2007: Der Markt für Smartphones - Mobile E-Mails sind der Hit

28.09.2007
Von Christian Weyer
Die Ära der Personal Digital Assistants, kurz PDA, geht zu Ende. Professionelle Anwender setzen stattdessen auf Smartphones, eine Kreuzung aus Mobiltelefon und Handheld-Rechner.

Mit den handlichen Geräten rufen Firmenmitarbeiter ihre E-Mails ab, führen Telefonate und greifen auf Unternehmensanwendungen zu. Die Zeiten, in denen sich Mitarbeiter von Firmen mit einem digitalen Assistenten von Palm oder einem "iPaq" von Hewlett-Packard schmückten, gehen zu Ende. Personal Digital Assistants verlieren seit einigen Jahren an Boden, so auch 2006. Das belegen Daten der Markforschungsgesellschaft IDC.

Demnach verkauften die Anbieter im vergangenen Jahr weltweit an die 5,47 Millionen PDAs, rund 28,8 Prozent weniger als 2005. Alle drei führenden Anbieter von Handhelds mussten Federn lassen. Palm, mit 1,98 Millionen verkauften Geräten die Nummer eins, verbuchte einen Absatzrückgang von 28,3 Prozent. Der Zweitplatzierte Hewlett-Packard konnte 1,21 Millionen iPaqs an den Mann bringen, mehr als eine halbe Million weniger als 2005. Noch härter traf es Dell, die Nummer drei im Markt. Der Hersteller setzte 33,4 Prozent weniger Handheld-Rechner ab als im Vorjahr. Mittlerweile hat das Unternehmen daraus die Konsequenzen gezogen und ist aus dem PDA-Markt ausgestiegen.

Die Top10-Smartphone-Anbieter 2006 in Westeuropa nach Stückzahlen (Quelle: Gartner)

Hersteller

Marktanteil (in Prozent)

1. Nokia

83,9

2. Research in Motion

4,3

3. Sony Ericsson

3,4

4. HTC

2,4

5. Palm

1,3

6. Orange

1,3

7.T-Mobile

0,9

8. i-mate

0,6

9. Vodafone

0,5

Samsung

0,2

Nur zwei Firmen konnten 2006 mehr Geräte als im Vorjahr verkaufen. Die eine ist der taiwanische Hersteller Mio Technology. Er tritt mit Geräten unter dem Betriebssystem Windows Mobile das Erbe von HP, Palm und Co. an. Im vergangenen Jahr setzte Mio laut IDC fast 443 000 Handhelds ab, im ersten Quartal 2007 rund 139 000. Das Erfolgsgeheimnis der Firma: preisgünstige Geräte, die sich dank integriertem GPS-Chip (Global Positioning System) auch als Navigationssystem einsetzen lassen.

Zu den größten Überraschungen im PDA-Markt gehörte 2006 Sharp. Die Japaner verkauften rund 300 000 digitale Assistenten. Allerdings läuft es in diesem Jahr deutlich schlechter. Im ersten Quartal fanden 44 000 Geräte des Unternehmens einen Abnehmer. Das waren 55,6 Prozent weniger als im selben Zeitraum des Vorjahrs.

Der Trend ist eindeutig: Klassische PDAs mutieren vom Handwerkszeug mobiler Mitarbeiter zu Nischenprodukten. "Die wachsende Beliebtheit von Smartphones in Verbindung mit sinkenden Preisen bei Notebook-Rechnern hat den Druck im Marktsegment Handheld-Rechner enorm erhöht", erläutert Ramon Llamas, Spezialist für mobile Geräte beim Marktforscher IDC.

Nur in Nischen dürften PDAs mit integrierten Kommunikationsfunktionen weiterhin Verwendung finden, etwa in Krankenhäusern, dem Einzelhandel, Industrieunternehmen oder der Transport- und Logistikbranche. Zu den Herstellern, die Geräte für den Einsatz in den genannten Branchen entwickelt haben, zählt Motorola. Die Systeme stammen eigentlich von Symbol Technologies, die Motorola Anfang des Jahres für 3,9 Milliarden Dollar übernahm.

Die digitalen Assistenten der Reihe "MC" wurden speziell für den Einsatz in Industrie und Handel entwickelt. Sie sind für raue Umgebungsbedingungen wie Feuchtigkeit und Hitze ausgelegt und verfügen über eine Wireless-LAN-Anbindung. Einige Modelle, die beispielsweise in der Lagerhaltung eingesetzt werden, sind mit einem Barcode-Scanner oder einem RFID-Lesegerät (Radio Frequency Identification) ausgestattet. Damit lassen sich die Daten von Funkchips auslesen, die beispielsweise an Containern oder medizinischen Geräten befestigt sind.

