UTP-Verkabelung wird Koax-Netze verdrängen

10Base-T schlägt mehrere Fliegen mit einer Klappe

17.05.1991

Die Verkabelung stellt einen nicht unwesentlichen Bestandteil der Netzwerkplannung dar - sowohl hinsichtlich der Kosten als auch in bezug auf die zukünftigen Ausbaumöglichkeiten. Im Ethernet-Bereich setzt sich seit seiner Verabschiedung im September 1990 der Standard 10Base-T durch. Philip Matitschek* schildert, was sich hinter dieser Norm verbirgt,

Marktanalysen über Ethernet zeigen zwei Tendenzen: Erstens ist bei einer Twisted-Pair-Verkabelung ein deutlicher Anstieg zu erwarten und zweitens wird Ethernet auf UTP-Basis (UTP: Unshielded Twisted Pair) mehr und mehr Ethernet mit Koaxial-Kabel verdrängen.

Die Gründe scheinen offensichtlich: Kabel auf der Basis von UTP sind wegen der niedrigen Leitungskosten preisgünstiger, einfacher zu installieren und problemloser zu warten. Allerdings können ungeschirmte Kabel Probleme mit sich bringen. Es fehlt eine einheitliche Spezifikation, denn UTP-Kabel ist nicht gleich UTP-Kabel. Um die Kompatibilität zu anderen Ethernet-Standards wahren zu können, wurde mit 10Base-T eine Definition zur Anbindung der Netzwerkkarte an das Kabel gefunden.

UTP-Unterschiede erforderten Norm

Hinter 10Base-T steckt die Entwicklungsgeschichte von Ethernet. Diese Norm wurde 1970 von Xerox entwickelt. Als Zugriffsprotokoll wählte man CSMA/CD (Carrier Sense Multiple Access with Collision Detection). 1982 stellten Xerox, Intel und Digital Equipment die Spezifikation Ethernet 2 vor, die sich auf die Verkabelung von entsprechenden LANs bezog. Auf dieser Basis erstellte das internationale Standardisierungs-Komitee IEEE 1985 die 802.3. Norm für 10Base-5T, den bekannten Standard für Thick-Ethernet.

Der Trend ging jedoch in Richtung kostengünstige Verkabelung. Dazu bot sich Twisted-Pair an und dies besonders in den USA, wo die Zweidrahtleitungen mit den öffentlichen Telefonkabeln identisch sind. Vorreiter in diesem Bereich waren Xerox und Synoptics Communications Systems, die 1987 ein Netzwerksystem auf UTP-Ethernet-Basis mit Übertragungsraten von 10 Mbit/s erarbeiteten.

Im Laufe der Zeit wurden verschiedene Ethernet-Produkte auf UTP-Basis entwickelt, dar unter das bekannte und wohl am meisten verbreitete Lattisnet. Großes Manko bei dieser Entwicklung: Die verschiedenen UTP-Produkte waren mangels Standardisierung untereinander nicht kompatibel.

Der 802.3-Ausschuß des IEEE nahm sich dieses Problems 1987 an und entwickelte in der Arbeitsgruppe 10Base-T einen 10-Mbit/s-Standard für UTP.

Die neue Spezifikation mußte in folgenden Bereichen Abhilfe schaffen beziehungsweise Lösungen anbieten:

- Anbindung der Netzwerkkarte (NIC - Network Interface Controller) an die UTP-Verkabelung bei Wahrung der Ethernet-Kompatibilität (Konformität der verschiedenen Produkte, Verträglichkeit mit den anderen 802.3-Standards),

- Datensicherheit und

- Störeinflüsse insbesondere bei ungeschirmter Verkabelung und Topologie.

Das Normierungs-Komitee entschied sich für die AUI-Interface-Definition. Diese Schnittstellen-Spezifikation entspricht dem bekannten AUI-Interface im Ethernet-Bereich. Über die definierte Schnittstelle wird der NIC an die Media Access Unit (MAU) mit den beiden Funktionseinheiten Physical Medium Attachement (PMA) und Medium Dependent Interface (MDI) angeschlossen. PMA enthält die elektrischen Schaltkreise, die zur Anbindung der MAU an die AUI-Schnittstelle notwendig sind, und bei MDI handelt es sich um das mechanische und elektrische Bindestück zwischen der MAU und dem UTP-Medium. Dem Hersteller bleibt es, solange er sich an die entsprechenden, Schnittstellen-Spezifikationen von AUI und MDI hält, überlassen, wie er die notwendigen Schaltkreise entwickelt.

Nach der Spezifikation der 802.3-Gruppe kann die MAU intern oder extern aufgebaut werden. Integriert man die MAU intern, also auf dem NIC, entfällt die AUI-Schnittstelle beziehungsweise ist nur logisch vorhanden. Der RJ45-Anschluß ist auf dem NIC aufgebaut und ermöglicht die Anbindung an die UTP-Verkabelung.

