Cisco Live! Barcelona 2020

Produkte statt Visionen

10.02.2020
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Cisco will 2020 mit den Thema Cloud, IoT und Security punkten. Wie die Hausmesse Cisco Live 2020 in Barcelona jedoch zeigte, sind die Zeiten, in denen das Unternehmen als Digitalisierungs-Visionär glänzte, offenbar vorbei.

App Performance in der Cloud, Security im IoT-Umfeld und Collaboration mit KI-Unterstützung - mit diesen drei Themen will Cisco 2020 punkten. Vorbei scheinen die Zeiten zu sein, als das Unternehmen als Visionär der Digitalisierung glänzte - die Alltagsprobleme der IT bestimmen derzeit die Ausprägung des Produktportfolios.

Cisco präsentierte sich auf seiner Hausmesse Cisco Live! 2020 in Barcelona als Problemlöser. Aktuell. App Performance, IoT-Security und neue Formen der Collaboration.
Cisco präsentierte sich auf seiner Hausmesse Cisco Live! 2020 in Barcelona als Problemlöser. Aktuell. App Performance, IoT-Security und neue Formen der Collaboration.
Foto: Hill

Knapp fünf Jahre ist her, seit Chuck Robbins als CEO bei Cisco das Ruder übernahm und der Company seinen Stempel aufdrückte. So unterscheidet sich die Cisco des Jahres 2020 gewaltig von der Cisco am Ende der Ära John Chambers, der zuvor 20 Jahre lang die Geschicke des Unternehmens lenkte: Statt Visionen wie unter Chambers stehen jetzt Produkte im Vordergrund. Während die einen der Rolle des visionären Trendsetters der Digitalisierung nachtrauern, begrüßen andere den neuen Kurs, Produkte auf den Markt zu bringen, die ihre aktuellen IT-Probleme und -Herausforderungen lösen sollen.

Cisco - Vom Visionär zum Problemlöser

Unter Chambers glänzte das Unternehmen damit, neue Business-Möglichkeiten im Rahmen der Digitalisierung aufzuzeigen - hier sei nur kurz an ein holographische Videokonferenzsystem erinnert, an den Magic Mirror StyleMe zur virtuellen Kleideranprobe oder die lückenlose Herkunftskontrolle eines Weines von der Traube bis zur Flasche per IoT. Allerdings hatte dieser Kurs einen Nachteil, wie mittlerweile auch Stimmen innerhalb des Unternehmens diskutieren: "Cisco genoss in dieser Zeit eine hohe Reputation als Business Consultant, doch damit wurde kein Geld verdient und die eigentlichen Produkte kamen zu kurz."

Rund 18.000 Besucher kamen zu Ciscos Hausmesse.
Rund 18.000 Besucher kamen zu Ciscos Hausmesse.
Foto: Hill

Solche visionären Ideen sucht man unter der Ägide Robbins vergebens. Doch die Unternehmenszahlen - sieht man einmal von dem eher schlechten Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr aufgrund des makroökonomischen Umfelds (abschwächende Weltwirtschaft, Handelsstreit USA-China) ab - scheinen Robbins Kurs der Fokussierung auf Produkte und Services Recht zu geben: So kletterte der Umsatz im Geschäftsjahr 2019 auf rund 52 Milliarden Dollar - nachdem er in den Vorjahren um die 50 Milliarden Dollar lag - und als Gewinn wies das Unternehmen 11,62 Milliarden Dollar aus (in den Vorjahren um die 10 Milliarden).

Ebenso wichtig dürfte für die Company das ungebrochene Interesse der Anwender sein. In Zeiten, in denen andere Messen mit teils drastischen Besucherrückgängen zu kämpfen haben, zog Ciscos europäische Hausmesse Cisco Live! in Barcelona rund 18.000 Besucher an. Dabei standen wie nicht anders zu erwarten konkrete Produkte zur Lösung aktueller IT-Probleme und -Herausforderungen im Fokus.

Cisco Live! 2020 - Mehr Performance

Soziale Verantwortung - Besucher konnten für Bedürftige ein Fahrrad montieren. Cisco will diese dann verschenken.
Soziale Verantwortung - Besucher konnten für Bedürftige ein Fahrrad montieren. Cisco will diese dann verschenken.
Foto: Hill

Derzeit stellen aus Sicht von Cisco vor allem die drei Themen eine Herausforderung dar: Die App-Performance in der Cloud-Welt, die Sicherheit von IoT und IIoT sowie KI-basierte Collaboration-Lösungen. So will der Konzern mit einem Multi-Domain-Ansatz den IT-Abteilungen Tools an die Hand geben, die eine automatisierte Fehlerbehebung in Echtzeit ermöglichen, um so eine gute Anwendungsleistung zu gewährleisten. Zudem soll eine auf Kubernetes basierende Anwendungsplattform die Nutzung von Multi-Cloud-Architekturen erleichtern. Hierzu bringt Cisco drei neue Tools, nämlich:

  • AppDynamics Experience Journey Map

Das Werkzeug für das Application Performance Monitoring zeigt die User Experience innerhalb unternehmenskritischer Anwendungen. Es umfasst sowohl Geschäftsmetriken als auch das eigentliche Anwendungserlebnis.

