Frühwarnsystem in der Projektarbeit

10 Symptome, an denen Sie eine Projektkrise erkennen

15.10.2015
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Mit mehr als 20 Jahren Projekterfahrung in der ITK-Branche schreibt Hauke Thun als Experte zu den Themen Projektmanagement & Führung. Der Managing Director des House of PM verfügt über Zertifizierungen nach GPM/IPMA Level D, PMI/PMP und OGC/PRINCE2 sowie SCRUM ALLIANCE/Certified Scrum Master. Außerdem engagiert er sich als Assessor für den IPMA Project Excellence Award und seit 2013 als IPMA DELTA Foreign Assessor.
Nur wer die Auslöser einer Krise identifiziert, ist in der Lage, das Projekt zu retten. Erkennt der Projektmanager die Warnzeichen frühzeitig, lässt sich die Krise sogar abwenden.

Jedes Unternehmen möchte sie vermeiden, doch oft sind sie unumgänglicher Bestandteil der Projektarbeit. Die Rede ist von Krisen. Die manchmal unvorhergesehenen, meistens vermeidbaren Störfälle setzen die Geschäftsführung sowie gewohnte Abläufe in den Unternehmen auf den Prüfstand und können im schlimmsten Fall verheerende Konsequenzen nach sich ziehen.

Unternehmen, die gut auf den Umgang mit prekären Projektsituationen eingestellt sind, verstehen es in der Regel, Krisensymptome frühzeitig zu erkennen und notwendige Schritte zur Rettung der Projekte umzusetzen. Ein Prozess, der jedoch häufig mit Widerständen verbunden ist.

Was ist eine Krise? Definition und typische Symptome

Viele Menschen sprechen schnell oder manchmal auch vorschnell von einer "Krise". Doch wann handelt es sich tatsächlich darum? Eine Krise aus Sicht des Projektmanagements ist eine Sonderform des Konflikts, der durch seine Ausweglosigkeit, Rückzug, Blockade oder weitreichende Lähmung gekennzeichnet ist (vgl. Schelle et al. 2005, S. 436). Fast immer ist eine Krise ein Indikator für unzureichendes Projektmanagement.

Ein guter Projektmanager erkennt die Warnzeichen einer Krise bereits so früh, dass er sie noch abwenden kann.
Ein guter Projektmanager erkennt die Warnzeichen einer Krise bereits so früh, dass er sie noch abwenden kann.
Foto: Olaf Naami - shutterstock.com

Krisensituationen gehen mit typischen Symptomen einher, denen jeweils verschiedene Ursachen - häufig ganze Ursachenkomplexe - zugrunde liegen. Es liegt in der Verantwortung des Projektmanagers, das Heraufziehen einer Schieflage anhand bestimmter Indikatoren frühzeitig als solche zu erkennen und die tieferen Ursachen für beispielsweise gestörte Kommunikation, sinkende Mitarbeitermotivation, plötzlich auftretende Risiken oder den "Beschuss" des Projekts aus den Reihen der Stakeholder zu beheben. Die Krisensymptome können sehr unterschiedlich sein:

Mitarbeiter kennen ihre Projektaufgaben nur ungenau

Oft werden die Projektziele nicht an alle Projektteilnehmer weitergegeben oder überhaupt eindeutig genug definiert. Um als Projektmanager die führende und steuernde Kraft für das Projekt zu sein, sind ein klarer Projektauftrag und eine eindeutige Rollenbeschreibung notwendig. Bei fehlendem oder ungenauem Auftrag ist dieser Zustand meistens ursächlich für die Unwissenheit des Projektmanagers und setzt sich dann bei den Mitarbeitern fort.

Die Kommunikation ist gestört

Die Symptome für eine nicht zielgerichtete, fehlende oder gestörte Kommunikation können ganz unterschiedlich aussehen. Beginnen kann dies mit unterschiedlichen Informationen in Besprechungen oder im Flurfunk. Eine gefährliche Entwicklung, die umgehend korrigiert werden muss. Denn Projektmanagement besteht zu einem sehr großen Teil aus Kommunikation - diese am Laufen zu halten ist eine der primären Aufgaben des Projektmanagers.

Alle Arbeitspakete sind fast fertig - seit drei Wochen

Das berühmte 90-Prozent-Syndrom taucht immer wieder auf. Es beschreibt einen Mangel bei der Planung. Entweder wurde die Zeit oder der Aufwand falsch bewertet. Oder ein fehlendes Änderungsmanagement ist die Ursache.

Risiken tauchen unerwartet auf

Häufigster Auslöser dafür: ein mangelndes Risikomanagement. Hierbei stellt sich die Frage, ob eine Risikoanalyse durchgeführt wurde und wie aktuell diese ist.

Stakeholder stellen sich gegen das Projekt

Mögliche Ursachen können besonders in größeren Unternehmen Machtrangeleien und interne Politik sein. Eine schwierige Konstellation, die auch erfahrene Krisenmanager vor unlösbare Aufgaben stellen kann. Hier ist eine regelmäßige Analyse der Stakeholder erforderlich. Sinnvoll kann auch der Einsatz eines speziellen Mediators oder Auditors sein.

Schwindendes Vertrauen des Lenkungsausschusses in den Projektleiter

Werden bei dedizierter Nachfrage wiederholt kritische Details bekannt, die aus den regelmäßigen Projektstatusberichten nicht ersichtlich sind, wird die Vertrauensbasis zwischen Lenkungsausschuss und Projektleiter nachhaltig gestört. Nur Berichte, die 1:1 den Sachverhalt aus dem Projektteam darstellen sowie ein lösungsorientierter Umgang mit Schwächen und Missständen ermöglichen eine fortwährende Transparenz und das frühzeitige Ergreifen von Gegenmaßnahmen.

Mitarbeitern ist der Zugriff auf Dokumente unklar

Wenn es ein Dokumentenmanagementsystem gibt, sollte sichergestellt sein, dass alle Beteiligten auch damit umgehen können. Es ist zu klären, ob sie die benötigten Daten erhalten oder darauf zugreifen können.

Mitarbeiter haben ein Problem mit dem Projektmanager

Um diesem Phänomen vorzubeugen, ist es wichtig, dass die Projektmitarbeiter die Eskalationswege kennen und ermutigt werden, sie auch zu nutzen.

Es gibt Hilfeschreie aus dem Projekt

Wann immer es Hilfeschreie eines Stakeholders, Teammitglieds oder gar eines Projektmanagers gibt, ist es meist schon sehr schlecht um ein Projekt bestellt. Dann ist die Krise manifest, und für die Klärung und Behebung der Ursachen wird eventuell Hilfe von außen benötigt.

Die Mitarbeitermotivation sinkt

Mögliche Gründe sind Überlastung, fehlendes Änderungsmanagement, fehlende Möglichkeiten zur Weiterentwicklung oder schlechte Bezahlung.

Wenn die Auslöser der Krise genau benannt werden können, sind der Krisenmanager in Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung und den Projektteams dazu in der Lage, die nötigen Schritte zur Rettung des Projekt einzuleiten und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Wird das Projekt schon von Beginn an mit professionellem Projekt- und Risikomanagement angegangen, so können Krisen sogar weitestgehend vermieden werden.

Hier ist neben der Auswahl eines durchsetzungsstarken Projektmanagers auch das Führungsverständnis innerhalb der Organisation wichtig. Analog zum Kriseneinsatz benötigt der Projektmanager für eine erfolgreiche Prävention die entsprechenden Handlungsfreiräume und ausreichende Managementunterstützung. (bw)