Bei einem externen Aufbau stellt die MAU eine eigene Einheit dar und wird über ein AUI-Kabel an den NIC angeschlossen. Die MAU wird aber den RJ45-Connector mit der UTP-Verkabelung verbunden. MAU und Konzentrator stellen eine Menge von Hilfs- und Sicherheitsfunktionen bereit. Diese Funktionen nebst der Topologie von 10Base-T ermöglichen einen zuverlässigen Netzwerkbetrieb.

Die MAU-Baugruppe deckt folgende Bereiche ab:

- Transmit, Receive, Loopback,

- Collision Presence,

- Link Integrity Function und

- Auto Partition/Reconnection.

Da die MAU sowohl im NIC als auch im Konzentrator vorhanden ist, müssen auch von beiden Geräten diese Funktionen unterstützt werden. Ein zur Verlängerung der Distanz notwendiger Repeater muß dies ebenfalls gewährleisten.

Die Funktionen "Transmit" und Receive sehen den Versand und Empfang von Daten. Paketen vor, wobei die Codierung der Pakete bei 10Base-T nach der Manchester-Norm erfolge. "Loopback" ermöglicht den Aufbau von Testverbindungen zwischen den Workstations. Mit der Funktion Collision Presence kann der NIC Kollisionen im Netzwerk erkennen. Sie entstehen, wenn mehrere NICs zur gleichen Zeit Daten senden. Da jeder NIC ein eigenes Transmit- und Receive-Leitungspaar besitzt, entstehen die Kollisionen erkannt auf dem Ethernet-Medium UTP, sondern in Konzentratoren. Wird eine Kollision erkannt, unterbrechen die sendenden NICs die Datenübertragung. Nach einer unbestimmten Zeit versuchen die betroffenen NICs erneut, Datenpakete zu versenden.

Wenn ein NIC laufend Daten sendet und dadurch das Netzwerk-Medium permanent belegt, kann bei einer solchen Funktion kein anderer NIC auf das Medium zugreifen, um Datenpakete zu übertragen. Erkennt der Konzentrator ein solches Fehlverhalten, hängt er den betreffenden Strang vom Netzwerk ab. Durch diese "Japper-Funktion" wird gewährleistet, daß fehlerhafte Komponenten den Netzwerkbetrieb nicht stören können.

Beim "Link Integrity Signal" handelt es sich um eine Testfunktion des Konzentrators. Dieser sendet periodisch ein Link Integrity Signal an die MAUS. Wenn in einem bestimmten Zeitraum keine Bestätigung der MAUs eintrifft, wird der entsprechende Strang aus dem Netzwerk genommen. Ein Link-Fehler wird herstellerabhängig entweder an der MAU oder am Konzentrator angezeigt.

Wird im Fehlerfall oder wegen einer Konfigurationsänderung eine Workstation aus dem Netzwerk-Betrieb genommen, erkennt der 10Base-T-Konzentrator mit Hilfe der Funktion "Auto Partition/Reconnection den geänderten Zustand und gibt keine Daten an den, entsprechenden Anschluß. Diese Funktion erlaubt sowohl das unproblematische Abtrennen als auch das Wiedereinbinden von Workstations in den Netzwerkbetrieb.

Beim 10Base-T-Standard, der eine Datensicherheit fordert, die bei 100 Mbit ein fehlerhaftes Bit erlaubt, wird Unshielded-Twisted-Pair-Verkabelung eingesetzt - ein preisgünstiges Medium, das auch den Rückgriff auf bereits vorhandene Leitungen zuläßt.

Als Spezifikationen für UTP-Kabel wurden folgende Werte festgesetzt: Durchmesser ab 0,5 Millimeter, Wellenwiderstand von 85 bis 110 Ohm, Bandbreite von 10 Megahertz, Dämpfung von maximal 11,5 Dezibel und eine Nebensprechdämpfung von 20 Megahertz bis zu 20 Dezibel.

Die Kabelspezifikation umfaßt Verkabelungssysteme für die US-Telefonverkabelung, ISDN, RS232-Verkabelung und das IBM-Kabel von Typ 3. Für den Anschluß an das UTP-Kabel wurde der RJ45-Connector gewählt.

Ein großes Problem bei einer UTP-Verkabelung stellt der Jitter-Effekt dar. Jitter ist die Signalverformung des empfangenen Signals im Verhältnis zum abgesandten Signal. Der Jitter-Effekt entsteht beim Signallauf durch das Medium und ist bei UTP-Kabeln unvermeidbar. Als Einfluß-Faktoren, die Jitter entstehen lassen und die Signalverformung bestimmen, sind das Medium UTP, die Störstrahlung, die Übertragungsfrequenz und die Kabellänge zu nennen.

