Digitalisierung meets Personalführung

Zehn Tipps für besseres Personalmanagement

23.02.2017
Von 
Prof. Dr. Dirk Lippold ist Gastprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin und lehrt darüber hinaus an verschiedenen Privathochschulen in MBA-, Master- und Bachelor-Studiengängen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er über drei Jahrzehnte in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Deutschland-Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung mit weltweit über 120.000 Mitarbeitern.
Die Verbesserungspotenziale im Personalmanagement sind angesichts der fortschreitenden Digitalisierung gewaltig. Hier lesen Sie, welche Maßnahmen dringend angeraten sind.
  • Recruiter sollten keine Zeit mit der Suche nach Universalgenies vergeuden.
  • Attraktive und effiziente Arbeitsbedingungen locken und binden Mitarbeiter.
  • Personalentwicklungsmaßnahmen müssen besser auf Frauen abgestimmt werden.

Das Personalmanagement wird vom hohen Veränderungstempo besonders herausgefordert, verfügt aber nicht zuletzt aufgrund der fortschreitenden digitalen Transformation wie kein anderer Managementbereich über viele Verbesserungspotenziale.

Ein Gedankenaustausch unter Kollegen muss nicht immer in Meeting-Räumen stattfinden.
Ein Gedankenaustausch unter Kollegen muss nicht immer in Meeting-Räumen stattfinden.
Foto: Robert Kneschke - shutterstock.com

Eigentlich sind es "nur" zwei Ziele, die ein Personalmanager verfolgen muss:

1. Durch eine entsprechende Attraktivitätswirkung auf dem externen Arbeitsmarkt bedarfsgerechte Mitarbeiter gewinnen.

2. Durch mitarbeitergerechte und effiziente Gestaltung der Arbeitsbedingungen wertvolle Ressourcen an das Unternehmen binden.

Werden beiden Ziele erfüllt, wird auch die personale Wertschöpfung optimiert.

Ein gutes Verständnis bietet dazu die zweigeteilte Personalmarketing-Gleichung, die genau diese beiden Zielsetzungen widerspiegelt (siehe Abb.). Analysiert man anhand der Grafik die beiden HR-Wertschöpfungsketten "Personalbeschaffung" und "Personalbetreuung" mit ihren einzelnen Prozessschritten, lässt sich für nahezu jeden Prozessschritt ein durchgreifender Verbesserungsvorschlag entwickeln.

Zunächst also ein Blick auf den ersten Schritt der Personalbeschaffungskette - die Personalsuche.

Die zweitegeilte Personalmarketing-Gleichung
Die zweitegeilte Personalmarketing-Gleichung
Foto: Dirk Lippold

Suche nach Universalgenies ist Zeitverschwendung

Die Personalsuche wird in sehr vielen Fällen mit einer falschen Voraussetzung begonnen, nämlich der Stellenbeschreibung. Dahinter verbirgt sich die Frage: Welcher Kandidat passt am besten zu der offenen Stelle? Angesichts der wirtschaftlichen Dynamik innovativer Märkte - und das gilt ja wohl für nahezu alle Unternehmen - bleibt auf mittlere Sicht kaum eine Stelle unverändert. Insofern kommen viele Betriebe ohnehin nicht damit nach, ihre Stellenbeschreibungen ständig auf dem neuesten Stand zu halten.

Die Frage muss also lauten: Welche Persönlichkeit passt am besten zu unseren zukünftigen Anforderungen? Es ist also ratsam, von Assignments und nicht von Stellen zu sprechen. Stellen sind starr, unbeweglich und statisch. Stellenbeschreibungen sind dementsprechend überflüssig wie ein Kropf. Wichtig ist dagegen das Anforderungsprofil (Job Specification), das als Sollprofil der gesuchten Qualifikation besonders auch zur bewerbergerechten Segmentierung des Arbeitsmarktes dient.

Mit der Stellenbeschreibung hängt eine zweite Überlegung zusammen. Recruiter sollten sich die Suche nach dem Universalgenie aus dem Kopf schlagen. Die eierlegende Wollmilchsau, die sich durch umfangreiches Fachwissen, Branchenerfahrung sowie zahlreiche Auslandspraktika auszeichnet und gleichzeitig durchsetzungsstark, entscheidungsfreudig, visionär, begeisterungsfähig, sozial kompetent engagiert, empathisch, multikulturell, teamorientiert und auch noch jung ist, gibt es kaum. Auf so ein Universalgenie zu treffen, ist seltener als ein Hauptgewinn im Lotto. Trotzdem werden Stellenanzeigen mit der Zielgruppe "Führungsnachwuchs" so oder so ähnlich immer wieder formuliert. Eigentlich nicht schlimm, aber gerade im "People Business" sollte Glaubwürdigkeit statt Übertreibung vorherrschen.

