Digitalisierung im Mittelstand

Es zählt der Wille, etwas verändern zu wollen und zu können

02.09.2019
Von 
Maximiliane Piontek ist Pädagogin (Erziehungswissenschaft B. A.) und freie Mitarbeiterin der Redaktion Computerwoche.
Nur wenn das Management-Team voll hinter der digitalen Transformation steht, wird diese auch gelingen, ist Firmenbeteiligungsexperte Marko Maschek* überzeugt, wobei Hightech-Know-how nicht die wichtige Rolle spielt.

CW: Wie können Mittelständler die Herausforderungen der Digitalisierung mittel- und langfristig meistern?

Marko Maschek: Es ist wichtig, dass wir beim "Mittelstand" unterscheiden zwischen technologischen Wachstumsunternehmen und "analogem" Mittelstand, dem Letztgenannten steht die Digitalisierung noch in meist größerem Ausmaße bevor. Für die Digitalisierung haben kleine Unternehmen den Vorteil, dass sie agiler und schneller handeln können als große, börsennotierte Unternehmen. Der einmal eingeschlagene Weg bzw. die Digitalisierungsstrategie kann langfristig durchgehalten und somit eher gemeistert werden, denn sie verfolgen keine kurzfristigen Ziele mit Berichtspflichten. Bei den für uns relevanten Unternehmen bedeutet Digitalisierung neue Geschäftsmodelle aus deren klassisch deutscher Ingenieurs-DNA heraus zu entwickeln. Dies zu meistern, bedarf unterschiedlicher Investitionen.

Marko Maschek, Marondo Capital: "Ein häufiger Fehler bei der Digitalisierung ist das Delegieren, am besten in die IT-Abteilung."
Marko Maschek, Marondo Capital: "Ein häufiger Fehler bei der Digitalisierung ist das Delegieren, am besten in die IT-Abteilung."
Foto: Marondo Capital

CW: Wie kann der technologische Mittelstand sinnvoll und langfristig all die durch die Digitalisierung erforderlichen Investitionen finanzieren und dadurch wachsen?

Marko Maschek: Die digitale Transformation ist in der Tat kein Selbstläufer - sie muss finanziert werden und ist kostenintensiv. Und dabei geht es in erster Linie nicht um die Technologie an sich, sondern um die Talente, die kostspielig sind. Qualifiziertes und zur Verfügung stehendes Personal gibt es derzeit kaum im Markt bzw. nur zu hohen Kosten. Oft müssen Digitalisierungsexperten erst ausgebildet werden und egal, ob dies intern oder extern geschieht, es braucht Zeit.

CW: Welche Möglichkeiten sehen Sie, digitale Kompetenz in ein Unternehmen hinein zu bekommen?

Marko Maschek: Wir beteiligen uns ausschließlich an Unternehmen, die eine Digitalisierungskomponente quasi schon "eingebaut" haben. Das heißt, wir fangen nicht bei Null an. Wir investieren gerne in Unternehmen, die sozusagen die Spitzhacken und Schaufeln für die Digitalisierung liefern, aber nicht in E-Commerce-Unternehmen oder Consumer-Internet-Firmen. Unsere Unternehmen haben neben "Blue Chips" oft den gehobenen Mittelstand als Kunden, der Plattformen zur Digitalisierung einbauen muss und der Partner mit einer ähnlichen DNA sucht.

CW: Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Marko Maschek: Ein schönes Beispiel ist unsere erste Beteiligung, die Oxid eSales AG in Freiburg. Das Unternehmen bedient seit mehr als zehn Jahren den gehobenen Mittelstand, hat eine bekannte Marke sowie bis heute rund 600 Kundenbeziehungen aufgebaut. Bezeichnend ist, dass Oxid eSales nicht nur eine digitale B2B-Transaktionsplattform bietet, sondern die Kunden auch bei der Implementierung unterstützt. Der digitale Kern einer Unternehmung, so würden es Digitalberater nennen, besteht im Wesentlichen aus vier Elementen: der Vision, was mit der Digitalisierung in einem gegebenen Zeithorizont zu welchen Kosten erreicht werden soll, den (digitalen) Talenten, über die das Unternehmen heute oder in der Zukunft verfügen soll, der konsequenten Ausrichtung auf den Kunden (customer centricity) und der Reaktionsfähigkeit ("agility"), sich auf neue Gegebenheiten einzustellen.

