3. DV-Unternehmergespraech: Mit Partnern kann man ueberleben

07.01.1994

BERLIN (ms) - Ende November 1993 hatte der Unternehmensverband Informationssysteme e.V. (UVI) zum "3. DV-Unternehmergespraech" nach Berlin eingeladen. Im Lichtenberger Congress Center - Erich Mielkes ehemalige abgeschottete Staatssicherheitsbasis - trafen sich rund 160 Fuehrungskraefte der DV-Branche aus Ost und West zu einem unbewachten Erfahrungsaustausch.

Mit einem optimistischen "Der Branche geht es gut" eroeffnete Jaroslav Pielek, Geschaeftsfuehrer der Compal Datenverarbeitung GmbH, Berlin, und Vorstandsvorsitzender des UVI die zweitaegige Konferenz. Endlich werde von der DV-Szenerie das verlangt, was sie bisher nicht brauchte, naemlich "Innovation, Fleiss und gute schnelle Systeme". Jetzt sei der Experte gefragt, ist Pielek ueberzeugt. Denn "Strassenhaendler" koennten kaum die vom Nutzer geforderten Loesungen erfuellen.

Udo Ludwig vom Institut fuer Wirtschaftsforschung Halle/Berlin charakterisierte die derzeitige Situation in Deutschland mit "Rezession im Westen und Aufbau im Osten". "Eine Provokation", wie er meint - aber das sei nun mal die "Datenlage": 1993 stieg das Bruttoinlandsprodukt in Ostdeutschland um 6,2 Prozent (1992: 9,7 ), waehrend es in Westdeutschland um 2,0 Prozent sank (1992: 1,6). Fuer 1994 rechne man mit 6,9 Prozent Zuwachs in den neuen und 1,0 Prozent in den alten Bundeslaendern.

Zwar stehe die ostdeutsche Wirtschaft noch immer unter einem "Systemschock" - ausgeloest durch den Wechsel von der zentralen Planwirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft. Aber von einem "tiefen Niveau" aus sei jetzt ein "vorsichtiger und langsamer Aufwaertstrend" - ein Wachstum - zu beobachten. "Schnell gefangen" haette sich vor allem das Baugewerbe, schaetzt der Volkswirt ein, waehrend die Industrie ihre Talfahrt noch immer nicht beendet habe.

Als neue Produktionsstruktur habe sich der Dienstleistungsbereich in den fuenf neuen Bundeslaendern herausgebildet. Zu DDR-Zeiten kaum entwickelt, wuerden Serviceunternehmen nun zu rund zwei Drittel dominieren. Auf diesen Beinen stehe nun das "arme Land" mit seinen neuen kleinen und mittleren Unternehmen.

Fuer Heinz-Paul Bonn von der Gesellschaft fuer Unternehmensberatung und Softwareentwicklung mbH (Gus) aus Koeln sind es gerade diese "bescheidenen Existenzgruendungen", die den Aufschwung Ost in Gang bringen werden. Der ostdeutsche Mittelstand bestehe immerhin aus rund 2300 Unternehmen, die ueber die Treuhand privatisiert worden seien, und etwa 1700 Management-buy-out-Gruendungen. "Ernuechterungsphase und Marktsaettigung auf niedrigem Niveau" seien Begriffe, die "gut die derzeitige Situation charakterisieren", so der Koelner Unternehmensberater. Doch solle keiner glauben, "aus dieser Krise des IT-Marktes koennten uns einzig und allein die grossen Anbieter herausfuehren". Nach wie vor sei die Grundthese "Small is beautiful" erneut bewiesen durch die juengste Vergangenheit: "Big is ugly" - und vorbei. Trotz des riesigen Software-Angebots von westlichen Firmen im Osten, sieht Bonn eine reelle Zukunftschance fuer die kleinen und mittelstaendischen Anbieter in den neuen Laendern.

