Feedback, Motivation, Kritik

Endlich wieder Jahresgespräche!

21.11.2013
Von 
Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.
Sie sind als zeitraubender "Pain-Point" verschrien, dabei sind sie sehr wertvoll: Jahresendgespräche. Wir verraten, wie CIOs sie nutzen können und was sie selbst davon haben.

Alle Jahre wieder - wie Weihnachten - stehen sie an: die Jahresendgespräche. Zahlreiche Mitarbeiter begeistert diese Aussicht wenig, denn ihnen ist die jährliche Leistungsrückschau unangenehm. Einigen Führungskräften geht es da nicht anders. Wir haben zwei CIOs gefragt, wie sie sich auf Jahresendgespräche vorbereiten. Sie haben uns verraten, warum sie die Gespräche sehr schätzen.

In Jahresendgesprächen sollten Erfolge, aber auch Probleme angesprochen werden.
In Jahresendgesprächen sollten Erfolge, aber auch Probleme angesprochen werden.
Foto: DOC RABE Media - Fotolia.com

Verschreckte Mitarbeiter

Gilbert Riegel, IT Leiter des Telekommunikationsherstellers Gigaset Communications GmbH hat eine Erklärung dafür, dass Mitarbeiter die Gespräche nicht sonderlich mögen. Einige von ihnen tendierten dazu, sich schlechter einzuschätzen, als er sie einschätze. "Ich habe einige Mitarbeiter, die wirklich hart arbeiten und sehr tief in Ihren Themen sind. Zu ihnen kann ich dann nur sagen: 'Weiter so'. Sie selbst aber hätten sich selbst ein wenig negativer gesehen", erzählt Riegel. Ein Jahresendgespräch kann den Kollegen also zeigen, wo sie tatsächlich stehen und für Entlastung sorgen.

Dass einige Chefs die Jahresendgespräche nicht sonderlich gern führen, dafür sieht Harry Walter, CIO der Johnson Controls Automotive Electronics GmbH, einen einfachen Grund: "Viele Führungsverantwortliche sehen sie als "Pain-Point" an, weil sie viel Zeit kosten", erklärt Walter. Einigen Entscheidern fällt es schwer, im vollen Terminkalender noch zusätzlich Platz zu schaffen. Ganz so leicht fällt dies auch Walter nicht: Zwar sei es auch für ihn manchmal schwierig, im Tagesablauf ausreichend Zeit oder den richtigen Zeitpunkt zu finden - er nimmt sie sich aber trotzdem: "Die Zeit für das Gespräch ist mir sehr wichtig", sagt Walter entschieden.

Gilbert Riegel, IT-Leiter des TK-Herstellers Gigaset:"Jahresgesprächezeigen, wo der Mitarbeiter tatsächlich steht."
Gilbert Riegel, IT-Leiter des TK-Herstellers Gigaset:"Jahresgesprächezeigen, wo der Mitarbeiter tatsächlich steht."
Foto: Gigaset

Daher rechnet er lieber etwas mehr Zeit dafür ein: "Das Gespräch dauert etwa zwei Stunden - und die möchte ich mir auch nehmen", sagt Walter. Viel Zeit, die sich ein Führungsverantwortlicher erst einmal freihalten muss. Ähnlich sieht es auch CIO Riegel. Ein Gespräch einfach "abzuarbeiten" hält er für sehr problematisch. Er plant ebenso etwa zwei Stunden für jeden Mitarbeiter ein: "Auch das ist ungewohnt für Mitarbeiter, denn im Alltag ist man selten so lange in direktem Kontakt", sagt Riegel. Umso wichtiger sei es daher, die Gespräche strukturiert anzugehen und so Orientierung zu bieten.

Gespräche ernst nehmen

Beide Seiten, Vorgesetzter und Mitarbeiter, sollten Jahresendgespräche ernst nehmen. CIO Riegel erzählt, dass er sich, als er noch Mitarbeiter war, viele Gedanken dazu gemacht habe - als Chef halte er das nicht anders. Er rät Mitarbeitern sich entsprechend vorzubereiten: "Man sollte sich Gedanken darüber machen, was man in diesem Jahr erreicht hat, welche Umstände es gab, wie man sich persönlich entwickelt hat und welche Perspektiven man im kommenden Jahr für sich hat", sagt Riegel. Eine gute Vorbereitung nehme für den Mitarbeiter bis zu einem Tag in Anspruch. Dass der Vorgesetzte sich ebenfalls vorbereiten muss, hält Riegel für selbstverständlich.