Auch die Integration von GPS-Chips und Multimedia-Funktionen, etwa für das Abspielen von Musikdateien oder Videos, wird nach Einschätzung von Marktforschern den Niedergang der PDA-Sparte nicht verhindern. "Die Anwender schaffen sich lieber spezielle Multimedia-Player oder Navigationssysteme an als einen PDA", so IDC-Spezialist Ramon Llamas.

Statt zum digitalen Assistenten greifen immer mehr Geschäftsanwender zu einem Smartphone. Diese Geräte vereinen die Funktionen eines Mobiltelefons mit denen eines digitalen Assistenten und eines mobilen Internet-Zugangssystems.

Der PDA-Markt in Westeuropa 2006 nach Stückzahlen (Quelle: Gartner)

1. Mio Technology

13,9

2. Hewlett-Packard

11,9

3. Research in Motion

11,4

4. Nokia

10,8

5. HTC

8,8

6. T-Mobile

5,5

7. Acer

5,4

8. Palm

5,2

9. O2

5,0

10. Orange

3,5

Zu den Anwendungen, die sich bei professionellen Nutzern von Smartphones besonderer Beliebtheit erfreuen, zählt die "mobile E-Mail" oder "Wireless-E-Mail", also das Empfangen und Versenden elektronischer Post über Mobilfunknetze und Wireless LANs. Die kanadische Firma Research in Motion (RIM) hat mit ihren "Blackberry"-Smartphones auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet und der "Push-E-Mail" den Weg bereitet: Elektronische Nachrichten werden in Echtzeit vom E-Mail-Server von RIM zum mobilen Endgerät weitergeleitet.

Push-E-Mail ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass RIM im vergangenen Jahr seine Position im Smartphone-Markt behaupten konnte. Laut IDC verkaufte das Unternehmen weltweit rund sechs Millionen Geräte, etwa 1,9 Millionen mehr als 2005. Mit einem Marktanteil von 7,5 Prozent lag RIM damit hinter Nokia auf dem zweiten Platz. Die Finnen behaupteten mit 38,7 Millionen verkauften Smartphones unangefochten Platz eins.

Vor allem in Europa sind die Business-Geräte der "E-Series" von Nokia beliebt. Hier liegt der Marktanteil des Unternehmens bei mehr als 50 Prozent. Anders dagegen in Nordamerika: Dort hat Nokia bei Geschäftskunden nach wie vor keinen guten Stand. Amerikaner und Kanadier greifen lieber zu Geräten von RIM, Palm oder Motorola. Um seine Position im nordamerikanischen Markt zu verbessern, spielte Nokia Anfang 2007 mit dem Gedanken, Palm und damit dessen "Treo"-Smartphone-Reihe zu übernehmen. Allerdings kamen Private-Equity-Firmen Nokia zuvor und sicherten sich die Mehrheit an dem Hersteller von Handheld-Rechnern.

Apropos Palm: An diesem Unternehmen wird deutlich, wie schwer der Umstieg von PDAs zu mobilen Kommunikationsgeräten fällt. Palm war einer der Pioniere im Handheld-Markt. Mittlerweile bietet die US-Firma nur noch drei PDAs an, dagegen fünf Smartphone-Modelle. Speziell in Deutschland hat Palm jedoch zu kämpfen, um sich gegen Blackberry, Nokia und den taiwanischen Hersteller HTC zu behaupten. HTC beliefert Vodafone ("VDA"), T-Mobile ("MDA"), O2 ("XDA") und E-Plus mit Smartphones, auf denen Windows Mobile installiert ist. Mittlerweile vermarktet das Unternehmen die Produkte auch unter eigenem Namen.

Zu den Unternehmen, die den Trend zu mobilen Kommunikationsgeräten für Business-Anwender verschlafen haben, zählt Hewlett-Packard. HP ruhte sich allzu lange auf den Lorbeeren aus, einer der weltweit größten Lieferanten von digitalen Assistenten zu sein. Erst vor drei Jahren begann die Firma, Geräte mit Mobiltelefon-Funktion und integrierter Tastatur auszuliefern.

Jetzt versucht HP, diesen Fehler wiedergutzumachen. Im Februar dieses Jahres brachte das Unternehmen mit dem "HP iPaq 514 Voice Messenger" sein erstes reines Smartphone auf den Markt. Das Problem: Mobilfunkfirmen wie Vodafone, T-Mobile, E-Plus oder O2 haben längst Produkte von Konkurrenzfirmen in ihr Portfolio aufgenommen und lassen den Voice Messenger außen vor.

Auch Motorola vernachlässigte lange Zeit den Bereich Mobilgeräte für Geschäftskunden. Stattdessen setzte der Konzern auf das Geschäft mit Musik-Handys wie dem "Razr" und "Krzr". Die harte Konkurrenz in diesem Segment und sinkende Absatzzahlen sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass Motorola in einer Krise steckt. Mit dem "Moto Q", einem Smartphone unter Linux mit Wireless-E-Mail-Funktion, will der Hersteller nun wieder mehr professionelle Nutzer gewinnen.

