CES 2013

Rollende Computer erobern die CES

10.01.2013
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Obwohl nur wenige Tage vor der wichtigen Motor Show in Detroit, geben sich immer mehr Hersteller aus dem Automotive-Umfeld bereits auf der CES ein Stelldichein. Der Grund: Elektronik spielt beim Thema Fahrspaß, aber auch bei der Sicherheit eine immer stärkere Rolle.

Wolfgang Dürheimer, seines Zeichens Entwicklungschef von Audi, trägt nicht allzu dick auf, wenn er Autos mit einem Zwinkern als „sehr schnelle mobile Geräte“ oder rollende Hochleistungsrechner bezeichnet. Mehr als 5000 Halbleiter sorgten in einem Auto dafür, dass das Fahrzeug die Spur hält, die Übertragung zwischen Motor und Getriebe funktioniert, Highspeed-Internet zur Verfügung stehe und Infotainment-Systeme funktionierten, erklärt er auf der Pressekonferenz des Ingolstädter Autobauers auf der diesjährigen CES. Sein Kollege Ricky Hudi, Leiter Entwicklung Elektrik/Elektronik bei Audi, stimmt ihm zu. „90 Prozent der Innovationen bei Autos hängen inzwischen direkt oder indirekt mit Elektronik zusammen“, führt Hudi aus. Dabei habe der Fokus von Audi im vergangenen Jahrzehnt noch darauf gelegen, das Auto in sich zu vernetzen. In diesem Jahrzehnt werde es unter nahtlos mit der Umwelt verbunden – mit dem Fahrer, dem Internet, der Infrastruktur und mit anderen Fahrzeugen.

Bis zum Ende dieser Dekade will Audi auch bei den Fahrassistenzsystemen deutlich vorankommen, um den Fahrern das mobile Leben weiter zu erleichtern. das entsprechende Szenario dürfte wohl jedem Autofahrer bekannt sein: Man hat endlich das gewünschte Fahrtziel erreicht, doch zu früh gefreut – erst muss noch mühsam und teilweise immens zeitaufwändig ein Parkplatz für den Wagen gesucht werden.
Geht es nach Audi, soll dieser Prozess in Zukunft deutlich schneller und einfacher ablaufen: Man steigt am Zielort aus und überlässt es dem Auto, selbst einen geeigneten Parkplatz anzusteuern, in einem Parkhaus, später aber auch an der Straße. Nach dem Termin lässt man sich dann von seinem Fahrzeug am Eingang abholen.

Wie die Ingolstädter in der Parkgarage einer Hotelanlage in Las Vegas anhand eines dafür ausgerüsteten A7 demonstrierten, ist Audi mit dem Projekt Pilotiertes Parken bereits ziemlich weit fortgeschritten. Das weitgehend seriennahe Fahrzeug fährt tatsächlich alleine um die Ecke und navigiert sich rückwärts in einen freien Parkplatz zwischen zwei längsstehenden Autos. Auch die Abholung funktioniert von kleineren Anlaufschwierigkeiten abgesehen reibungslos: Kurz nachdem der Fahrer den A7 über eine spezielle Smartphone-App gerufen hat, wird das führerlose Auto wie von Geisterhand aktiviert, der Motor startet, das Fahrzeug parkt wieder aus und rollt gemächlich herbei, um seinen Fahrer aufzunehmen.

Für die Umsetzung dessen, was beim Zuschauen fast schon spielerisch aussieht, kommt umfangreiche Technik zum Einsatz. So war der Parkhausbereich für die Demonstrationen etwa mit speziellen Lasersensoren präpariert. Abgesehen von dem noch etwas groß ausgefallenen Steuergerät zur Berechnung und Überwachung der Fahrtroute, dem am Bug angebrachten Laserscanner und spezieller Sensoren kommen aber schon eine Reihe von Systemen zum Einsatz, die bereits serienreif sind. Dazu zählt etwa ein Spurassistent, der im Normalfall überwacht, dass das Auto die Begrenzungslinien der Fahrspuren einhält und bei Bedarf auch eingreift. Auch bei dem Parkassistenten oder der automatischen Distanzregelung „Adaptive Cruise Control“ handelt es sich bereits um Serientechnik. Audi ist daher zuversichtlich, dass Pilotiertes Parken noch in diesem Jahrzehnt Realität wird, ebenso wie das eng verwandte Pilotierte Fahren.

Um auf letztem Gebiet weitere Erfahrungen zu sammeln, hat Audi nun als erster Automobilhersteller die Lizenz erhalten, mit seinen computergesteuerten Fahrzeugen im US-Bundesstaat Nevada auf öffentlichen Straßen zu fahren. Ähnliche Lizenzen haben allerdings auch schon Google und der Automobilausrüster Continental. Wie Audi-Entwicklungschef Dürheimer auf der Pressekonferenz im Rahmen der CES betonte, ist das auf maximal 60 Stundenkilometer beschränkte Pilotierte Fahren dafür gedacht, dem Fahrer in unangenehmen Situationen wie längeren Autobahnstaus zu unterstützen. Die Verantwortung bleibe jedoch beim Piloten, fügte er hinzu. "Und wenn ich Spaß haben will, fahre ich selbst.“ Wegen der besonderen Verkehrssituation hält Audi es für möglich, dass der „Autopilot“ zunächst in Ländern wie Japan oder USA eingeführt werden könnte. Schwieriger werde es in Ländern, die das Wiener Wiener Abkommen vom 1968 unterzeichnet haben, darunter auch Deutschland. Dort heißt es in Artikel 8, Absatz 5, der auch die Haftungsfrage bei Unfällen regelt, dass jeder Lenker immer in der Lage sein muss, sein Fahrzeug zu kontrollieren oder seine Zugtiere zu steuern. Dennoch sind die Ingolstädter zuversichtlich, nicht zuletzt dank Googles Car-Projekt sei das Thema bereits populär geworden.