Die Möglichkeit, diesen unvermeindlichen Jitter-Effekt zu kompensieren, heißt Equalization, wobei sowohl die Post- als auch die Pre-Equalization denkbar ist.

Unter Post-Equalization versteht man, daß das empfangene Signal beim Empfänger in seinen Originalzustand gebracht wird. Dabei steht ein Algorithmus zur Verfügung, der das durch den Jitter-Effekt verzerrte Signal in einer Annäherung in das gesendete Signal umformt. Es ist sehr schwierig, die originale Signalform wiederherzustellen, da sie nicht bekannt ist. Es treten, bedingt durch den verwendeten Algorithmus, Fehler auf, die das gesendete Datenpaket verfälschen und unbrauchbar machen.

Das Komitee 802.3 entschied sich indes für die zweite Möglichkeit, das Jitter-Problem anzugehen. Die Pre-Equalization hat gegenüber der Post-Equalization den Vorteil, daß die Signalform des zu sendenden Signals bekannt ist. Der Jitter-Effekt ist in der UTP-Verkabelung unvermeidbar; geht man von einer Maximalen Kabellänge aus, ist die Verzerrung berechenbar.

Der Jitter-Effekt wird durch die Berechenbarkeit zu einem bekannten Faktor und kann so von vornherein berücksichtigt werden; dies macht sich die Preequalization zunutze. Im Sender wird das zu sendende Signal nach einem festgelegten Signal verzerrt, der das Jitter-Verhalten berücksichtigt. Durch den Jitter. Effekt auf der Leitung entspricht das empfangene Signal im Empfänger dem Originalsignal. Die Verwendung von Pre-Equalization ermöglicht somit eine, sichere Übertragung von Datenpaketen.

Ein wichtiger Punkt im Bereich Datensicherheit ist die Netzwerk-Verfügbarkeit. Ethernet mit seiner Bus-Topologie wird vorgeworfen, daß -auf das Netzwerk nicht mehr zugegriffen werden kann, sobald Probleme mit der Koax-Verkabelung auftreten. Die unter 10Base-T verwendete Stern-Topologie ermöglicht, daß bei Problemen an der Verkabelung nur ein Strang und somit nur eine Workstation ausfällt. Das Netzwerk läßt sich von anderen Arbeitsstationen ungehindert weiter nutzen.

Im 10Base-T-Netzwerk werden die einzelnen Arbeitsstationen über UTP-Verkabelung an einen zentralen Konzentrator angeschlossen. Durch Verbindung der 10Base-T-Konzentratoten ergibt sich eine Distributed-Star-Topologie. 10Base-T bietet dadurch eine vollkommen andere Topologie als 10Base-5 (siehe dazu Abbildung 1).

Faßt man die in diesem Artikel angesprochenen Punkte zusammen, werden die Vorteile von 10Base-T deutlich. 10Base-T stellt mit der Verwendung der billigen UTP-Verkabelung eine seit langem nötige Erweiterung der bestehenden 802.3-Standards dar.

Die Bus-Topologie, ein typisches Ethernet-Problem, wurde durch den Einsatz von Konzentratoren und damit einer Stern-Topologie vermieden. 10Base-T weist eine strukturierte Verkabelungs-Methode auf und erleichtert dadurch das Netzwerk-Management.

Durch die Funktionen, die 10Base-T zur Verfügung stellt, wird die Fehlerdiagnose vereinfacht. Dies zeigt sich vor allem bei Schwierigkeiten mit der Verkabelung: Bei einem Leitungsproblem fällt nur die betroffene Workstation aus, das Netzwerk kann von anderen Stationen weiter genutzt werden.

NICs, die eine Fehlfunktion aufweisen, trennt der Konzentrator automatisch vom Netz. Dadurch wird vermieden, daß ein fehlerhafter NIC den Netzwerkbetrieb verhindert.

Der Hauptvorteil von 10Base-T liegt in seinem kostengünstigen Verkabelungskonzept. Die Verwendung von UTP-Leitungen ermöglicht, eine bereits bestehende Verkabelung für den Netzwerkbetrieb zu nutzen. Es kann auf ISDN oder Terminalverkabelung zugegriffen werden, ebenso wie auf eine eventuell vorhandene Token-Ring-Verkabelung bei Einhaltung der Leistungsspezifikationen.

Bei Neuinstallation von Leitungen zeigt sich, daß UTP ein leicht zu verlegendes Medium ist. Der Grund liegt darin, daß UTP-Leitungen im Gegensatz zu Koax-Leitungen flexibler sind und ein geringeres Gewicht aufweisen.

Insgesamt zeigt sich, daß 10-Base-T durch die Verwendung von UTP-Verkabelung und durch sein Verkabelungskonzept eine preiswerte und sichere Netzwerklösung darstellt.