0900 - Schluss mit der 0190-Abzocke?

05.10.2005
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Dies, so munkelt die TK-Branche, dürfte denn auch der wahre Grund dafür sein, warum etliche Beteiligte noch in letzter Minute versuchten, bei der Bundesnetzagentur die 0190-Abschaltung zum 31. Januar zu verhindern. Die Begründung, dass mit der Einführung des Offline-Billings eine Interconnection-Hölle drohe, halten die Insider dagegen für vorgeschoben, zumal die Pläne seit rund vier Jahren bekannt sind.

Das Abrechnungsverfahren

Zur Ehrenrettung der Beschwerdeführer muss allerdings angeführt werden, dass die Abrechnung im Offline-Billing in der Tat nicht ganz trivial ist. Um seine Forderung zu erheben, muss ein Serviceanbieter mit jedem Teilnehmernetzbetreiber einen entsprechenden Einzelvertrag abschließen und Schnittstellen definieren, um die entsprechenden Beleg-Tickets für die erbrachte Serviceleistung auszutauschen. Zudem sind Abkommen zwischen den Teilnehmernetzbetreibern, bei denen der Endkunde seinen Telefonanschluss hat, und den Verbindungsbetreibern zur Abrechnung der Transportleistungen notwendig. "Ein Konstrukt, das schnell zu 4000 Vertragsbeziehungen führt", rechnet BT-Manager Arnoldi vor. Das hier drohende Vertragschaos und die Gefahr, dass dieses Wirrwarr womöglich neue Serviceanbieter vom Markteintritt abhält, brachte große Carrier wie die Telekom oder BT auf eine neue Geschäftsidee: Sie agieren als Transit- und Clearing-Plattform für die Serviceanbieter, Teilnehmer- und Verbindungsnetzbetreiber. Nutzt beispielsweise ein City-Carrier als Teilnehmernetzbetreiber den "0900-Handover"-Service von BT, so schließt er nur einen Vertrag mit dem Carrier. Dieser unterhält dann die Vertragsbeziehungen zu Akteuren.

In umgekehrter Richtung ist die Idee der 0900-Clearing-Häuser auch für die Serviceanbieter interessant. Sie können sich auf die Erbringung ihres Mehrwertdienstes konzentrieren, während sie beispielsweise Abrechnung, Mahnwesen und eventuelles Inkasso outsourcen. Je nach Tiefe der in Anspruch genommenen Serviceleistung und der zu bezahlenden Transportleistung bleiben für den Serviceanbieter dann 85 bis 90 Prozent der 0900-Gebühren.