Oracle-Sun-Deal

EU könnte Übernahme stoppen

10.09.2009
Von Dr. Sebastian Jungermann
Die EU bremst Oracle bei der Übernahme von Sun wegen kartellrechtlicher Bedenken aus. Zur Not wird es eine Transaktion unter Auflagen geben. Stichtag ist der 19. Januar 2010.

Am 3. September 2009 gab die Europäische Kommission bekannt, dass sie auf der Grundlage der EU-Fusionskontrollverordnung eine eingehende Untersuchung der geplanten Übernahme von Sun Microsystems durch den Softwarekonzern Oracle eingeleitet habe (Phase zwei), da in der ersten Prüfungsphase erhebliche Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der geplanten Übernahme mit dem sogenannten Gemeinsamen Markt bestehen, dieses Vorhaben werfe auf dem Markt für Datenbanken zu viele wettbewerbsrechtliche Probleme auf.

Gemäß EU-Fusionskontrollverordnung muss die Kommission nun innerhalb von 90 Arbeitstagen, also bis zum 19. Januar 2010, abschließend entscheiden, ob diese Übernahme den wirksamen Wettbewerb im Europäischen Wirtschaftsraum beziehungsweise in einem wesentlichen Teil desselben erheblich beeinträchtigen würde. Nur wenige Fusionen überstehen die Phase zwei wegen fusionsrechtlicher Bedenken - ein Albtraum für die Dealmaker. Die in den USA zuständige Antitrust Division des US-Department of Justice in Washington D.C. hingegen (US-amerikanische Justizministerium) hatte die Übernahme von Sun Microsystems durch Oracle bereits im August 2009 ohne Auflagen genehmigt. Aber genau dies war auch die Konstellation bei dem 2001 gescheiterten US-Merger von GE und Honeywell.

Amerikanische versus europäische Wettbewerbsbehörde

Vermutlich ist dieser Fall wiederum geeignet, die Diskussionen einer unterschiedlichen Bewertung eines geplanten Zusammenschlussvorhabens durch amerikanische und europäische Wettbewerbsbehörden neu zu entfachen. Eine heftige und über Jahre andauernde Diskussion zwischen den USA und der Europäischen Kommission löste das Zusammenschlussvorhaben General Electric und Honeywell vor acht Jahren aus, diese Transaktion wurde vom US Department of Justice im Mai 2001 unter Auflagen freigegeben, während die EU Kommission wegen wettbewerbsrechtlicher Bedenken keinerlei Möglichkeit einer Freigabe sah. Ein Merger fand damals nicht statt. Vor dem Riesenaufwand die Konzerne auf eine Weise zu entflechten, so dass der Merger nur auf US-Ebene stattgefunden hätte, schreckten die Unternehmen damals zurück - wie übrigens immer in derart gestalteten Fällen.

Im Oracle/Sun Vorhaben ist es nun nach Ansicht der EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes höchst bedenklich, dass Oracle als das weltweit führende Unternehmen im Bereich proprietäre Datenbanken das weltweit führende Unternehmen im Bereich Open-Source-Datenbanken zu übernehmen gedenkt. Insbesondere befürchtet die Kommission den Niedergang der Datenbankensoftware, die auf Open-Source-Software basiert und will gewährleisten, dass solche Alternativen vorhanden bleiben. Die angemeldete Transaktion würde zwei bedeutende Wettbewerber auf dem Markt für Datenbanken zusammenführen, obgleich der Markt für Datenbanken bereits stark konzentriert sei.

EU befürchtet Monopol

Es sei davon auszugehen, dass die drei Hauptwettbewerber Oracle, IBM und Microsoft, etwa 85 Prozent dieses Marktes im Bereich proprietäre Datenbanken kontrollieren. Oracle sei bereits Marktführer bei proprietären Datenbanken, während die MySQL-Datenbank von Sun die weltweit führende Open-Source-Datenbank ist. Nach Ansicht der Kommission wurde im Rahmen der ersten Prüfungsphase deutlich, dass auch der Open-Source-Charakter der MySQL-Datenbank von Sun mögliche wettbewerbswidrige Auswirkungen nicht völlig beheben könne. Schwerpunkt der nun folgenden Untersuchung ist vor allem, welche Anreize Oracle haben könnte, die MySQL als Open-Source-Datenbank zu erhalten und weiterzuentwickeln, um sodann eine darauf basierende Prognose hinsichtlich MySQL zu wagen.

Bereits im April 2009 haben Oracle-Präsident Charles Phillips und Chief Corporate Architect Edward Screven gegenüber der Sun-Belegschaft erklärt, dass Oracle Java als Open-Source-Software weiterentwickeln und MySQL weiter als Produkt anbieten werde. MySQL-Gründer Monty Widenius, gebürtiger Finne, der inzwischen an einer eigenen MySQL-Version MariaDB arbeitet, schrieb über die möglichen Gründe des Deals, dass Oracles Pläne für MySQL wenig optimistisch erscheinen. Letztlich bleiben aber nur drei Varianten, entweder wird Oracle die freie Datenbank einstampfen, sie weiterverkaufen, oder Oracle nimmt sich MySQL tatsächlich an und entwickelt sie als freie Software weiter. Man darf gespannt sein, wie die EU Kommission bis zum 19. Januar 2010 entscheiden wird bzw. was ihr das Oracle Management anbieten wird, zur Not kann eine Transaktion auch unter Auflagen genehmigt werden.

IBM wollte weniger zahlen

Nachdem IBM sein Interesse an dem Unix- und Server-Spezialisten Sun Microsystems bekundet hatte und "nur" rund 7 Milliarden US-Dollar geboten hatte, lehnte Sun das Angebot ab und IBM zog seine Offerte im April 2009 wieder zurück. Schon am 20. April 2009 wurde sodann bekannt, dass der US-amerikanische Softwarekonzern Oracle Sun Microsystems für 9,50 US-Dollar je Aktie übernehmen wolle, die damit gebotene Kaufsumme betrug rund 7,4 Milliarden US-Dollar (inklusive Schulden von Sun).

Schon seit einiger Zeit versuchte Oracle, sein Angebot von Datenbanksystemen und Business-Anwendungen zu erweitern, um sich als Komplettanbieter einer Softwareinfrastruktur zu etablieren, bei dem ein Kunde nach dem Prinzip One-Stop-Shopping vom Betriebssystem über die Middleware und die Entwicklungstools bis hin zu den Anwendungen und den zugehörigen Dienstleistungen alles erhalten kann. Mit Sun könnte Oracle seinem Portfolio nun unter anderem die für diese Infrastruktur notwendige Server-Hardware, ein eigenes Unix-System sowie Linux-Technik, Java als Grundlage für weborientierte Anwendungen und auch diverse Entwicklungswerkzeuge hinzufügen. Larry Ellison, ein eher auffälliger Manager in der IT-Branche, ist seit 2005 für rund 35 Milliarden US Dollar einkaufen gegangen und hat Oracles Position stark ausgebaut. Mit Sun werde Oracle die IT-Industrie umwandeln, sagte Ellison nun, Oracle werde danach der einzige Anbieter sein, der ein integriertes System anbieten könne, bei dem alles zusammenpasse und zusammenarbeite, sodass ein Kunde nicht mehr selbst Hand anlegen müsse.