolidierungsprozesses in der Telekommunikations- und Netzwerkbranche machten sogar Gerüchte über eine mögliche Übernahme 3Coms durch Intel oder Ericsson die Runde.

Letztendlich blieb der Hersteller solo - dafür übernahm Nortel Bay Networks, Lucent schluckte Ascend. Um ebenfalls im vielversprechenden Markt der Konvergenz von Sprach- und Datennetzen mitmischen zu können, ging die Company eine weitreichende Allianz mit Siemens ein. Die Ergebnisse des zweiten Quartals des Geschäftsjahres 1999 ließen 3Com dann etwas aufatmen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Gewinn um rund 30 Prozent, der Umsatz wuchs um 29 Prozent auf 1,197 Milliarden Dollar. Die Freude darüber währte allerdings nicht lange: Anfang Februar brach der Kurs der 3Com-Aktie stark ein, Anfang März rutschte das Papier ein zweites Mal ab. Insgesamt haben die Anteilscheine seit Jahresbeginn um mehr als die Hälfte an Wert verloren. Für das dritte Quartal des Geschäftsjahres gab der Anbieter eine Gewinnwarnung heraus.

Anfang März verkündete 3Com eine Kooperation: Gemeinsam mit Microsoft will der Hersteller den Markt der Home-LANs ins Visier nehmen. Abermals folgte ein Wermutstropfen, als 3Com erneut sinkende Nettoeinnahmen für das dritte Quartal bekanntgab. Mit 89,7 Millionen Dollar oder 24 Cent pro Aktie lagen die Werte nur ganz knapp über den eigenen, unter den Werten der Analysten angesetzten Prognosen.

Auf der CeBIT ''99 präsentierte das Unternehmen voller Stolz neue Produkte seiner Palm-Familie und stellte sich selbstbewußt als Connectivity-Company dar. Kurz darauf sorgt eine Enttäuschung an einer anderen Front für lange Gesichter: 3Com zieht sich aus dem Markt für Storage Area Networks (SANs) zurück. Die erst vor etwa fünf Monaten verkündeten Pläne, sich dieses Geschäftsfeld zu erschließen, wandern in die Schublade.