Kein Tunnelblick auf Noten

Natürlich sind Noten nicht unwichtig, sie aber als einziges Zulassungskriterium für Vorstellungsgespräche zu missbrauchen, ist kurzsichtig und wenig dienlich, um die richtigen Kandidaten für den ausgeschriebenen Job zu finden. Sportliche Leistungen, zwei Masterabschlüsse in verschiedenen Bereichen, ein selbstfinanziertes Studium vielleicht sogar auf dem zweiten Bildungsweg oder berufsbegleitend, ein Engagement als Schul- oder Studierendensprecher, Praktika oder Auslandsaufenthalte, die allesamt vielleicht zu einer etwas schlechteren Durchschnittsnote, aber auch zur Entwicklung der individuellen Persönlichkeit beigetragen haben, sollten Unternehmen mindestens genau so viel Wert sein wie Noten mit einer Eins vor dem Komma. Die Lösung: Laden Sie doppelt so viele Kandidaten zu einem Vorstellungsgespräch ein und berücksichtigen Sie dabei schwerpunktmäßig solche BewerberInnen, die sich durch eine ganz besondere Vita auszeichnen.

Die Entgegnung, dass dann der Auswahlprozess auch doppelt so teuer wird, kann - ganz abgesehen von der spürbar besseren Qualität der Kandidaten - auch dadurch leicht entkräftet werden, dass der Bewerbungsprozess aufgrund des zunehmenden Wegfalls von kostspieligen Print-Anzeigen ohnehin deutlich preiswerter geworden ist. Zudem lässt sich eine solche Vorauswahl auch wunderbar outsourcen. Personalberater mit Erfahrungspotenzial und Menschenkenntnis gibt es zur Genüge.

Im Einstellungsgespräch zählt nur noch Persönlichkeit

Das Einstellungsgespräch lässt sich mit einem Eisberg vergleichen. Bestimmte Eigenschaften sind offensichtlich und befinden sich über der Wasseroberfläche. Die Mehrzahl der Eigenschaften liegt aber unter der Oberfläche. Die offensichtlichen Attribute wie Ausbildung, Noten, Erfahrung und Wissen gehen aus den Bewerbungsunterlagen hervor und sollten daher nicht nochmals abgefragt werden. Wichtiger als Sachkenntnisse sind in diesem Gespräch jene Skills, die das Unternehmen erst später zu spüren bekommt. Dazu zählen Einstellungen, Werte, Motivation, Verhaltensmuster, Sensibilitäten oder Loyalität. Erst bei diesen Merkmalen entscheidet sich, ob die (spätere) Führungskraft einen substanziellen Beitrag zur Weiterentwicklung des Unternehmens liefern wird.

Mehr Budgets für die Personalauswahl

Seit Jahren stehen Führungskräfteentwicklung und Talentmanagement ganz oben auf der Agenda der Personalmanager - und das zu Recht. Die Frage ist nur, ob die damit verbundenen Investitionen in Zeit und Geld für die Führungs- und Führungsnachwuchsentwicklung dort auch richtig angesiedelt sind. Unternehmen sollten einmal darüber nachdenken, ob nicht ein Teil des Personalentwicklungsbudgets besser in einen effektiveren Personalauswahlprozess anstatt in spätere, oft mühsame Personalentwicklungsmaßnahmen mit Reparaturcharakter investiert werden sollte. Meine Empfehlung: Schichten Sie einen Teil der Personalentwicklungsgelder in die Personalauswahl um.

Onboarding schafft Vertrauen und Bindung

Der erste Arbeitstag ist der wichtigste Tag für einen neuen Mitarbeiter. Eine gelungene Integration ist der Grundstein dafür, dass der Neuling von Beginn an die an ihn gestellten Erwartungen erfüllt. Gleichzeitig erwartet aber auch der Neueinsteiger, dass seine Erwartungshaltung gefestigt wird. Die Erfahrungen der Integrationsphase entscheiden sehr häufig über die zukünftige Einstellung sowie Loyalität zum Unternehmen und prägen den weiteren Werdegang als Mitarbeiter. Daher sollte dem Neuling speziell in der ersten Zeit ein hohes Maß an Aufmerksamkeit geschenkt werden. Übrigens: Es sind immer die ersten zwei bis drei Tage bei einem neuen Arbeitgeber, die einem besonders im Gedächtnis bleiben.

Eine der wirksamsten Maßnahmen ist es, den neuen Mitarbeiter am ersten Tag nicht direkt an seinen neuen Arbeitsplatz "zu setzen", sondern ihn im Rahmen eines Einführungsseminars zusammen mit anderen neuen Mitarbeitern willkommen zu heißen und über die besonderen Vorzüge des Betriebs nachhaltig zu informieren. Das speziell für neue Mitarbeiter ausgerichtete Einführungsseminar wird von international orientierten Unternehmen sehr häufig als Onboarding bezeichnet.

Ein solches Onboarding kann durchaus mehrere Tage umfassen und sollte von der Geschäftsleitung und dem Personalmanagement begleitet werden. Die neuen Mitarbeiter erfahren dadurch eine besondere Anerkennung, werden in ihrer Auswahlentscheidung bestärkt, können die kognitive Dissonanz abbauen und sind für die weitere Arbeitsphase motiviert. Es vermittelt Kontakte über die Grenzen der eigenen Abteilung hinaus und fördert ein besseres Verständnis der Zusammenhänge von Personen und Prozessen im Unternehmen. So können bereits frühzeitig über Abteilungsgrenzen hinweg Netzwerke gebildet werden. Und das Beste: Sie vermeiden hohe Fluktuationskosten.