Ganz neue Toene kamen aus der grossen blauen Ecke: Peter Baumann, Geschaeftsfuehrer bei IBM Deutschland GmbH Region Ost, sieht in den Problemen der einen Seite die Chancen fuer die andere. Gerade weil es der Fertigungsindustrie "so mies geht", seien Geschaefte zu machen, behauptet er. Allerdings sei die Zeit der "grossen Firmensterne" vorbei, und "Schwaetzer sind nicht mehr gefragt". Am eigenen Leibe habe auch der DV-Riese zu spueren bekommen, dass "vollmundige Lippenbekenntnisse" nicht mehr ausreichen - Kompetenzen seien gefragt.

Kleine Anbieter haben kaum Ueberlebenschancen

Laut dem IBM-Mann hat es in den neuen Laendern nach der Wende etwa 35 000 Firmengruendungen mit bis zu zehn Geschaeftsstellen gegeben. Dort spiele nun die Musik auf einer modernen Informationstechnik - unbelastet von "DV-Paketen alter Praegung". Ein grosser Hardware- Markt - rund 30 Milliarden Mark schwer - wuerde sich der deutschen DV-Branche eroeffnen. Die Anbieter sollten jedoch wissen, "wo sie zu Hause sind" und "ihre Staerken liegen". Fuer Baumann heisst das: "Neue Geschaeftsfelder einbinden" und verschiedene "Kundengruppen unter ein Dach bringen". Kurz: "Einer des anderen Last tragen".

Schoene Worte - und manchem Konferenzteilnehmer waren sie auch ein Schmunzeln wert. Doch allzuweit duerfte die Liebe zum Mitbewerber wohl kaum gehen. Noch haetten vor allem die Ostfirmen an ihren eigenen Lasten zu tragen, urteilt Manfred Schwabe von der Data- Service-Paretz-Agrosoft GmbH, dem ehemaligen Rechenzentrum fuer Tierzucht der DDR. Anderen Mitbewerbern auf die Beine zu helfen, wuerde im harten Konkurrenzkampf eher die Ausnahme bleiben. Schliesslich habe "jeder mit sich zu tun", um am Markt bleiben zu koennen. Fuer die kleinen Anbieter sieht der Brandenburger DV-Mann kuenftig kaum Chancen. Der Mittelstand koenne nur "in Nischen rutschen" und "im Verbund mit anderen Partnern ueberleben".

Von einem "gemeinsamen Herangehen" haelt auch der RZ-Leiter des vor kurzem privatisierten Rechenzentrums des Stahl- und Walzwerks Brandenburg, Detlev Voigt, sehr viel. Das neue Informatikzentrum Brandenburg will sich vom frueheren Anwender zum Anbieter profilieren. Da seien die Erfahrungen der ostdeutschen Firmen, "die es bereits geschafft haben", "fuer uns sehr praktische Hinweise", so Newcomer Voigt.

Gemeinsame Gespraeche und Workshops standen auf der UVI-Konferenz im Vordergrund. Ein Konzept, das alle Beteiligten ueberzeugt habe, obwohl sich der Vorstand eine noch staerkere Beteiligung gewuenscht haette.

Dafuer ging es zum Stichwort Zusammenarbeit auf dem DV-Seminar sogleich in praxi: Unter dem Motto "Software-Industrie-Initiative" soll eine "Gesellschaft zur Foerderung der mittelstaendischen Software-Industrie Berlin-Brandenburg e.V." ins Leben gerufen werden, verkuendete Pedro Schaeffer von der Berliner Condat GmbH. Das Ziel sei eine Zusammenarbeit zwischen Softwerkern, Landesregierungen, Verbaenden und der Grossindustrie. Unter anderem will der Verein die "Kooperation zwischen den Softwarehaeusern vorantreiben", beispielweise bei der ISO-9000-Umstellung. Die Initiatoren hoffen auf viele Mitglieder: Hersteller, Anwender, Forschungsinstitute und Beraterfirmen sind gefragt, um "eine breite Basis zu haben". Vorbild fuer die Gruendung ist ein Modell in Nordrhein-Westfalen gleicher Art.