CW: Welchen Einfluss hat die Digitalkompetenz des Managementteams auf Ihre Entscheidung, sich an einem Unternehmen zu beteiligen?

Marko Maschek: Das Management muss einen Wachstumsplan artikulieren und umsetzen können, dazu gehört auch die digitale Transformation als ein wesentlicher Wachstumstreiber. Dies kann ohne externe Hilfe in der Regel nicht bewerkstelligt werden. So kommen wir ins Spiel: wir haben - neben eigener Expertise - Zugriff auf dedizierte Berater, die wir kennen und deren Dienstleistungsspektrum und "Fit" mit dem jeweiligen Portfolio- Unternehmen wir einschätzen können. Wichtig ist hierbei, dass das Management voll hinter der digitalen Transformation steht und diese auch umsetzt - es geht weniger um Technologiekompetenz. Diese gibt es im Unternehmen an anderer Stelle oder sie kann zugekauft werden. Es geht letztendlich darum, das Unternehmen und seine Geschäftsmodelle neu zu denken und sich quasi "neu zu erfinden". In gewissem Sinne ist das 'Change Management'. Das kann mit Risiko behaftet sein, und deshalb tun sich viele Manager damit schwer.

CW: Auf welche Kernkompetenzen der Geschäftsführung eines technologieorientierten mittelständischen Unternehmens achten Sie im Hinblick auf die Digitalisierung am stärksten?

Auf die richtigen Chefs kommt es an

Marko Maschek: Wichtig ist die Bereitschaft des Managements - nachdem wir uns auf einen Plan geeinigt haben - diesen auch umzusetzen. Dazu bedarf es der Bereitschaft, neue Dinge anzugehen und auszuführen. Digitalisierung ist Chefsache, und wir stellen sicher, dass wir die richtigen Chefs dafür in den Unternehmen haben. Falls dies nicht der Fall sein sollte, helfen wir das Team aufzustocken.

CW: Und wo sehen Sie Defizite?

Marko Maschek: Ein häufiger Fehler bei der Digitalisierung ist das Delegieren, am besten an die IT-Abteilung, die sich mit "noch einem Projekt" befassen soll, ohne irgendwelche Prioritäten. Oder auch, dass die Unternehmensführer für wichtige Digitalisierungsprojekte keine Verantwortung übernehmen wollen/können. Ein weiterer gravierender Fehler ist das Bearbeiten von zu vielen und zu kleinen Projekten, mit zu wenig Ressourcen. Damit wird nur Geld "verbraten" und Frustration erzeugt, aber kein Ergebnis erzeugt.

*Marko Maschek ist einer der vier Gründungspartner von Marondo Capital und diplomierter Elektroingenieur. Marondo Capital beteiligt sich ausschließlich an technologischen Wachstumsunternehmen, also an schnellwachsenden Unternehmen in den "klassischen" deutschen Ingenieursdisziplinen, sprich Medizintechnik und Gesundheitstechnologien, Umwelttechnologien, Neue Materialen, Software & IT sowie Industrie 4.0. Marondo als Beteiligungsgesellschaft stellt kleinen wachstumsorientierten Technologieunternehmen bis zu 15 Millionen Euro an Eigenkapital zur Verfügung, um das Wachstum zu unterstützen. Mit diesem Fokus schließt Marondo innerhalb des Beteiligungsmarktes die Lücke zwischen Venture Capital und dem klassischen Private Equity.