Das einzige Problem daran ist: Das Jahr eines Entscheiders ist gut gefüllt mit Terminen und es kann schwerfallen, sich an die einzelnen Projekte von vor einem Jahr zu erinnern. CIO Walter hat da seine ganz eigene Methode entwickelt: "Ich werfe einen Blick auf die vereinbarten Ziele und reflektiere nicht nur was erreicht wurde, sondern vor allem auch wie der Mitarbeiter die Ergebnisse erreicht hat. Oftmals schaue ich zusätzlich auch auf den E-Mail-Austausch zu bestimmten Themen oder Situationen, um dem Mitarbeiter ganz konkretes Feedback zu bestimmten Kommunikations- und Verhaltensweisen geben zu können", sagt Walter. Mit dieser kleinen Erinnerungsstütze sieht er sich gut gerüstet für das Gespräch.

Doch nicht nur die harten Fakten - Zielerreichung, Projektstatus und Ähnliches - sind dem CIO wichtig. "Ich versuche, die Beziehung zu dem Mitarbeiter zu reflektieren", sagt Walter. Er macht sich Gedanken darüber, wie intensiv der Austausch mit dem Mitarbeiter ist und wo er selbst noch etwas verbessern könnte. Das thematisiere er im Gespräch.

Mindestens so wichtig wie eine gründliche Vorbereitung ist es, das Jahresendgespräch persönlich zu führen. Doch gerade in internationalen Unternehmen fällt das oft schwer, wie CIO Walter berichten kann: "Da ich ein globales Team leite, muss ich einige Gespräche zwangsweise per Telefon führen", sagt Walter. Ein persönliches Gespräch unter vier Augen lässt er sich dennoch nicht nehmen, berichtet er. Sobald er den Mitarbeiter das nächste Mal treffe, setze er sich mit ihm zusammen und hole das Gespräch nach. "Das lasse ich mir nicht nehmen", sagt Walter. Gerade wenn man Mitarbeiter an verschiedenen Standorten hat, wird das Thema Jahresendgespräche umso wichtiger, setzt CIO Riegel hinzu.

Entspannte Atmosphäre

Ein Chef kann dafür sorgen, dass die Anspannung bei seinen Mitarbeitern sinkt. Dabei spielt die Atmosphäre eine wichtige Rolle. "Ich gestalte das Jahresendgespräch relativ informell", erzählt Walter. In dem Gespräch wohne eine gewisse Emotionalität inne, die nicht gestört werden sollte, meint Walter. Dazu gehöre es auch, das Telefon auf lautlos zu stellen und die Tür zu schließen.

Harry Walter, CIO der Johnson Controls Automotive Electronics GmbH
Harry Walter, CIO der Johnson Controls Automotive Electronics GmbH
Foto: Harry Walter

Zwar müsse er mit dem Mitarbeiter Entwicklungsziele für das nächste Jahr vereinbaren und andere Formalien einhalten. Den offiziellen Bogen, den er im Gespräch ausfüllen müsse, habe er nur als Gedächtnisstütze dabei, berichtet er. "Ich würde niemals anfangen, im Gespräch zu tippen. Das stört die Atmosphäre", sagt Walter. Dafür nehme er sich dann hinterher zusätzlich Zeit. Auch dies sei ein zusätzlicher Aufwand - der sich aber auf jeden Fall lohne. Das Ziel des Jahresendgesprächs ist es, dem Team Feedback zu geben. Eigentlich sei das nicht unbedingt nötig, meint CIO Walter, schließlich arbeite er mit seinen Mitarbeitern fast täglich zusammen. Ein Austausch finde da immer statt. Aber die Gesamtrückschau tut beiden, Mitarbeiter und Chef, gut und vermittelt noch einmal die Leistungen in Gänze. "Ich bespreche mit dem Mitarbeiter, was gut lief und was nicht und wo Verbesserungspotenzial besteht", sagt Walter. "Solche Gespräche sind der ideale Zeitpunkt auch zu besprechen, ob und wie sich ein Mitarbeiter weiterentwickeln und wie er seine fachliche Kompetenz ausbauen kann", fügt Riegel hinzu.

