Compliance & Recht

Staat will Produktpiraterie den Garaus machen

11.06.2008
Ein neues Gesetz zum Schutz geistigen Eigentums erhöht den Druck auf Raubkopierer erheblich.

Der Deutsche Bundestag hat am 11. April 2008 das Gesetz zur Umsetzung der EU-Durchsetzungs-Richtlinie 2004/48/EG verabschiedet. Gründe für das Erlassen dieser Richtlinie waren die immensen volkswirtschaftlichen Schäden, die infolge von Marken- und Produktpiraterie entstanden. Schätzungen der Europäischen Kommission zufolge machen Plagiate und Fälschungen bis zu zehn Prozent des Welthandels aus. Allein in Deutschland gehen nach Hochrechnung des Bundesjustizministeriums etwa 50.000 Arbeitsplätze dadurch verloren. Diese Zahlen sprechen für den dringenden Bedarf an einer solchen Rechtsgrundlage.

Den zentralen Bestandteil des Gesetzes bilden zivilrechtliche Auskunftsansprüche der Rechteinhaber. Sie können unter bestimmten Voraussetzungen nun auch unmittelbar gegen Dritte vorgehen, die selbst keine Rechtsverletzer sind. Letztere verfügen aber über Informationen, die der Rechteinhaber benötigt, um erfolgreich gegen den eigentlichen Rechtsverletzer vorgehen zu können.

Stellt zum Beispiel jemand urheberrechtlich geschützte Musik, Filme oder sonstige Software illegal zum Download im Internet bereit, war es für den jeweiligen Rechteinhaber mitunter mit hohem Kosten- und Zeitaufwand verbunden, die Identität des Verletzers herauszufinden. Bislang musste der Rechteinhaber Strafanzeige gegen unbekannt erstatten. Warum? Anhand der IP-Adresse war meist lediglich das Webhosting-Unternehmen bestimmbar, nicht aber die für den Inhalt verantwortliche Person. Erst auf Grund einer solchen Strafanzeige wurde die Staatsanwaltschaft bisher aktiv. Sie forderte Auskunft vom betroffenen Provider, wem die fragliche IP-Adresse zum betroffenen Zeitpunkt zugeordnet war. Erst danach konnte bislang der Rechteinhaber mittels Akteneinsicht an Namen und Anschrift des Raubkopierers gelangen. Diese Identifikationskette kann sich schlimmstenfalls über mehrere Service-Provider und Subunternehmen erstrecken.

Nach neuem Recht fällt dieser Umweg über die Staatsanwaltschaften nun weg. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn der Dienstleister zur Förderung des Geschäftszwecks - egal ob für den eigenen oder fremden - handelt. Nunmehr ist der Provider auf Verlangen direkt zur Auskunft verpflichtet. Weigert er sich, kann dieser Anspruch kurzfristig auch durch eine einstweilige Verfügung durchgesetzt werden.

Neben dem Musterbeispiel des illegalen Musik-Downloads kann als plastisches Exempel auch die Server-Software eines "Massively Multiplayer Online Roleplaying Game"(MMORPG) dienen. In diesen Spielen bevölkern gleichzeitig mehrere tausend Spieler mit ihren Spielfiguren, Avatare, die virtuelle Welt. Die Avatare und Spielwelten werden auf Servern verwaltet, über die die Spieler in die virtuelle Welt gelangen. Je nach Spiel zahlen die Nutzer meist eine Gebühr, häufig einen Monatsbeitrag von zehn bis 25 Euro. Gelangt die Server-Software, mit der sich entsprechende Server betreiben lassen, in fremde Hände, kann irgendwo auf der Welt ein illegaler Server aufgesetzt werden. Dies kann beim Rechteinhaber - ganz zu schweigen von den Betrugsmöglichkeiten zu Lasten der Spieler - zu empfindlichen Verlusten führen.

Erfährt nun der Rechteinhaber von einem illegalen Server, so ist es für ihn verhältnismäßig einfach, den Inhaber der IP-Bandbreite zu ermitteln. Aber selbst wenn der Webhoster dazu bewegt werden kann, die Website zu sperren, und damit den illegalen Server lahmlegt, kann der Betreiber seinen Server beim nächsten Webhost recht schnell neu aufsetzen und weiterbetreiben. Um gegen solche Rechtsverletzter erfolgreich vorgehen zu können, kann die Bekanntgabe der Identität nun unmittelbar vom Webhoster verlangt werden. Genau an dieser Stelle soll nun das neue Gesetz zum Schutz des geistigen Eigentums helfen: Es ermöglicht in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung auch Auskunftsansprüche gegen Personen, die im gewerblichen Ausmaß Dienstleistungen für die rechtsverletzende Tätigkeit erbringen. Dies ist bei einem kommerziellen Webhoster der Fall.

Zum Schutze des Verbrauchers aber, der nicht zur Förderung eines Geschäftszwecks handelt, werden Abmahnungen erheblich günstiger. So dürfen bei einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs die erstattungsfähigen Anwaltsgebühren für die Abmahnung nicht mehr als 100 Euro betragen. Diese Begrenzung gilt nicht bei den übrigen Schutzrechten wie dem Marken- oder Patentrecht. Hier können Abmahnungen nur ausgesprochen werden, wenn das Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt wurde.

Autoren: Dr. Sebastian Jungermann und Alexander Druckenbrodt, Rechtsanwälte, Kaye Scholer (Germany) LLP, Frankfurt am Main.