Für den Konkurrenten Toyota stellt ein selbstfahrendes Auto nur einen Teilaspekt bei ihrer Forschung an dem Auto der Zukunft dar. „Unsere Vision ist eher ein Fahrzeug, das mit einem intelligenten, immer wachsamen Co-Piloten ausgestattet ist, und dadurch für eine sicherere Fahrweise beiträgt“, erklärt Mark Templin, Toyota-Manager und Chef der Luxuswagentochter Lexus. Die Japaner führten auf der CES den Prototypen eines „Active Security Cars“ vor. Das Testfahrzeug basiert auf einem Nexus LS, erinnert wegen der vielen Aufbauten aber nur noch entfernt an das Serienmodell. So ist der Prototyp unter anderem mit einem neuartigen 360-Grad-LIDAR-Laser System (Light Detection and Ranging) ausgestattet, das Gegenstände bis zu einer Entfernung von 70 Metern erkennt. Drei hochauflösende Kameras können zudem Objekte bis zu einer Entfernung von 150 Metern wahrnehmen, darunter auch Ampeln und ihre Farben. Außerdem verfügt das Fahrzeug über weitere Radarsensoren an der Front und an den Seiten, die den Nahbereich rund um das Auto im Blick haben.

Ein weiterer zentraler Bestandteil der Toyota-Sicherheitsstrategie ist die Erforschung intelligenter Verkehrssysteme (Intelligent Transport Systems – ITS), um das Fahrzeug mit seiner Umgebung kommunizieren zu lassen. Zur Beschleunigung der Entwicklung von Car-to-Car (C2C) sowie Car-to-Infrastructure -Kommunikationssystemen (C2I) haben die Japaner im vergangenen November eine neue Testanlage in Toyota City in Betrieb genommen. Dort wurde ein wirklichkeitsgetreues städtisches Umfeld mit Straßen und Verkehrszeichen eingerichtet, um die Kommunikationssysteme unter echten Bedingungen zu testen.

Mit Hilfe der neuen Technologien können Fahrzeuge untereinander und mit der Infrastruktur über Kurzwellensignale (DSRC = Dedicated Short Range Connections) kommunizieren, um beispielsweise Kollisionen an unübersichtlichen Kreuzungen oder beim Spurwechsel zu verhindern. Auch Zusammenstöße mit Fußgängern und anderen Verkehrsteilnehmern sollen auf diese Weise vermieden werden.

In den USA, wo jährlich mehr als 30.000 Menschen bei Fahrzeugunfällen ums Leben kommen, arbeiten Forscher von General Motors an einer ähnlichen Lösung. Anstatt via DSRC kommunizieren die Verkehrsteilnehmer dabei über drahtlose Peer-to-Peer-Verbindungen auf Basis von Wi-Fi Direct. Der Vorteil: Da der Wireless-Standard bereits von vielen Smartphones und anderen Geräten unterstützt wird, könnten auch Passanten und andere Verkehrsteilnehmer über eine spezielle App auf sich aufmerksam machen. In Autos würde Wi-Fi Direct in bestehende Fahrassistenzsysteme integriert, die Sensoren zur Objekterkennung verwenden.

Zusammen mit anderen Fahrzeugherstellern ist GM auch an einer einjährigen Pilotstudie mit knapp 3000 Autos, LKWs und Bussen beteiligt, die das US-Verkehrsministerium DOT im August 2012 gestartet hat. Ziel ist es, die Praktikabilität und Effektivität von Systemen zur C2C- und C2I-Kommunikation zu testen. Die Erwartungen sind hoch: Nach Schätzungen des DOT könnten bis zu 80 Prozent der Zusammenstöße vermieden werden – Fälle, in denen der Fahrer in seiner Wahrnehmung beeinträchtigt war, allerdings ausgeschlossen. Damit ein entsprechendes System Wirkung zeigt, müssen allerdings ein Großteil der über 250 Millionen Fahrzeuge in den USA direkt oder indirekt miteinander kommunizieren können. In dem Pilotprojekt werden daher auch einfache Geräte aus der Zubehörindustrie getestet, die anhand eines empfangenen Signals die Position des Absenders ermitteln können und – wichtiger – selbst auf sich beziehungsweise eine potenzielle Gefahr hinweisen können. Basierend auf den Ergebnissen will die US-Bundesbehörde für Straßen- und Fahrzeugsicherheit (NHTSA) noch in diesem Jahr eine Entscheidung bezüglich der Einführung treffen.