Skepsis über IBMs neue Arbeitsplatzcomputer-Generation:

/2-Fehlstart durch Softwaremangel prophezeit

10.04.1987

MENLO PARK/MÜNCHEN (CW) - Zurückhaltung kennzeichnet die Reaktion des Marktes auf IBMs Personal System /2, das die alten PCs ablösen soll: Die Anwender seien nicht mehr bereit, blindlings PCs zu kaufen, nur weil sie das Firmenzeichen mit den drei Großbuchstaben trügen, konstatierte ein Mitarbeiter von PG&E in San Francisco. Big Blue müsse jetzt mit allen anderen Anbietern über den Preis und die Leistung konkurrieren. Am meisten besorgt seien die User um die Softwarekompatibilität: Sie fragten sich, ob ihre existierende Anwendungssoftware ohne Änderungen auf den neuen /2-Systemen Laufen könne.

Nach Ansicht von US-amerikanischen Fachleuten habe die IBM mit der Ankündigung der neuen PC-Familie eine schwierige Phase der Unsicherheit in der Computerindustrie und bei den Anwendern eingeleitet. Die drei neuen Basismodelle bedeuteten einen riskanten Versuch des Marktführers, das PC-Geschäft zu beleben und vor allem ihren traditionellen Markt, nämlich die großen Unternehmen, zu schützen, hieß es. Zahlreiche Analysten glauben, daß sich die Tatsache, daß ein Teil der neuen Produkte wie das Betriebssystem /2 und die Anwendungssoftware erst im nächsten Jahr verfügbar sein werden, ungünstig auswirken könne. Daher könne man derzeit noch nicht so recht absehen, was eigentlich auf die DV-Industrie zukommen werde.

Inzwischen hat IBM angekündigt, daß sie die Preise für einige ältere Modelle um bis zu 35 Prozent herabsetzen will, berichteten die Vereinigten Wirtschaftsdienste. Die Konkurrenz werde damit gezwungen, so Branchenbeobachter, sich diesem Schritt anzuschließen, wenn sie bei ihrer Strategie bleiben wolle, IBM im Preis zu unterbieten. Als mögliche Auswirkung wird herausgestellt, daß große Kunden in den USA die Anschaffung von PCs um einige Monate zurückstellen könnten.

Bei Bedarf noch alte

PCs oder Kompatible

Eine abwartende Position nehmen auch die von der COMPUTERWOCHE befragten bundesdeutschen Großanwender ein. Keinen der in den Unternehmen zuständigen DV-Strategen veranlassen die Ankündigungen der IBM zu überstürztem Handeln. Schließlich sei man es aus der Vergangenheit gewohnt, so ein Mitarbeiter bei einem großen Energieversorgungsbetrieb, daß sich nach Announcements des Marktführers erst einmal nichts tun werde. Auch sei es zuerst erforderlich, die Flut der vorgestellten Produkte im Detail zu analysieren.

Es spreche nichts dagegen, erläutert Dietrich Lüben, Referatsleiter Bürokommunikation und Anwenderservice beim ADAC in München, bei dringendem Bedarf alte IBM PCs oder ATs zu kaufen. Die Münchner würden für die Übergangszeit auch auf kompatible Geräte zurückgreifen. Schließlich werden die neuen Systeme nicht güterwagenweise in die Bundesrepublik geliefert, und außerdem sind dabei noch Hardwarefehler zu erwarten, so Lüben.

Anders verhält sich der Leiter des Zentralbereichs Unternehmensplanung bei BBC Mannheim. Hier ist ein Fremdgehen nicht vorgesehen; allerdings wird die Kaufentscheidung in einzelnen Fällen verschoben, teilte Dr. Edgar Alwers mit. Diese Zurückhaltung geht dabei zu Lasten der IBM. Mit den Preisen für die Personal Systeme /2 zufrieden erklären sich sowohl Dietrich Lüben als auch Reiner Gratzfeld, Leiter des Benutzerservice bei Henkel in Düsseldorf. Als Großkunde zahlt der ADAC beim IBM-Händler rund 7000 Mark für das System 50 und erhält dafür AT-Leistung. Das Problem liegt Lüben zufolge bei den größeren Maschinen mit höherer Leistung, für die es momentan - keine vergleichbaren Pendants gebe.

Ihre bisher getätigten Investitionen sieht BBC denn auch nicht gefährdet, wenn die Aufwärtskompatibilität gewährleistet sei, bestehende Anwendungen also auch uneingeschränkt auf den neuen Rechnern laufen könnten. Ob die Investitionen seines Arbeitgebers in den Sand gesetzt wurden, hängt für Reiner Gratzfeld davon ab, wie sich die Schilderungen der IBM bezüglich des neuen Betriebssystems in der Praxis zeigen.

Bei Henkel geht der Trend zum verstärkten Einsatz von PCs am Arbeitsplatz. Denn die Berechnungen hätten ergeben, daß die Zunahme speziell der IDV-Anwendungen auf dem Großrechner in einem derart raschen Tempo erfolge, daß in Abständen von eineinhalb bis zwei Jahren immer wieder ein neuer Großrechner erforderlich ist. Daher sei es günstiger, für viele Applikationen wie beispielsweise Textverarbeitung oder Grafik, die Intelligenz an den Arbeitsplatz zu bringen und nicht immer größere und teurere Mainframes hinzustellen, konstatiert Gratzfeld.

Dieser Ansicht ist auch der für die Planung der Informationstechnologien bei der Deutschen Shell AG Hamburg, zuständige Experte: "Die künftigen Kosten werden nicht so sehr bei der Hardware, sondern vielmehr bei der Software und der Infrastruktur der Vernetzung liegen", behauptet Wolfgang Tiemeier. Auch er ziehe es vor, sich für einige tausend Mark mehr zusätzliche Intelligenz am Arbeitsplatz zu leisten. Tiemeier: "Wir werden jedoch nicht von heute auf morgen unser DV-Equipment austauschen und erwarten, daß unsere Investitionen geschützt bleiben".