Lobeshymnen auf neue Mikrogeneration halten praktischen DV-Anwendungen kaum stand:

32-Bit-Mikros als "Minikiller" ungeeignet

16.07.1982

Als DV-Wunderwaffe, die wenig kostet, dafür fast alles können soll, wird oft die neue Generation der Mikrocomputer bezeichnet. Doch so rosig wie es einige Anbieter der 32-Bit-Kraftpakete sehen, dürfte die Zukunft für die Kleinen nicht werden. Für die Großanwendung zu klein geraten und für den Anwender bisheriger 8-Bit-Mikros überdimensioniert, scheinen die Supermikros noch zwischen allen DV-Stühlen zu stehen.

"Sehr hoch" schätzt Dieter Frank, Geschäftsführer der Fortune GmbH, die Möglichkeit der 32-Supermikros ein, den an der Schwelle zum Mainframe stehenden Superminis Marktanteile abzujagen. So seien die neuen Rechner durchaus in der Lage kommerzielle wie technisch-wissenschaftliche Daten mit einer Leistungsfähigkeit zu verarbeiten, die an die der Superminis heranreiche. Zudem koste ein Mikro mit gleicher Hauptspeicherkapazität und Konfiguration nur rund ein Drittel wie ein entsprechend ausgerüsteter Mini. Behauptet Fortune-Chef Frank: "Mit unserem Supermikro sind wir im Bereich der Minicomputer und der Mainframes."

Für "mindestens vergleichbar" hält Albert Meilhaus die Leistungsfähigkeit der "Super-Zwerge" gegenüber den 32-Bit-Minis. Auch Meilhaus will die "Zeichen der Zeit" erkannt haben und vertreibt mit seiner gleichnamigen Münchner Firma den 32-Bit-Mikro "Koncept" des US-Herstellers Corvus.

Branchenkenner beurteilen solche Aussagen indes eher skeptisch. Bezogen auf die interne Architektur hielten die Supermikros einem Vergleich zu den Superminis kaum stand. Die neue Mikrogeneration besitze zwar eine Zentraleinheit mit einer 32-Bit-Struktur, die Übertragung der Daten erfolge aber nur mit einem 16-Bit-Datenbus. "Die Adressierbarkeit entspricht dem eines Superminis, aber in der Geschwindigkeit hinken sie dennoch hinterher", verdeutlicht Fortune-Interessent Franz Beier, Geschäftsführer der Münchner IBB GmbH.

Einen anderen Unterschied in der Architektur glaubt Jörg Sczesny von Norsk Data erkannt zu haben: "Viele Superminis haben der CPU einen 16-Bit-Prozessor für die Ein-/Ausgabe vorgeschaltet, der einen Direct Memory Access erlaubt und damit den Durchsatz des Rechners deutlich von dem des vermeintlichen Konkurrenten abhebt".

Neben der geringeren Hauptspeicherkapazität der Mikros würde auch die wesentlich niedrigere externe Speicherkapazität, die ein Kleincomputer derzeit unterstützen kann gegen ein mögliches Eindringen in den "oberen" Minimarkt sprechen. "Mit einer externen Speicherkapazität von höchstens 300 MB hören die Möglichkeiten der Supermikros dort auf, wo die der 32-Bit-Minis erst anfangen", glaubt denn auch Ralf Lichtenstein, nach eigenen Aussagen selbst Anbieter eines sogenannten "Minikillers".

Ein wesentliches Problem, das die Anbieter der "Power-Knirpse" noch überwinden müssen, liegt nach Ansicht von Marktbeobachtern auf dem gesamten Gebiet der kommerziellen Software. "Da ist noch nichts auf dem Markt, was vorher so lautstark angekündigt wurde", ärgert sich ein enttäuschter Mikro-Interessent Ein Softwareprofi schätzt, daß mindestens zwölf Monate erforderlich seien, bis akzeptable kommerzielle Programmpakete zur Verfügung stünden. Weniger optimistischen Prognosen zufolge könne es jedoch erheblich länger dauern, bis der Anwender auf eine genügend große Zahl von brauchbaren Applikationslösungen zurückgreifen könne.

Dabei sollte es eigentlich keine Schwierigkeiten in diesem Bereich geben, zumal die meisten der neuen 32-Bit-Maschinen unter dem hardwareunabhängigen Betriebssystem Unix laufen. Die derzeitigen Lieferverzögerungen sowie die fehlende Software erklärt Marktbeobachter Lichtenstein mit den Problemen der Hersteller, die bereits bei der Systemsoftware auftauchten. Die meisten hätten noch Schwierigkeiten, das Unix - vor allem im Utility-Bereich - auf ihren Systemen fehlerfrei laufen zu lassen. Unkt Lichtenstein: "Wo kein Betriebssystem ist, da gibt es auch keine Anwendersoftware."

Ein weiteres Problem, an dem die Mikrohersteller zu knabbern haben, wird von Insidern der Mikroszene in der mangelnden Finanzkraft gesehen. Branchenhäme: "Heute kommen sie und morgen gehen sie."

Für den Anwender eines Mikros macht sich die fehlende Finanzstärke vor allem dann bemerkbar, wenn er die Hilfe seines Herstellers am nötigsten bräuchte - bei Ausfall des Rechners. Durch die erheblich gesteigerte Leistungsfähigkeit der neue Rechnergeneration, die den Multiuser-Betrieb jetzt auch im Mikrobereich ermögliche, wachse die Abhängigkeit des Benutzers vom Computer.

So wird prophezeit, daß es der Supermikro selbst dort schwer haben werde, sich Marktanteile zu erobern, wo er von der Leistungsfähigkeit und vom Preis herkömmlichen Großrechnern durchaus Paroli bieten könne. Der Benutzer nehme sicherlich höhere Kosten und geringere Leistung in Kauf, würden ihm dafür umfassende Serviceleistungen geboten. Fachleute betrachten den 32-Bit-Mikro somit allenfalls als Konkurrent von Minirechnern an der unteren Leistungsgrenze.