Vorsicht bei Stellenausschreibungen

13.000 Euro Entschädigung wegen Benachteiligung

27.03.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Arbeitgeber muss Ausschreibung überwachen

Dass die Stellenanzeige nicht von dem beklagten Unternehmen, sondern von der Rechtsanwaltskanzlei formuliert worden sei, ändere nichts; bediene sich der Arbeitgeber nämlich zur Stellenausschreibung eines Dritten, so sei ihm dessen Verhalten in aller Regel zuzurechnen. Den Arbeitgeber treffe die Sorgfaltspflicht, die Ordnungsgemäßheit der Ausschreibung zu überwachen,

Diese nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibung führe gemäß § 22 AGG dazu, dass eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermutet werde und deshalb das ausschreibende Unternehmen nachweisen müsse, dass die Klägerin nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden sei, dass also das Geschlecht der Klägerin bei der Auswahl überhaupt keine Rolle gespielt habe. Die Beklagte habe allerdings die maßgeblichen Erwägungen für ihre Auswahl nicht dargelegt.

Die Tatsache, dass eine weibliche Bewerberin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, vermöge die Vermutung allein nicht zu widerlegen. Auch der Einwand der Beklagten, die Klägerin sei nicht wegen ihres Geschlechts, sondern wegen der mangelnden Akquisitionserfahrung nicht eingeladen worden, könne die Vermutung nicht widerlegen. Damit sei nämlich nicht belegt, dass das Geschlecht neben der möglicherweise fehlenden Akquisitionserfahrung der Klägerin bei der Entscheidung keine Rolle gespielt habe.

Eine Benachteiligung der Klägerin sei auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil ihre Bewerbung subjektiv nicht ernst gemeint, sondern ausschließlich auf Erlangung einer Entschädigung gerichtet gewesen wäre. Die Beklagte habe keine ausreichenden Indizien für eine missbräuchliche Bewerbung der Klägerin dargelegt. Die Klägerin sei vielmehr nur nebenberuflich als Rechtsanwältin zugelassen gewesen, sie habe sich beruflich verändern wollen und sei mittlerweile bei einem Unternehmen auch im Bereich Kundenbetreuung und Akquisition tätig. Es sei auch nicht erkennbar, dass sie für die ausgeschriebene Stelle völlig ungeeignet oder über- bzw. unterqualifiziert gewesen wäre.

Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG, insoweit halte der Senat eine Entschädigung im Umfang eines Monatsgehaltes, hier ca. 13.000,00 Euro, für angemessen. Für die Höhe sei unter anderem ausschlaggebend, dass sie auch abschreckende Wirkung haben müsse, also geeignet sein müsse, den Arbeitgeber künftig zu ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Pflichten nach dem AGG anzuhalten und Dritte von ähnlichen Verstößen abzuhalten.

Sonst keine weiteren Diskriminierungen …

Den europarechtlichen Vorgaben würde die Verhängung von Bagatellbeträgen nicht genügen. Hier sei auch zu berücksichtigen, dass die diskriminierende Anzeige zweimal erschienen sei und die Klägerin zunächst die Anwaltskanzlei habe gerichtlich auf Auskunft in Anspruch nehmen und sogar die Zwangsvollstreckung einleiten müssen, bevor sie ihre Entschädigungsansprüche gegenüber der Beklagten habe anmelden können. Andererseits seien außer der Überschrift "Geschäftsführer" keine weiteren Diskriminierungen oder Beeinträchtigungen der Klägerin erkennbar.

Die Revision ist nicht zugelassen worden. Henn empfiehlt, die Entscheidung zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. (www.vdaa.de) verweist. (oe)

Weitere Informationen und Kontakt:

Michael Henn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und VdAA-Präsident, c/o Rechtsanwälte Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de