  • Cisco Intersight Workload Optimizer

Das Tool bietet Funktionen zur Optimierung von Arbeitslast und Kosten in hybriden Anwendungsarchitekturen. Dabei werden Performance-, Kosten- und Compliance-Beschränkungen berücksichtigt und historische sowie Echtzeit-Erkenntnisse genutzt, um proaktiv auf potenzielle Probleme hinzuweisen. Laut Cisco kann diese Lösung im Gegensatz zu Ansätzen, die sich auf die virtualisierte Infrastruktur konzentrieren, die Ursachen für eine Verschlechterung einer App aufzeigen - sei es auf Anwendungsebene, VM/Container-Ebene oder tief in der Speicher-, Rechen- oder Netzwerkhardware.

  • Cisco HyperFlex Application Platform

Katastrophenkoffer. Ein eigenes TacOP-Team soll bei Katastrophen bei Wiederaufbau der digitalen Infrastruktur helfen.
Katastrophenkoffer. Ein eigenes TacOP-Team soll bei Katastrophen bei Wiederaufbau der digitalen Infrastruktur helfen.
Foto: Hill

Die integrierte Container-as-a-Service-Plattform soll die Bereitstellung und den laufenden Betrieb von Kubernetes in der Cloud, im Rechenzentrum und am Edge vereinfachen. Dazu kuratiert die Plattform Open-Source-Tooling und automatisiert laut Hersteller Routineaufgaben. Auf diese Weise sei nicht nur Kubernetes leichter zu nutzen, sondern es lasse sich auch die Anwendungsinnovation in Multi-Cloud-Umgebungen beschleunigen.

Ciscos Security-Lösung für IoT

Des Weiteren stellte das Unternehmen auf der Cisco Live! eine IoT-Sicherheitsarchitektur vor, die mehr Transparenz in IT- und OT-Umgebungen bieten soll, um industrielle Prozesse zu schützen. Zu diesem Zweck können Daten aus dem IoT-Edge erfasst und extrahiert werden. Verbunden mit der Sicherheitsarchitektur sind vor allem zwei Neuerungen: Cisco Cyber Vision und eine Daten-Governance vom Edge bis zur Multi-Cloud. Cyber Vision ist eine softwarebasierte Sicherheitslösung für die automatische Erkennung von industriellen Anlagen.

Hierzu wird der Datenverkehr von vernetzten Anlagen analysiert und Richtlinien zur Netzsegmentierung erstellt, um eine Verbreitung von Malware und anderen Bedrohungen in den IoT-Umgebungen zu verhindern. Die Lösung basiert auf Ciscos Talos Threat Intelligence. Die Sicherstellung der Daten-Governance im IoT-Umfeld soll Ciscos Edge Intelligence vereinfachen. Laut Hersteller lassen sich so Daten effizienter für Multi-Cloud und On-Premises-Systeme bereitstellen.

Collaboration mit KI-Unterstützung by Cisco

Networking Extreme: Per Ballon soll im Katastrophenfall die Anbindung an das Internet wiederhergestellt werden.
Networking Extreme: Per Ballon soll im Katastrophenfall die Anbindung an das Internet wiederhergestellt werden.
Foto: Hill

Dritter Schwerpunkt während der Cisco Live! war das Thema Collaboration. Hier will Cisco vor allem mit KI-basierten Erweiterungen für seine Webex-Lösungen sowie einer Videoconferencing-Lösung der Einstiegsklasse (Webex Room USB) punkten. Auf die Unterstützung per Künstlicher Intelligenz setzt Cisco bei seinem digitalen In-Meeting-Assistenten für Unternehmen. Mit ihm können per Sprachbefehl Besprechungsaufgaben wie Notizen, Transkription oder Nachbereitung voll automatisiert werden. Ferner erstellt der Assistent Mitschriften mit den Namen der Sprecher. Diese sind durchsuchbar und lassen sich auch für andere Meetings nutzen. Des Weiteren erstellt der Assistent, falls gewünscht, automatisch To-Do-Listen für die Teilnehmer. KI hält auch in der Cloud-Lösung Webex Contact Center Enterprise Einzug.

Damit sollen die Kundenerlebnisse beim Anruf einer Hotline etc. verbessert werden. Dazu erhalten etwa Contact-Center-Agenten während eines Telefonats eine Anrufabschrift und eine Zusammenfassung, um die Nachbearbeitung zu automatisieren. Zudem lassen sich Anruf-Highlights automatisch mit einem CRM-System synchronisieren - etwa, um frühere Support-Probleme zu informieren. Ferner erweitert Cisco seine Partnerschaft mit Google Cloud, um KI-Funktionen in das Contact-Center-Portfolio zu integrieren. Auf diese Weise, so heißt es, können Kunden in wenigen Worten sagen oder schreiben, was sie wünschen. Die Contact-Center-KI erledigt dann einfache Aufgaben selbst. Lediglich komplexe Fragen werden dann an die verfügbaren Agenten weitergeleitet.