Berlin hält seinen DV-Vorsprung

2 Millionen Bürger liegen auf EIS

02.04.1976

BERLIN - "Eines der größten Datenverarbeitungsverfahren Europas" stellte der Senator für Inneres, Kurt Neubauer, der Presse vor: Das Berliner Einwohnerinformationssystem (EIS). "Das Verfahren hat in Umfang und Qualität Modellcharakter - es setzt Maßstäbe im nationalen und internationalen Bereich", konnte der Senator stolz verkünden. Dieses "Berliner Verfahren" hat denn auch - wie schon das gleichnamige, aber völlig anders aufgebaute Verfahren zur "Integrierten Besteuerung" - beste Aussichten, von anderen Städten und Bundesländern übernommen zu werden.

1969 waren die ersten Beschlüsse gefaßt worden - Mitte 1970 begann die zweieinhalb Jahre dauernde "Datenübernahme" von Karteikarten auf Magnetband. 1973 gab es in Berlin die ersten vom Computer ausgedruckten Lohnsteuerkarten. Für den Rechner ein "Nebenbei-Produkt" - vorher, waren 100 Mitarbeiter und 45 Adressiermaschinen dafür sechs Tage lang im Einsatz.

1972 begannen parallel die Vorbereitungen für den Aufbau einer Einwohner-Datenbank in Zusammenarbeit mit Siemens - 1975 konnten das System-Prinzip auf der Hannover-Messe zum ersten Mal demonstriert werden. Jetzt faßte der zuständige Senator die Vorteile in den knappen Satz: "Statt der Bürger werden die Daten laufen."

Kürzere Wartezeiten und weniger Wege für den Bürger sind aber nur ein Pluspunkt unter mehreren. Früher mußten beispielsweise alle Wohnsitz- und Personenstandsveränderungen in wenigstens fünf Karteien und Platteien fortgeschrieben werden - jetzt genügt eine Speicherung in der Datenbank (PRISMA), aus der die Daten auch für vielerlei Planungen und Prognoserechnungen abgerufen werden können.

210 Mitarbeiter werden eingespart

Im Einwohnerwesen der Stadt Berlin sind derzeit rund 800 Mitarbeiter tätig - 210 von ihnen hofft man einsparen zu können, wenn das System vollständig läuft. Dann würden den jährlichen Sachkosten von 6,5 Millionen Mark für Rechenzeit und Terminals gleichhohe Einsparungen gegenüberstehen - und die oben genannten Vorteile wären gratis.

Wieviel Byte für einen Beamten

Außerdem soll das Verfahren als Kostenbremse wirken: Die Sachkosten haben eher sinkende als steigende Tendenz. Dazu brachte Senator Neubauer - beziehungsweise sein Ghost Writer - folgenden Vergleich: Die Kosten für 100 000 Zeichen auf Extern-Speicher im Direktzugriff sanken von 160 Mark pro Monat im Jahr 1970 auf 1,65 Mark im Jahr 1976. Dagegen stiegen die Kosten für einen BAT-VII-Angestellten in der gleichen Zeit von 15 000 auf 29 000 Mark jährlich.

Zentraler Großrechner dezentrale Erfassung

Bisher werden die Einwohnerdaten zentral erfaßt. Die zwölf Bezirkseinwohnerämter nehmen Änderungen per Datenfernverarbeitung vor und erhalten maschinell ausgedruckte Karteikarten. Im Lauf der nächsten zwei Jahre sollen alle über 100 örtlichen Meldestellen Sichtgeräte erhalten, von denen aus die erforderlichen Eingaben und Abfragen online erfolgen können. In absehbarer Zeit soll es in Berlin keine Einwohnerkartei mehr geben auch in keiner Außenstelle mehr. Ihre Aufgaben übernehmen 27 Magnetplattenspeicher 580 für die Datenbanken und 2 x 5 solcher Speicher, die Software und Tabellen aufnehmen. Rechner: 2x4004/150 Ó 1024 KB.

Die Anwenderprogramme stehen schon: Geburt, Ehe, Scheidung, Tod, Zuzug, Umzug, dazu Auskunft und Bescheinigung.

Nur gute Eigenschaften

Der "Kollege Computer" zeichnet sich - so Neubauer - durch "geringe Fehlerquote, minimale Ausfallzeiten und große Schnelligkeit" aus: "Entgegen anderslautenden Berichten werden verschwundene Bürger und Vorladungen für 100jährige zur Säuglingsimpfung die pressewirksame, Ausnahme bleiben. Im Gegenteil: Nach Einführung des bundeseinheitlichen Personenkennzeichens kann auch Namensverwechslungen vorgebeugt und die verwirrende Zahl von Akten- und Geschäftszeichen durch ein einheitliches Ordnungsmerkmal ersetzt werden." -py