Colonia und Nordstern: Redundanzen abbauen und Kosten senken Anwendungsarchitekturen steigern Unternehmenserfolg

11.03.1994

Fuer den Colonia-Konzern wurde durch den Zusammenschluss der Datenverarbeitung der Colonia- und Nordstern- Versicherungsgesellschaften die Voraussetzung zur Entwicklung einer gemeinsamen Anwendungsarchitektur geschaffen. Welche Auswirkungen ein so geschaffenes gemeinsames Verkaufs- und Verwaltungssystem auf den Unternehmenserfolg hat, dokumentiert Norbert Rohrig*.

Neben der Notwendigkeit der Reorganisation und Vereinheitlichung der Geld-, Finanz-, Informations- und Rueckversicherungssysteme ist insbesondere die Entwicklung der Verkaufs- und Verwaltungssysteme ein Schwerpunkt gewesen.

Schluessel ist die Beherrschung der schnelleren Produktentwicklung und Umsetzung im Verkauf, das heisst letztendlich die Integration von Verkauf und Verwaltung. Daraus laesst sich ein Zielszenario entwickeln, das beschreibt, wie nach der Reorganisation aller Verwaltungssysteme und Integration mit dem Verkauf das Zusammenspiel zwischen Innendienst, Aussendienst und DV aussehen kann.

Der Verkauf ueber den PC macht die Produktvielfalt beherrschbar, steigert den Service und reduziert Fehlerquellen im Privatkunden- /Standardgewerbegeschaeft. Dabei wird unterstellt, dass 80 Prozent des Standardgeschaeftes maschinell ohne manuellen Eingriff abgewickelt werden koennen. Erforderlich dazu sind nicht nur offline einzusetzende Verkaufssysteme auf Notebooks, sondern auch integrierte hochautomatisierte Verwaltungssysteme, die es ermoeglichen, Produkte schnell einzufuehren und standortunabhaengig zu verwalten.

Da der Verkauf produktuebergreifend nach einheitlichen Verkaufssystematiken stattfindet und die Weiterverarbeitung vollautomatisiert abgewickelt werden soll, sind spartenuebergreifende Back-office-Systeme die Voraussetzung, Verkauf und Verwaltung integriert abwickeln zu koennen. Die Konstruktion dieser Systeme muss daher nach einheitlichen Prinzipien erfolgen. Dies ist gleichzeitig die Voraussetzung zur Reduzierung von redundanten Funktionen und Kosten und zur Normierung und Standardisierung der heute noch unterschiedlichen Sparten beziehungsweise Produktsysteme. Der Ausbau in Richtung einer Client-Server-Architektur ist ebenfalls nur damit zu gewaehrleisten.

Es wird haeufig unterschaetzt, wie hoch der generalisierbare Anteil der technischen Infrastruktur in den einzelnen Systemen ist. Er kann durchaus zwischen 50 Prozent und 70 Prozent des Gesamtaufwandes eines Systems liegen. Um die oben aufgefuehrten Ziele zu erreichen, wurden im Colonia-Konzern die parallel laufenden Projekte der Neuentwicklung des Kraftfahrzeug-, Lebens- und Krankensystems konsolidiert. Gleichzeitig werden mit diesen Systemen Bausteine als generalisierte Infrastruktur entwickelt, die standardisiert eingesetzt werden und sukzessiv mit den anderen Spartensystemen weiterentwickelt werden (Abbildung 1).

Damit wird die Ueberfuehrung von fachlichen Funktionen- und Prozessmodellen in ein technisches Anwendungsdesign dargestellt, so dass eine (spaetere) Verteilung der Anwendung moeglich ist. Zu dieser Architektur gehoert eine technische Infrastruktur bestehend aus Generatoren, Makros, Laufzeitkomponenten, Schnittstellenstandards etc. sowie Tools, um die Entwicklung von Anwendungssystemen auf dieser Plattform zu unterstuetzen und Cooperative Processing vorzubereiten.

Dabei standen folgende Ueberlegungen im Vordergrund:

Softwaresysteme sollen so konstruiert werden, dass technologische Weiterentwicklungen in den Bereichen Hardware- und Softwaretechnik auch in bestehenden Anwendungen sukzessiv integriert werden koennen. Bei der Nutzung neuer Entwicklungen hilft eine Architektur dann, die relevanten Teile eines Anwendungssystems zu lokalisieren und die Wirkungen neuer Techniken genauer abzuschaetzen.

Ohne eine Gesamtarchitektur (fachlich und technisch) ist die Entwicklung spartenuebergreifender Anwendungssysteme nicht moeglich, da sonst die Integrationsbasis fuer die einzelnen Teilentwicklungen fehlt.

Alle wichtigen Qualitaetseigenschaften eines Programmsystems haengen von Ueberlegungen auf Architekturebene ab. Das heisst, die Festlegung der Struktur eines Softwaresystems - also deren Architektur - ist Voraussetzung fuer jede Art von Qualitaetsueberlegungen und somit insbesondere fuer die Unterstuetzung von Wiederverwendbarkeit, Wartbarkeit und Verteilbarkeit.

Der Bruch beim Uebergang zwischen fachlicher Analyse und technischem Anwendungsdesign sollte reduziert und aehnlich methodisch konstruktiv festgelegt werden, wie er im Bereich der Ueberfuehrung logischer Datenmodelle in ein physisches DB-Design heute bereits geloest ist.

Fuer verschiedene Problemklassen, wie zum Beispiel die Klasse der interaktiven (Online-) Systeme, kann eine Standardsoftware- Architektur angegeben werden (Abbildung 2).

Eine derartige Vorgehensweise macht die Komplexitaet beherrschbar, fuehrt Schritt fuer Schritt zu einer Normierung der Systeme und ermoeglicht den weichen Uebergang in eine Client- Server-Welt. Am Abschluss der Reorganisation steht die Integration der Verkaufs- und Verwaltungssysteme, um Redundanzen in den Funktionen weitestgehend abzubauen und die Reaktionsfaehigkeit bei Systemerweiterungen und -aenderungen so gross wie moeglich zu halten.

Neben der Kosteneinsparung durch die Bausteinphilosophie ist aufgrund der spartenuebergreifenden Entwicklung (Kundenorientierung) die Synchronisierung der heute unterschiedlichen Spartensysteme auch sachlich notwendig. Dies wird durch den spartenuebergreifenden computerisierten Verkauf und die daraus abzuleitende Forderung nach synchronisierter Weiterverarbeitung in den Verwaltungssystemen verursacht. Wegen der Komplexitaet ist dies jedoch nur in Stufen und ueber mehrere Jahre zu erreichen.

* Norbert Rohrig ist stellvertretendes Mitglied des Vorstandes der Nordstern Versicherungen, Koeln.

Abb. 1: Die gemeinsamen technischen Infrastrukturkomponenten koennen standardisiert entwickelt werden, um die Grundlage fuer eine spartenuebergreifende Verwaltung zu schaffen und Entwicklungskosten zu reduzieren.

Abb. 2: Die technische Architektur ist auch Voraussetzung fuer einen spaeteren Umstieg auf Client-Server-Technologie.