Nach Einschätzung von IDC werden Smartphones in den kommenden Jahren verstärkt in kleinen und mittelständischen Firmen Einzug halten. Bislang statten vor allem Großunternehmen ihre Mitarbeiter mit Smartphones aus, speziell Firmen in den USA und Kanada. Laut IDC gingen rund 42 Prozent der 80,5 Millionen Geräte, die 2006 weltweit verkauft wurden, an Nutzer in den USA. Zumindest bis 2011 bleibt Nordamerika der größte Markt für Smartphones, gefolgt von Westeuropa.

Diese Entwicklung wird durch den Erfolg von "Wireless-E-Mail" verstärkt. Nach Daten der Marktforschungsfirma Gartner senden und empfangen derzeit etwa 20 Millionen Nutzer elektronische Nachrichten über Smartphones oder Notebooks mit WLAN- oder Mobilfunkmodul. Bis 2010 soll diese Zahl auf 350 Millionen steigen. Rund 20 Prozent aller elektronischen Postfächer lassen sich dann via Wireless-E-Mail erreichen.

Diesen Trend möchte sich vor allem Microsoft zunutze machen. Der Softwarehersteller hat mit "Direct Push" ein Push-E-Mail-Verfahren entwickelt, das mit dem von RIM ("Blackberry") konkurriert. Nutzer von mobilen Geräten mit Windows Mobile 5 oder 6 können sich von einem "Exchange"-Server von Microsoft automatisch Nachrichten zustellen lassen. Zusätzlich haben sie die Möglichkeit, Kontaktdaten, Termine oder Aufgabenlisten mit dem Server im Firmennetz abzugleichen.

Vor allem für Unternehmen, die auf Exchange als Kommunikationsplattform setzen, dürfte die Lösung von Microsoft einen gewissen Reiz haben. Die neue Version Exchange Server 2007 unterstützt von Haus aus Direct Push.

Auch Motorola hat sich durch die Übernahme der amerikanischen Firma Good Technology Know-how im Bereich "Mobile Messaging" und Push-E-Mail gesichert. Aus dem gleichem Grund hat Nokia Intellisync zugekauft. Die "Intellisync Mobile Suite" bietet Anwendern von Nokia-Mobiltelefonen den Zugang zu E-Mails und Kontaktdaten, aber auch zu Geschäftsanwendungen aus den Bereichen Customer-Relationship-Management (CRM) oder Supply-Chain-Management (SCM).

Es ist absehbar, dass Geschäftskunden künftig bei der Auswahl eines mobilen Gerätes nicht nur die Hardware im Auge haben, sondern auch die Gesamtlösung, speziell die Anbindung an unternehmenskritische Anwendungen. Hersteller, die auf diesem Gebiet nichts zu bieten haben, werden zu den Verlierern zählen.

Noch ein kurzer Blick auf einige Trends, die sich bei intelligenten mobilen Geräten abzeichnen. Einer ist "Fixed Mobile Convergence", also das Zusammenwachsen von Festnetz- und Mobilkommunikation. Nokia und Avaya haben beispielsweise im Juli eine Lösung für die Smartphones der E-Serie vorgestellt. Sie erlaubt es dem Nutzer eines Mobiltelefons mit WLAN-Chip, innerhalb eines Unternehmens oder von einem öffentlichen Wireless-LAN aus Telefonate über ein Wireless LAN zu führen. Das erfolgt mittels eines Voice-over-IP-Clients auf dem Gerät. Ist kein Funknetz vorhanden, schaltet das Gerät auf das Mobilfunknetz um.

Eine zweite Entwicklung betrifft die Riege der Anbieter. Mit HTC, Acer, Samsung und Asus drängen Anbieter aus Fernost auf den Smartphone-Markt. Alle bevorzugen Windows Mobile als Betriebssystem. Das erhöht den Druck auf Firmen wie Nokia und Sony-Ericsson, die Symbian einsetzen, und auf RIM mit Blackberry.

Und damit verbunden ist ein dritter Trend: Mit Hilfe des Windows-Mobile-Lagers wird Microsoft seine Position im Bereich mobile Anwendungen ausbauen. In diesem Fall dienen Smartphones als Vehikel, um das Geschäft mit Exchange, Windows Server 2008 und Produkten für die Verwaltung mobiler Systeme anzukurbeln. Obwohl Microsoft nach eigenen Angaben keine Absichten hat, als Smartphone-Hersteller aktiv zu werden, dürfte der Konzern somit erheblich vom Trend zu Smartphones und mobilen Anwendungen profitieren.