Sowjetunion will zur Informationsgesellschaft werden

17 Milliarden Rubel für die russische Computer-Industrie

08.12.1989

MÜNCHEN/MOSKAU (CW) - In der bisherigen Computer-Diaspora Sowjetunion hat der Oberste Sowjet beschlossen, die UdSSR zu einer "lnformationsgesellschaft" zu machen. Im nächsten Fünfjahresplan sollten deshalb 17 Milliarden Rubel in das staatliche Computerisierungsprogramm fließen.

Die Bereitstellung der immensen Summe zeigt deutlich, wieviel Wert die russische Regierung auf die Computerisierung ihrer Gesellschaft legt. Im letzten Fünfjahresplan war nur knapp die Hälfte des Geldes vorgesehen.

Der für die Informationstechnologie zuständige Ausschuß des Obersten Sowjet ist dabei, ein Programm auszuarbeiten, mit dem die Realisierung der ausgerufenen "lnformationsgesellschaft" begonnen werden soll. Nach Auskunft des stellvertretenden Vorsitzenden des Staatskomitees für Rechentechnik und Informatik (GKVTI), Vjacheslav V. Korchagin, sollen innerhalb dieses Programms alle sowjetischen Betriebe - ob Staatsbetriebe, Kooperativen oder Joint-ventures - finanziell unterstützt werden.

Als besonders wichtigen Punkt stellte der stellvertretende Vorsitzende des GKVTI heraus, daß die UdSSR sich bei ihren zukünftigen Entwicklungen an die international geltenden Standards halten will. "Wir verwenden jetzt, wenn wir Rechner, Netzwerke, Datenbanken und anderes entwickeln, international vorhandene Standards. Wir orientieren uns stark an den ISO-Standards. Unser Standard wird GOST heißen und den ISO-Richtlinien entsprechen."

Das Staatskomitee koordiniert nach Korchagins Angaben alle Aktivitäten der UdSSR auf dem Gebiet der Informationstechnik. Das GKVTI verwalte eigene Betriebe, zeichne für die Entwicklung von Standards und Normen verantwortlich und organisiere Schulungen für Fachleute aus allen Bereichen der sowjetischen Industrie. In der Etablierung und Koordination der sowjetischen Software-Industrie habe die Komitee-Arbeit einen Schwerpunkt, berichtete Korchagin in einem Gespräch mit der COMPUTERWOCHE. Als anderen wesentlichen Arbeitsbereich gibt er die Pflege internationaler Kontakte an. "Wir denken auch an eine internationale Arbeitsteilung in der Entwicklung und Produktion von Hard- und Software. Russische Fachleute arbeiten heute bereits in Ungarn an Aufträgen für westliche Unternehmen."

Großen Wert legt Korchagin auf die Ausbildung: "Nur wenn der Computer auf breiter Basis akzeptiert und eingesetzt wird, kann sich die Gesellschaft zu einer Informationsgesellschaft entwickeln". Im Gegensatz zu früher, als oftmals Wege beschritten worden sind, "die in Sackgassen endeten", prüfe die Sowjetunion heute möglichst viele Ideen auf ihre Realisierbarkeit. "Systemhaftes Denken" sei gefordert. In bezug auf die Hardware heißt das für Korchagin, die heute installierte Rechnerleistung drastisch zu erhöhen - im Mainframe-, Mini- und PC-Bereich. Auf PC-Hard- und Software lege man momentan so großen Wert, weil diese Rechner den einfachsten Weg darstellen würden, den Betrieben mehr Rechner zur Verfügung zu stellen. Deshalb werden die anderen Gebiete der Computertechnik aber nicht vernachlässigt, sagte Korchagin.