Entscheider können das Jahresendgespräch zudem für Feedback für sich selbst nutzen. "Mir ist es auch wichtig, dass ich Feedback von meinem Mitarbeiter bekomme", sagt CIO Walter. Dem kann sich Riegel nur anschließen: "Ich sehe das Jahresendgespräch als Dialog", sagt Riegel. Auch und gerade als Führungsverantwortlicher brauche er ab und an Feedback über sein Führungsverhalten, fügt Walter hinzu. "Wenn ein Mitarbeiter das Gefühl hatte, dass ich nicht häufig genug Informationen mit ihm ausgetauscht habe, dann soll er das ganz offen sagen", sagt Walter. Feedback von seinen Kollegen über seinen Führungsstil sei ihm sehr wichtig.

Probleme ansprechen

Nicht immer läuft alles glatt während eines Jahres. Egal, ob Privates die Arbeit belastet, oder ob sich der Mitarbeiter beispielsweise in einer neuen Aufgabe zu Recht finden muss - gelegentlich werden Aufgaben nicht optimal erledigt. Das müsse angesprochen werden, sagen beide CIOs. "Ich muss versuchen, mit dem Mitarbeiter eine Lösung zu finden", sagt Walter. Darauf zielt auch Riegels Ratschlag ab: "Eine Führungskraft darf die Dinge nie schön reden", sagt Riegel. Aber der Ton mache eben die Musik. Riegel warnt nachdrücklich davor, dem Kollegen einfach nur Kritik hinzuwerfen, ohne mit ihm gemeinsam im Jahresendgespräch eine Lösung zu erarbeiten. "Man darf da den Mitarbeiter nicht einfach stehen lassen sollte es Kritik geben, muss diese Ansporn sein und nicht demotivieren", sagt er.

Perspektiven schaffen

Die Pläne für die Weiterentwicklung können Chef und Mitarbeiter gemeinsam schmieden. Das vermittelt Mitarbeitern Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten, unabhängig von ihrer Leistung. "Wir vereinbaren auch Trainingsmaßnahmen oder etwa persönliche Ziele, die er erreichen will", sagt Walter. Für Mitarbeiter, die etwa ihr Englisch verbessern wollen, arrangiere man dann entsprechend Kurse oder vereinbare, in kleinerem Rahmen oder vor bekannten Kollegen einen Vortrag zu halten.

"Realistische Perspektiven sorgen für positive Stimmung und ermöglichen es dem Mitarbeiter, gestärkt aus dem Gespräch zu gehen", sagt Riegel. Schließlich freuen motivierte Mitarbeiter auch den Chef, wie CIO Walter aus eigener Erfahrung weiß: "Ein Mitarbeiter hat sich jahrelang schwer getan mit den Change-Prozessen", erzählt er. "In einem Jahresendgespräch kam er dann darauf, dass er sich enorm verbessert hat. Das war sehr schön, wie mein Mitarbeiter erkannt hat, was er alles erreicht hat", sagt Walter. Ohne das Jahresendgespräch wäre diese Erkenntnis nicht möglich gewesen. Vielleicht sagt Walter auch deshalb voller Überzeugung: "Ich führe gern Jahresendgespräche."

Eigentlich, so ist er überzeugt, müsse man die Gespräche sogar häufiger führen. Denn in fast allen Unternehmen wird in Jahresendgesprächen die Zielerreichung besprochen. Ob das so sinnvoll ist, daran hat CIO Walter seine Zweifel. "Die Zielvereinbarungen müssten eigentlich in jedem Quartal angepasst werden. Unser Bereich ist so schnelllebig, nach einem Jahr sind dann zum Beispiel drei von zehn Zielen gar nicht mehr aktuell", sagt Walter. Natürlich würde das dementsprechend in der Zielerreichung berücksichtigt - den Mitarbeiter macht es trotzdem nervös. "Ich denke, dass in Zukunft häufiger Gespräche geführt werden", sagt Walter. Aus den Jahresendgesprächen werden vielleicht Quartalsgespräche. Für Walter kein Problem. So kann er sich noch intensiver um seine Mitarbeiter kümmern.

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